Dänikens „Erinnerungen an die Zukunft“ (Exemplar der Auflage 651.-670. Tausend April 1971).
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Im Februar 1968 erschien im Econ-Verlag ein Werk des damals 32-jährigen Erich von Däniken: „Erinnerungen an die Zukunft“. Er war nicht der erste Autor, der eine Begegnung von Menschen und Außerirdischen im Altertum behauptete, sein Buch bildete aber die Grundlage sowohl für seinen unvergleichlichen Erfolg als einer der meistgelesenen Sachbuchautoren weltweit als auch für das Forschungsgebiet der Prä-Astronautik.
– Ein rückblickender Gastbeitrag auf GreWi von Ralf Bülow
„In grauer Vorzeit entdeckten fremde Raumfahrer die Erde und brachten den Affen Sitte und Anstand bei. Durch künstliche Befruchtung weiblicher Erdbewohner mit Astronautenspermien und radikale Ausrottung der misslungenen Exemplare mittels einer Sintflut gelang ihnen die Züchtung des homo sapiens. Die veredelten Affen verehrten die Astronauten fortan als Götter.“
Derart flapsig, doch ansonsten korrekt und mit Zitaten gespickt stellte der SPIEGEL am 13. Mai 1968 einen der größten Bucherfolge der Nachkriegszeit vor, Erich von Dänikens „Erinnerungen an die Zukunft“. Das 232-Seiten-Epos des jungen Schweizer Hoteliers war seit Februar des Jahres schon über 20.000 Mal verkauft worden. Bis Dezember sollte die Auflage auf 125.000 Exemplare klettern, eine sensationelle Zahl für ein Sachbuch.
Mit der Betonung auf die Astronautik passte das Werk in die fortschrittsgläubigen 1960er Jahre, doch fiel es durch alle Raster des Marktes. Das Lektorat des Düsseldorfer Econ-Verlags hatte zuvor das Manuskript wie viele andere Häuser abgelehnt. Erst die Fürsprache des ZEIT-Wissenschaftsredakteurs Thomas von Randow bei Econ-Chef Erwin Barth von Wehrenalp bewirkte, dass Erich von Däniken einen Vertrag erhielt. Allerdings musste er die Überarbeitung durch den Schriftsteller Utz Utermann, besser bekannt als Wilhelm Roggersdorf, akzeptieren. Das Buch besaß keine Bilder, nur den Schutzumschlag schmückte in grober Nachzeichnung ein Hauptwerk der präkolumbianischen Maya-Kunst: eine Grabplatte aus dem 7. Jahrhundert, die 1952 in der mexikanischen Ruinenstadt Palenque entdeckt worden war.
Umzeichnung der Reliefdarstellung auf der „Grabplatte von Palenque“.
Copyright/Quelle: Madman2001 / (WikimediaCommons), CC BY-SA 3.0 (farbl. Bearb. durch GreWi.de)
Auf Seite 149 fand sich die technologische Deutung: Erich von Däniken erkannte in dem Steinrelief einen Astronauten, der ein Gefährt ähnlich den Mercury-, Gemini- und Apollo-Kapseln der amerikanischen Raumfahrtbehörde NASA durchs All steuerte. Ins Raumschiff stiegen außerdem der biblische Prophet Hesekiel, der babylonische Held Gilgamesch und eine Armee indischer Götter und Halbgötter, die sich in Vimanas am Himmel bekriegten. Überall auf dem Globus, in Pyramiden und Kolossalstatuen sah von Däniken außerirdische Entwicklungshelfer am Werk und ortete Erinnerungen an ihre Tätigkeit in archäologischen Zeugnissen, zum Beispiel in der peruanischen Nazca-Ebene. Die dort angelegten Linien, so der Schweizer, sollten die im Kosmos entschwundenen Besucher wieder zurück zur Erde locken.
Solche Thesen waren durchaus nicht neu. Astronautische Lesarten von Mythen und Relikten fanden sich bei den französischen Autoren Louis Pauwels, Jacques Bergier und Robert Charroux, deren Werke bereits vor 1968 in deutscher Sprache vorlagen. Im Februar 1960 berichtete die ZEIT über den russischen Forscher Matest Agrest und seine Deutung der Terrasse von Baalbek als Abschussrampe und von Sodom und Gomorrha als Atombombenexplosion, und sie fragte: „Kam Gott im Weltraumschiff?“ Und seit 1954 konnten die Bundesbürger das Buch „Fliegende Untertassen landen“ des Engländers Desmond Leslie und des Amerikaners George Adamski lesen. Es schilderte nicht nur Adamskis Treffen mit einem Venusmenschen, sondern auch die Raumschlachten des altindischen Mahabharata-Epos.
