Das verstorbene Stumpfnasenaffenweibchen.
Copyright: Bin Yang, James R. Anderson, and Bao-Guo Li/ Current Biology
Kyoto (Japan) – Zum ersten Mal haben Verhaltensforscher eine Gruppe von wildlebenden Affen bei der Trauer um einen Artgenossen beobachtet und sehen in dem Vorfall ein weiteres Beispiel dafür, dass nicht nur wir Menschen ein Bewusstsein für Endgültigkeit des Sterbens haben, Mitgefühl und Trauer erleben können.
Die Szene könnte von Hollywood kaum rührender inszeniert worden sein: Nachdem ein Stumpfnasenaffenweibchen schon zuvor Anzeichen von Schwäche und inneren Blutungen aufgezeigt hatte und schlussendlich von ihrem Baum gefallen war, versammelten sich ihr Partner, das Alpha-Männchen und weitere Mitglieder der Gruppe um das offenbar sterbende Tier, berichten Forscher um Bin Yang und James Anderson von der Kyoto University aktuell im Fachjournal „Current Biology“ (DOI: 10.1016/j.cub.2016.03.062). Minutenlang wurde sie dann von ihren Artgenossen berührt und gestreichelt, bevor sie schließlich starb. Danach blieben die Tiere noch minutenlang neben dem Kadaver sitzen, berührten ihn und zogen sanft an ihren Händen – gerade so, als wollten sie ihre verstorbene Partnerin wiederbeleben, bevor sie ihn verließen – nicht ohne jedoch am nächsten Tag erneut die Stelle des Vorfalls aufzusuchen.
– Die Schilderung des gesamten Vorfalls, sowie anderer Beispiele von Trauer bei Primaten finden Sie (in engl. Sprache) HIER
„Dieser Fall ist unter anderem aufgrund der besonderen Sorgfalt und Pflege, die die Tiere ihrer Artgenossin zukommen ließen von besonderer Bedeutung“, so Anderson. „Das Ereignis legt zumindest eine besondere Bindung zwischen Tieren nahe – könnte aber auch ein mitfühlendes Verhalten gegenüber ihrer leidenden oder sterbenden Artgenossin belegen.
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Schon zuvor konnten Forscher auffallend trauerähnliche Verhaltensformen von Krähen, Elefanten, Walen und Delfinen beobachten (…GreWi berichtete, s. Links).
„Möglicherweise ist es die wiederholte Begegnung mit dem Tod von Artgenossen bei langlebigen Arten, die bei den Tieren zu einem Verständnis für die Unumkehrbarkeit des Todes führt“, so zitiert der „New Scientist“ Anderson. „Ich persönlich glaube, dass das erwachsene Männchen und die anderen Mitglieder seiner Gruppe verstanden haben, dass das Weibchen nun nicht länger am lebendig ist.“
Obwohl auch Anderson zu bedenken gibt, dass es problematisch sei, das Verhalten, Mimik und Gestik von Tieren von anthropomorphisieren, also zu vermenschlichen, erläutert er zum aktuell beobachteten Fall: „Mittlerweile gibt es genügend Beobachtungen, die die Schlussfolgerung nahe legen, dass Menschenaffen, Elefanten und Delfine zu Empathie und Mitgefühl fähig sind. Jetzt, so scheint es, können wir auch Stumpfnasenaffen dazu zählen.“
Für Verhaltensforscher ist das Beobachten von trauerähnlichem Verhalten bei Primaten deshalb so wichtig, weil sie sich davon Rückschlüsse auf die evolutionäre Entstehungsgeschichte der menschlichen Empathie, von Mitgefühl und Trauer erhoffen.
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