Dawn-Missionsleiter über den Pyramidenberg auf Ceres
Draufsicht auf die sog. „Ceres-Pyramide“ aus 1.470 Kilometern Höhe.
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Copyright: NASAJPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA
Los Angeles (USA) – In einem Interview mit der US-Journalistin Linda Moulton-Howe hatte sich der wissenschaftliche Leiter der Dawn-Mission, Dr. Christopher Russell, kürzlich zum Stand der Erkenntnisse zu den hellen Flecken auf Ceres geäußert (…GreWi berichtete). In einem zweiten Teil des Interviews konzentriert sich der NASA-Wissenschaftler nun auf die Fragen rund um den nicht weniger rätselhaften pyramidenförmigen Berg auf dem Zwergplaneten.
Zuvor hatte Russel im Interview mit Moulton-Howe (Earthfiles.com) bereits geschildert, dass die hellen Flecken aus einem pulverartigen Material zu bestehen scheinen (…GreWi berichtete). Dieses helle Material scheint auch große Teile des auch als „Ceres Pyramide“ bezeichneten pyramidenförmigen und rund 6 Kilometer hohen Berges auf der Ceres-Südhalbkugel zu bedecken.
Auf die Frage, warum – so scheint es zumindest auf den neuen Aufnahmen – sich am Fuße des Berges keinerlei Trümmer und Geröll finden, erläutert Russell: „Da ist dieses weiße Pulver. Es hat den Anschein, als trete es aus der Oberfläche aus oder gelangt irgendwie dorthin. Ich glaube, dass es sich sowohl angesichts der hellen Flecken als auch angesichts dieses Berges um das gleiche Material handelt und ich denke, dass es aus diesem Berg und somit aus dem Ceres-Inneren austritt.
Diese Dawn-Aufnahme der Ceres-Oberfläche vom 6. Juni 2015 zeigt einen hellen pyramidenförmigen Berg (Ausschnitt).
Copyright: NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA
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Welche Kraft im Innern von Ceres existiert, die einen 6 Kilometer hohen Berg derart aus der sonst eher ebenen Umgebung empordrücken kann, weiß der Wissenschaftler ebenfalls noch nicht, stellt aber gleichfalls verwundert fest: „Wir haben uns rund um den Berg umgesehen. Aber hier gibt es keine Trümmer, kein Geröll. Was geht da also vor? Diese Frage stellen wir uns auch.“
„Da wir zugleich aber keine offenkundigen Anzeichen für tektonische Kräfte auf Ceres gefunden haben, die den Berg emporgedrückt haben könnten, haben wir uns gefragt, ob an dieser Stelle nicht etwas auf den Planeten niedergegangen, dort gelandet sein könnte? Doch die neuen Aufnahmen sprechen auch gegen diese Vorstellung. Es sieht ganz so aus, als gäbe es dort einfach nur diesen Berg (…) dessen steile Seiten von weißen Streifen überzogen sind.
Auch auf einer weiteren Dawn-Aufnahme, die die NASA am 22. Juni veröffentlicht hat, ist der „pyramidenförmige Berg“ deutlich sichtbar, wie er sich über den Horizont hinaus erhebt.
Copyright: NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA
Russel gesteht ein, dass er und sein Team von diesem Berg selbst überrascht wurden: „Wie kann etwas sechs Kilometer hoch gedrückt werden? Welche geologischen Stress-Kräfte sind dafür nötig? Zunächst einmal beträgt die Anziehungskraft auf Ceres nur ein Zwanzigstel wie auf der Erdoberfläche. Auf der Erde würde dieser Berg also etwa einem hochgedrückten Eisberg von 300 Metern Höhe entsprechen. Das ist wirklich beeindruckend.“
„Am ehesten, so vermute ich, könnte die Entstehung dieses Berges mit der sogenannter Pingos in den nördlichen Polarregionen zu vergleichen sein. (…) Diese entstehen grundsätzlich durch Eis, das sich während der Wintermonate durch abfallende Temperaturen im Untergrund ansammelt und nach oben ausdehnt.“
Anm. GreWi: Bei Pingos bzw. Hydrolakkolithen handelt es sich um isoliert stehende, rundliche Bodenerhebung (bzw. ein Hügel) in Gebieten mit Permafrost (s. Abb.l.), die durch eine im Boden befindliche Eislinse entsteht. Ein Pingo besteht aus einem Eiskern (einer Eislinse aus reinem Eis) und dem darüber lagernden, durch die Eislinse angehobenen Erdreich. Quelle: Wikipedia)
Tatsächlich gibt es, so Russell weiter, wahrscheinlich sogar einen zweiten ähnlichen Berg in der nördlichen Hemisphäre von Ceres. Warum es aber an diesen beiden Orten jeweils nur einen solchen Berg – zudem von derartiger Höhe – gibt, kann sich auch der Forscher nicht erklären. „Allerdings gibt es auch auf Pluto Berge, die denen auf Ceres gleichen und hier hat es gleich eine ganze Anzahl davon.“ Auch auf den Flanken dieser Berge seien helle Streifen zu sehen.
Auf die Frage, um was es sich bei diesen hellen Streifen handeln könnte, erläutert Russell: „Gehen wir einmal davon aus, dass an der Entstehung dieser Streifen Wasser beteiligt ist. Sollte dieses Wasser Salze oder eine andere gelöste Substanz mit sich führen, so könnte dieses Gemisch in geraden Linien an dem Berg hinunterlaufen, gefrieren und so weiße Ablagerungen auf dem Berg entstehen lassen. (…) Selbst wenn es das Wasser bzw. das Wassereis verdunstet, würde es das mitgeführte helle Material derart zurücklassen.“
Tatsächlich – das gesteht Russell ein – würde ein solcher Entstehungsprozess für den Berg aber bedeuten, dass die Entstehung dieses Berges von 6 Kilometern Höhe schon sehr lange andauert. Der Umstand, dass ein solcher sogenannter Eis- bzw. Kryovulkankegel unter den Bedingungen auf der Ceres-Oberfläche eigentlich schon lange wieder verdunstet sein sollte, könnte dann auch erklären, warum es auf Ceres (mit einer Ausnahme) nicht gleich mehrere solcher Vulkankegel gibt: „Vielleicht gab es einst noch andere, doch sind diese bereits wieder verschwunden und die beiden bekannten Berge sind lediglich die beiden jüngsten Exemplare. Das ist jedoch eine Frage, deren Antwort wir bislang noch nicht kennen und wahrscheinlich wird unsere Mission auch nicht lange genug dauern, um sie beantworten zu können.“
Detailaufnahme der „gestreiften Ceres-Pyramide“
Copyright: NASA/JPL-Caltech/UCLA/MPS/DLR/IDA
Von Moulton-Howe auf dem Umstand angesprochen, dass der unmittelbar neben dem Berg liegende Krater annähernd die gleichen Ausmaße aufzuweisen scheint, erläutert Russell: „Ja, der gleiche Gedanke kam mir auch und ich habe mir gleich überlegt, wie sich das Material aus diesem Krater zu diesem Berg aufgeschüttet haben könnte. Zunächst habe ich nach Wegen gesucht, wie etwa ein Meteor dieses Krater geschlagen, und das Auswurfmaterial derart daneben platziert haben könnte. Ich selbst kam zu dem Schluss, dass das so eigentlich nicht möglich ist. Dennoch scheinen der Krater und der Berg in etwa das gleiche Volumen zu besitzen. Das ist schon ein ganz schön großer Zufall!“
– Das vollständige Interview im englisch Original finden Sie HIER
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