Anzeige
Anzeige
Anzeige

200 Jahre zuvor: War das Werk des Ibn al-Shatir Vorbild für Kopernikus‘ Weltbild

Schardscha (Vereinigte Arabische Emirate) – Neue Forschungsergebnisse der Universität Sharjah legen nahe, dass das berühmte heliozentrische Weltbild von Nikolaus Kopernikus starke Parallelen zu einem Modell aufweist, das der arabisch-muslimische Astronom Ibn al-Shatir bereits rund 200 Jahre zuvor entwickelt hatte.

Das Mondmodell von Ibn al-Shatir, von dem berichtet wird, dass Kopernikus es bei der Ausarbeitung seines kosmologischen Modells übernommen hat.Copyright/Quelle: Gemeinfrei (via QikimediaCommons)
Das Mondmodell von Ibn al-Shatir, von dem berichtet wird, dass Kopernikus es bei der Ausarbeitung seines kosmologischen Modells übernommen hat.
Copyright/Quelle: Gemeinfrei (via QikimediaCommons)

Kopernikus (1473–1543) gilt als Begründer des modernen, heliozentrischen Weltbilds, das damals mit der kirchlich akzeptierten Lehre brach, wonach die Erde nicht nur das Zentrum unseres Planetensystems sondern auch des gesamten Universums steht.

Weniger bekannt ist jedoch, dass bereits im 14. Jahrhundert Ibn al-Shatir aus Damaskus ein ähnliches Modell vorschlug, das die Fehler des ptolemäischen geozentrischen Systems zu korrigieren versuchte.

Ein Team um Dr. Salama Al-Mansouri verglich in einer Dissertation Kopernikus’ Hauptwerk „De revolutionibus orbium coelestium“ mit Ibn al-Shatirs Traktat „Nihāyat al-Sul fī Taṣḥīḥ al-Uṣūl“ („Das letzte Ziel in der Korrektur der Prinzipien“). Das Ergebnis der Analyse zeigt auffällige Ähnlichkeiten in den mathematischen Modellen beider Astronomen – besonders bei den Bewegungen von Mond und Planeten wie Merkur.

www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER den täglichen kostenlosen GreWi-Newsletter bestellen +

Obwohl es keine Beweise für eine direkte Lektüre von Ibn al-Shatirs Schriften durch Kopernikus gibt, legt die Studie nahe, dass dessen Ideen über Zwischenquellen nach Europa gelangt sein könnten – etwa über Übersetzungen arabischer Handschriften, die sich im 15. Jahrhundert in Krakau oder im Vatikan befanden. Hier studierte auch Kopernikus.

Besonders auffällig ist laut Prof. Mesut Idriz, Mitbetreuer der Arbeit, dass beide Astronomen ähnliche geometrische Konstruktionen und Rechenmethoden verwendeten. Ibn al-Shatir eliminierte z. B. die „Exzentrizität“ (einen zentralen Kritikpunkt an Ptolemäus‘ Theorie) durch zusätzliche Epizyklen – ein Verfahren, das später auch Kopernikus nutzte, nun jedoch in einem heliozentrischen (Sonne als Zentrum) Rahmen.

Auch das sogenannte Tusi-Paar – eine mathematische Methode zur Simulation linearer Bewegungen – wurde sowohl von Ibn al-Shatir als auch von Kopernikus verwendet. Es war ursprünglich vom persischen Gelehrten Nasir al-Din al-Tusi (13. Jh.) entwickelt worden und galt in der islamischen Astronomie als wegweisend.

Ein Beispiel für die Parallelität ist das Mondmodell beider Forscher: Beide reduzierten die von Ptolemäus postulierte Schwankung der Mondentfernung auf realistischere Werte – mit nahezu identischen Berechnungen.

Laut Prof. Mashhoor Al-Wardat, Astrophysiker an der Sharjah Academy for Astronomy, belegen die Ähnlichkeiten – insbesondere bei den Umlaufbahnen von Merkur und dem Mond – eine starke inhaltliche Verbindung zwischen beiden Modellen. Das werfe Fragen auf zur Übertragung wissenschaftlicher Erkenntnisse aus der islamischen Welt in die europäische Renaissance.

