Pflanzen leiten Licht auch an die Wurzeln im Erdreich weiter (Illu).
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(Jena) Deutschland – Sprossen übertragen Licht bis hinab in die im dunklen Erdreich vergrabenen Wurzeln. Das haben Forscher des Max-Planck-Institut für chemische Ökologie jetzt erstmals bewiesen. Hier in steter Dunkelheit aktiviert das so übertragene Licht Lichtrezeptoren in der Wurzel und löst dort lichtabhängige Wachstumsreaktionen in Pflanzen.
Wie das Team um Ian Baldwin gemeinsam mit Kollegen der Nationalen Universität Seoul in Korea aktuell im Fachjournal „Science Signalling“ (DOI: 10.1126/scisignal.aaf6530) berichtet, konnten sie erstmals zeigen, dass Wurzeln der Ackerschmalwand direkt auf Licht reagieren, wie es vom Spross in die unterirdischen Pflanzenteile übertragen wird: „Wurzeln können so das Pflanzenwachstum an die Lichtbedingungen der Umgebung anpassen.“
Für die Pflanzen ist Licht also nicht nur eine Energiequelle, sondern stellt auch ein wichtiges Signal dar, das viele lichtabhängige Wachstumsvorgänge in der Pflanze steuert, um sie so optimal an ihre Umwelt anzupassen. „Licht wird zunächst im Spross der Pflanze von Lichtrezeptoren erkannt“, erläutert die Pressemitteilung des Max-Planck-Instituts und führt weiter aus: „Über Lichtsignalmoleküle werden physiologische Prozesse in der Pflanze reguliert.
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Tatsächlich spekulieren Forscher schon seit Jahren darüber, ob auch Wurzeln Licht wahrnehmen können. Bislang konnte diese Hypothese jedoch nicht belegt werden. „Physiker aus Korea und Biologen aus Jena haben jetzt das Wissen aus beiden Bereichen kombiniert , um zu untersuchen, ob die Leitgefäße im Spross wie eine Art Faser Licht vom Spross in die Wurzel leiten“, beschreibt Sang-Gyu Kim, einer der Erstautoren der Studie und Mitinitiator des Projekts, die erfolgreiche Kooperation.
Schon in früheren Studien konnten Wissenschaftler zeigen, „dass ein bestimmter pflanzlicher Lichtrezeptor, der Licht der Wellenlängen rot/infrarot wahrnimmt, erstaunlicherweise auch in den Wurzeln vorkommt. Unklar war allerdings, wie er dort aktiviert wird. In ihrem interdisziplinären Projekt entwickelten nun Molekularbiologen und Spezialisten für angewandte Optik einen hochsensitiven Lichtdetektor sowie die Idee, ‚blinde‘ und ’sehende‘ Wurzeln zu kreieren.“
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Mit Hilfe der botanischen Forschungsmodellpflanze, der Ackerschmalwand (Arabidopsis thaliana) – deren Lichtrezeptor derart genetisch verändert wurde, dass dieser nur in den Wurzeln außer Kraft gesetzt wurde, nicht aber im Spross – erzeugten die Forscher zunächst eine in der Wurzel sozusagen blinde Pflanze. Für die Untersuchungen wuchsen diese Versuchspflanzen zusammen mit Kontrollpflanzen wie in der Natur: mit den Wurzeln im Dunkeln und dem Spross im Licht. Das optische Detektorsystem wurde eingesetzt, um das Licht zu messen, dass im Stamm hinunter in die Wurzeln übertragen wurde. „Mit diesem Ansatz konnten wir eindeutig zeigen, dass Licht durch die Leitbündel in die Wurzel geleitet wird. Auch wenn die gemessene Intensität sehr gering war, war sie ausreichend, um die Lichtrezeptoren zu aktivieren, eine Lichtsignalkette auszulösen und das Wachstum in den Kontrollpflanzen zu beeinflussen“, erläutert Chung-Mo Park, Leiter des Projekts an der Nationalen Universität in Seoul.
Lichtrezeptoren in den Wurzeln werden von Licht aktiviert, das vom Spross über den Stängel in die unterirdischen Wurzeln übertragen wird.
Copyright:: Rakesh Santhanam, Angela Overmeyer, Max-Planck-Institut für chemische Ökologie
„Diese Ergebnisse sind entscheidend für die weitere Forschung. Unsere Arbeit belegt, dass Wurzeln auch im Boden Licht wahrnehmen können. Dies wiederum aktiviert eine Signalkette, die das Pflanzenwachstum, insbesondere die Wurzelarchitektur, beeinflusst“, erläutert Baldwin und blickt bereits in die Zukunft: „In den Wurzeln gibt es noch weitere Lichtrezeptoren. Deren Aufgabe in den Wurzeln und ihr Zusammenspiel mit Lichtsignalen, die aus dem Spross in die Wurzel geleitet werden, sind noch weitgehend unbekannt.“
Von großer Bedeutung für die ökologische Forschung sei es nun, zu zeigen, welche Bedeutung das Ergebnis dieser Studie für Pflanzen hat, die in ihrer natürlichen Umgebung wachsen. Dazu sollen Untersuchungen an Kojotentabak Nicotiana attenuata durchgeführt werden – einer Pflanzenart die als Modellpflanze der Ökologie verwendet wird und an extrem starke Lichtverhältnisse angepasst ist. Die Forscher vermuten, dass die neu entdeckte Fähigkeit von Pflanzenwurzeln, Licht wahrzunehmen, entscheidend zur Überlebensfähigkeit von Pflanzen in der Natur beiträgt, indem Energieressourcen für Wachstum, Fortpflanzung und Verteidigung effektiver zugeteilt werden können.
GreWi-Kurzgefaßt
– Deutsche und koreanische Wissenschaftler zeigen erstmals, dass auch Wurzeln Licht von der Oberfläche wahrnehmen können.
– Dieses wird von den oberirdischen Sprossen übertragen und aktiviert Lichtrezeptoren in der Wurzel, die dadurch lichtabhängige Wachstumsreaktionen in der Pflanze aktiviert.
– Die Forscher vermuten, dass diese Fähigkeit entscheidend zur Überlebensfähigkeit von Pflanzen in der Natur beiträgt, indem Energieressourcen für Wachstum, Fortpflanzung und Verteidigung effektiver zugeteilt werden können.
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