Madison (USA) – Der 41 Jahre alte tibetisch-buddhistische Mönch Yongey Mingyur Rinpoche (YMR), ist als renommierter Meditationspraktiker und -lehrer bekannt und begann selbst im Alter von 9 Jahren zu meditieren. Die auf diese Weise erlangte „außergewöhnliche Anzahl von Stunden“, die der Mönch so mit Meditieren verbrachte, könnte erklären, warum sein Gehirn teilweise acht Jahre jünger aussieht als sein tatsächliches Alter, vermuten Wissenschaftler in einer aktuellen Studie.
Wie das Team um Richard Davidson vom Center for Healthy Minds an der University of Wisconsin-Madison aktuell im Fachjournal „Neurocase“ (DOI: 10.1080/13554794.2020.1731553) erläutert, weisen auch die neusten Ergebnisse daraufhin, „dass meditative Praxis mit einer verlangsamten biologischen Alterung verbunden sein kann“.
Hintergrund
Im Alter von 12 Jahren wurde er offiziell als siebte Inkarnation von Yongey Mingyur Rinpoche erklärt. Als Teenager wurde er ein Exerzitienmeister, der über einen Zeitraum von drei Jahren leitende Mönche und Nonnen durch die Feinheiten der buddhistischen Meditationspraxis führte. Schon seit vielen Jahren nimmt YMR am zahlreichen Studien wie dieser teil, um Wissenschaftlern zu helfen, mehr über Meditation und das Gehirn zu lernen.
In ihrer Untersuchung haben die Wissenschaftler YMRs Gehirn mittels Magnetresonanztomographie (MRT) über einen Zeitraum von 14 Jahren insgesamt viermal vermessen, beginnend also in dessen Alter von 27 Jahren. Zugleich führten die Forscher die gleichen Untersuchungen auch an einer Gruppe aus 105 Erwachsenen Kontrollpersonen im gleichen Alter durch.
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Ein Vergleich der sogenannten grauen Substanz mithilfe des künstlichen Intelligenz-Netzwerks „BrianAGE“ ermöglichte es den Wissenschaftlern, das biologische Alter und die Alterungsrate der untersuchten Gehirne zu ermitteln und zu vergleichen.
Im Vergleich zu Kontrollgruppe schien das Gehirn des Mönchs langsamer gealtert zu sein und ähnelte trotz seiner eigentlichen 41 Jahren dem Gehirn eines 33-Jährigen.
Hintergrund
Eine Bestandsaufnahme der Struktur der grauen Substanz ist ein guter Weg, um das Alter des Gehirns zu bestimmen. Es handelt sich sozusagen um die neuronale Maschinerie des Gehirns: „Wenn das Gehirn verkümmert, nimmt die graue Substanz ab“, so Davidson.
„Die große Erkenntnis ist, dass das Gehirn dieses Mönchs, der mehr als 60.000 Stunden seines Lebens mit Meditation verbracht hat, langsamer altert als das Gehirn von Kontrollpersonen.“
Die BrainAGE-Analyse zeigte zudem, dass sich bestimmte Regionen des YMR-Gehirns nicht von den Kontrollen unterschieden. Dies deute darauf hin, dass die Unterschiede in der Alterung des Gehirns auf koordinierte Veränderungen in der gesamten grauen Substanz zurückzuführen sind.
Zugleich zeigt die Analyse, dass das Gehirn von YMR schon früh gereift war. Es sei allerdings nicht klar, was dies konkret bedeute, so Davidson. Der Forscher und seine Kollegen haben allerdings eine Vermutung: „Es gibt Bereiche des Gehirns, die Mitte bis Ende der 20er Jahre ‚online‘ gehen, zum Beispiel regulatorische Regionen des Gehirns, die eine wichtige Rolle bei der Selbstregulierung spielen, um unsere Aufmerksamkeit zu regulieren“, sagte Davidson und führt dazu gegenüber LiveScience.com weiter aus. „Es kann sein, dass diese Bereiche bei den Meditierenden früher reifen. Das wäre auch sinnvoll, weil wir glauben, dass Meditation diese Bereiche und diese Art von Funktionen [im Gehirn] stärken kann.“
Weitere Untersuchungen sollen nun zeigen, dass und wie bestimmte Arten der Meditation diese regulatorischen Fähigkeiten stärken können. Zugleich bemerken die Forscher selbst, dass die aktuelle Fallstudie nur einen bereits erwachsenen und sehr erfahrenen Meditierenden untersucht habe. Es bleibe weiterhin unklar, wie viel Meditation notwendig sei, um die am Bespiel des Yongey Mingyur Rinpoche dokumentierten, doch drastischen Unterschiede und Veränderungen der grauen Substanz herbeizuführen.
Die Wissenschaftler merken allerdings auch an, dass es unklar sei, ob das „junge“ Gehirn des Yongey Mingyur Rinpoche allenig (oder überhaupt) das Ergebnis von Meditation ist, oder ob und in wie fern auch anderen Faktoren seines Lebens und Lebensstils eine Rolle spielen. So wäre es beispielsweise möglich, dass Menschen, die im Hochgebirge Tibets geboren wurden, grundsätzlich Gehirne haben, die langsamer altern. Auch die Ernährung YMRs sowie die reduzierte Umweltverschmutzung in der Heimat des Mönchs könnten eine Rolle spielen. Hierzu hoffen die Forscher nun auf eine Kontrollgruppe aus Personen mit einem ähnlichen Hintergrund wie YMR, die nicht meditieren. Ebenfalls unklar sei, ob ein „junges Gehirn“ auch bedeute, dass eine Person länger leben wird.
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Quellen: LiveScience.com, Center for Healthy Minds
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