Obwohl Ibn al-Shatirs Weltbild noch geozentrisch (Erde im Zentrum) war, kamen seine Modelle rechnerisch oft zu denselben Ergebnissen wie Kopernikus’ heliozentrisches System. Dies zeige laut Dr. Salama, dass „empirische Verfeinerungen in einem alten Paradigma den Weg für spätere Umbrüche bereiten können.“

Kitāb al-Tafhīm li-awāʾil ṣināʿat al-tanjīm oder Umfassende Einführung in die Grundlagen der Astrologie, ein Werk in Frage-und-Antwort-Form über astrologische Themen: Geometrie, Arithmetik und Zahlentheorie, verfasst von dem berühmten islamischen Astronomen al-Bīrūnī. (Ref: Or 8349).Copyright/Quelle: Public Domain, Qatar Digital Library
Kitāb al-Tafhīm li-awāʾil ṣināʿat al-tanjīm oder Umfassende Einführung in die Grundlagen der Astrologie, ein Werk in Frage-und-Antwort-Form über astrologische Themen: Geometrie, Arithmetik und Zahlentheorie, verfasst von dem berühmten islamischen Astronomen al-Bīrūnī. (Ref: Or 8349).
Copyright/Quelle: Public Domain, Qatar Digital Library

Die Arbeit versteht sich auch als Kritik an einem eurozentrisch geprägten Wissenschaftsverständnis, das die Beiträge muslimischer Gelehrter oft übergehe, so die Forschenden. Eine entsprechende Neubewertung der Wissenschaftsgeschichte sei nötig, so Prof. Hamid al-Naimiy, Rektor der Universität Sharjah und Mitbetreuer der Studie. Ibn al-Shatir habe das ptolemäische Modell bereits zwei Jahrhunderte vor Kopernikus erfolgreich widerlegt und damit einen Meilenstein der islamischen Wissenschaft gesetzt.

Die Studie plädiert für eine Überarbeitung der Lehrpläne und eine inklusivere Darstellung der Wissenschaftsgeschichte. Sie betont, dass die islamische Gelehrsamkeit des Mittelalters wesentliche Grundlagen für die spätere europäische Wissenschaftsblüte legte – insbesondere in Mathematik, Astronomie und Manuskriptpflege.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass Kopernikus’ Modell auf Ideen basiert, die bereits in Ibn al-Shatirs Werk zu finden sind. Die Wissenschaft entwickelt sich nicht isoliert – sie ist ein globales, vernetztes Projekt“, so Salama schließend.

WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Buchneuerscheinung: Science-Fiction, Außerirdisches Leben und UFOs im Islam 22. Mai 2023
Entdeckung einmal anders: Wie äthiopische Gesandte im späten Mittelalter Europa entdeckten 26. Mai 2021
Buchneuerscheinung: “Die Karte des Piri Re’is – Das vergessene Wissen der Araber und die Entdeckung Amerikas” 27. September 2017

Recherchequelle: Universität Sharjah

© grenzwissenschaft-aktuell.de

Anzeige
Artikeln teilen
Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
Unterstützen Sie die tagliche journalistische Arbeit an GreWi

Wenn Sie GreWi unterstützen möchten, so können Sie dies am besten mit einem freiwiliigen GreWi-Unterstützer-Abo tun – und erhalten dafür auch noch themenbezogenen Gegenleistungen und nehmen an allen unseren Buch- und Filmverlosungen teil.

Bücher von GreWi-Hrsg. Andreas Müller

Andreas Müller

Fachjournalist Anomalistik • Sachbuchautor • Publizist

Mehr auf Wikipedia

Deutschlands UFO-Akten: Über den politischen Umgang mit dem UFO-Phänomen in Deutschland …

Kornkreise. Geometrie, Phänomene, Forschung

Phänomen Kornkreise: Forschung zwischen Volksüberlieferung, Grenz- und Naturwissenschaft

Deutschlands historische UFO-Akten: Schilderungen unidentifizierter Flugobjekte und Phänomene in…

Hol Dir Deine
GreWi-App!
app-store play.google.com
..zeig, dass Du
ein GreWi bist!
Shop