Schimpansen suchen und nutzen medizinische Pflanzen zur Behandlung von Krankheiten und Wunden

Ein Schimpanse im Budongo Central Forest Reservat frisst Früchte der sandpapier-Feige (Ficus exasperate). Copyright: Elodie Freymann, CC-BY 4.0
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Ein Schimpanse im Budongo Central Forest Reservat frisst Früchte der sandpapier-Feige (Ficus exasperate).Copyright: Elodie Freymann, CC-BY 4.0

Ein Schimpanse im Budongo Central Forest Reservat frisst Früchte der sandpapier-Feige (Ficus exasperate).
Copyright: Elodie Freymann, CC-BY 4.0

Oxford (Großbritannien) – Biologen und Verhaltensforscher haben den Gebrauch und Verzehr von Pflanzen durch Schimpansen in freier Wildbahn untersucht und kommen zu dem Schluss, dass die Menschenaffen gezielt Pflanzen mit medizinischer Wirkung zur Behandlung von Krankheiten und Wunden nutzen.

Wie das Team um Elodie Freymann von der University of Oxford aktuell im Fachjournal PLOS One“ (DOI: 10.1371/journal.pone.0305219) berichtet, sind die medizinischen Eigenschaften zahlreicher Pflanzen uns Menschen zwar bekannt, doch war es Forscherinnen und Forschern bislang nur schwer möglich, zu bestimmen, ob auch Menschenaffen wie Schimpansen diese Pflanzen gezielt oder doch nur zufällig bzw. unbeabsichtigt und passiv konsumieren und nutzen.

In ihrer Studie haben die Forschenden nun 51 Schimpansen (Pan troglodytes) in der freien Wildbahn des Budongo Central Forest Reservats in Uganda beobachtet und dabei 13 Pflanzen identifiziert, die erkrankte oder verwundete Tiere offenbar gezielt konsumierten, auch und obwohl diese nur wenig Nährstoffe beinhalteten. Eine Analyse dieser Pflanzen zeigte dann, dass 33 Prozent tatsächlich entzündungshemmende und 88 Prozent antibiotische Wirkungen aufweisen, wie sie zur Selbstmedikation geeignet sind.

Hintergrund
Erst kürzlich hatten Verhaltensbiologen erstmals eine gezielte medizinische Wundbehandlung durch einen wilden männlichen Sumatra Orang-Utan am Regenwald-Forschungsstandort Suaq Balimbing beobachtet und vermuten, dass die Behandlung von Wunden folglich schon beim letzten gemeinsamen Vorfahren von Mensch und Orang-Utan üblich gewesen sein könnte (…GreWi berichtete).

Aktuell beobachtete das Team um Freymann beispielsweise einen männlichen Schimpansen mit einer Wunde an der Hand, die dieser offenbar durch den Verzehr einer bestimmten Farnart behandelte, deren Wirkung tatsächlich abschwellend und schmerzlindern ist. Ebenso beobachteten sie ein offenbar von Parasiten geplagtes Tier beim Verzehr von Rinde des Katzendornbaums (Scutia myrtina), der auch in der traditionellen Naturmedizin und im Ayurveda zur entsprechenden Anwendung kommt.

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„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Schimpansen gezielt bestimmte Pflanzen aufgrund ihrer medizinischen Wirkungen aufsuchen“, so die Autorinnen und Autoren der Studie. „Die Studie ist eine der ersten, die sowohl verhaltensbezogene als auch pharmakologische Beweise für die medizinischen Vorteile des Verzehrs von Rinde und Totholz durch wild lebende Schimpansen liefert.“ Weiter zeigen sich die Forschenden zuversichtlich, dass die im Budongo Central Forest Reservat wachsenden Heilpflanzen auch für die Entwicklung neuer Medikamente hilfreich sein könnten, um den Herausforderungen antibiotikaresistenter Bakterien und chronischer entzündlicher Erkrankungen zu begegnen.

Hintergrund: Medizin im Tierreich
Schon 2011 beschrieb der Biologe Benjamin Hart von der University of California die vielfachen Parallelen zwischen menschlicher und tierischer Medizin und stellte fest, dass es „für jedes der vier Grundprinzipien der menschlichen Medizin Beispiele im Tierreich“ gibt. Als Beispiele nennt Hart den Verzehr antimikrobiell wirkender Heilpflanzen oder das Verwenden antiparasitär wirkender Pflanzen beim Nestbau. Die Pflege kranker Artgenossen könne beispielsweise bei Affen und Elefanten beobachtet werden. Während zwar nur der Mensch verschiedene medizinische Strategien zu einem fortgeschrittenen System kombiniert habe, gehe dieses System jedoch auf Strategien zurück, die Teil eines „instinktiven Erbes“ seien, „das wir mit dem Rest des Tierreichs teilen“, so Hart in seinem damaligen Artikel im Fachjournal „Philosophical Transactions of the Royal Society B“ (DOI: 10.1098/rstb.2011.0092).

„In diesem Artikel zeigen wir, wie das Beobachten und Lernen von unseren Primatenverwandten die Entdeckung neuer Medikamente beschleunigen kann“, so die Freymann abschließend und betont damit auch die Bedeutung des Schutzes dieser Form von „Waldapotheken“.

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Recherchequelle: PLoS One

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