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Aus all diesen Brunnen hatte von Däniken geschöpft. Während aber seine Vorgänger die antiken Astronauten mit UFOs und Esoterik vermengten, bis sie nicht mehr zu sehen waren, propagierte der Schweizer ein konzentriertes Credo, das sich global verbreitete. Aliens landeten auf der Erde, verbesserten die Menschen und hinterließen Spuren in Literatur und Archäologie. „Erinnerungen an die Zukunft“ bewies, dass auch ein Amateur zu aufregenden Erkenntnissen kommen und in verständliches Deutsch fassen konnte. Erich von Däniken präsentierte Forschung aus dem Volk für das Volk und machte seine Leser zu Mitkämpfern einer wissenschaftlichen Revolution. Dazu mussten sie nicht Universitätsbibliotheken besuchen, es genügte, die Bibel aus dem Schrank zu nehmen und mit der NASA im Hinterkopf zu lesen. So wurde Hesekiel zum Raumfahrer, die Bundeslade zur Funkanlage, und Sodom und Gomorrha verwüstete eine Atombombe.
Beispiele der berühmten Geoglyphen von Nazca.
Copyright: Kolibri, Hund = Bjarte Sorensen, Affe = Markus Leupold-Löwenthal (via WikimediaCommons); / CC BY-SA 3.0
Wie viele Revolutionäre vor ihm verbrachte Erich von Däniken einige Zeit hinter Gittern. Um teure Flugreisen zu bezahlen, hatte er sich Kredite erschwindelt, was einem Davoser Untersuchungsrichter auffiel. Im November 1968 wurde der Autor festgenommen, und im folgenden Jahr saß er in der Kantonshauptstadt Chur in Untersuchungshaft, wo er sein zweites Buch „Zurück zu den Sternen“ schrieb. Am 13. Februar 1970 verurteilte ihn das Kantonsgericht wegen Betrugs zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus. Wegen guter Führung kam von Däniken im September 1971 vorzeitig frei und startete neue Recherchen. Diesmal wollte er konkrete Beweise für außerirdische Besuche vorlegen. Sein nächstes Buch, „Aussaat und Kosmos“, erzählte im Sommer 1972 von einem Höhlensystem in Ecuador, das sich schnell als Flunkerei erwies. Im März 1973 setzte ihn der ihm einst gewogene SPIEGEL mit der Schlagzeile „Der Däniken-Schwindel“ aufs Cover.
Solche Rückschläge dämpften den Verkauf seiner Bücher kaum. Von Däniken lieferte immer neue Titel an wechselnde Verlage, und heute dürfte die Weltauflage auf 70 Millionen Exemplare zugehen. Dazu kamen Comic-Bände, zwei Dokumentarfilme, mehrere TV-Serien und ein Themenpark in Interlaken. 1973 wurde in den USA die „Ancient Astronauts Society“ (AAS) gegründet, die sich später in der Schweiz neu formierte, und seit 1996 gibt es die Erich-von-Däniken-Stiftung, die sein Archiv verwaltet. In den 1970er Jahren erntete der Schweizer durchaus Anerkennung in der akademischen Welt, etwa durch den Münchner Raumfahrtprofessor Harry O. Ruppe oder die Raketenforscherin Irene Sänger-Bredt. Archäologen und Philologen hielten sich allerdings spürbar zurück.
„EvD“ aktuell, während eines Vortrags.
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Erich von Dänikens größte Leistung bleibt auf jeden Fall die Schaffung der Prä-Astronautik als europäische Antwort auf die amerikanische UFO-Forschung. Allerdings überstrahlte der grandiose Entwurf die archäologische oder philologische Feldarbeit, und die Konkurrenz – sprich die etablierte akademische Forschung – schlief nicht. So mancher klassische Beleg für außerirdische Kontakte wurde zur Makulatur, angefangen mit dem Astronauten aus Palenque, den die mittlerweile lesbare Maya-Schrift zu einem simplen König machte. Wirkliche „Beweise“ – so hieß 1977 Erich von Dänikens viertes Prä-Astronautik-Buch – für die Lehre fehlen bis heute, was wir haben, sind Indizien oder rätselhafte Funde. Und die Anerkennung, die die „Erinnerungen an die Zukunft“ vor 50 Jahren in den Mainstream-Medien genossen, ist längst geschwunden. Das runde Jubiläum sollte Anlass sein, darüber nachzudenken, ob und wie sich das ändern lässt.
© Ralf Bülow für grenzwissenschaft-aktuell.de
Über den Autor
Ralf Bülow, geboren 1953, studierte Informatik, Mathematik und Philosophie an der Universität Bonn. Er ist Diplom-Informatiker und promovierte in mathematischer Logik. Von 2009 bis 2011 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Kultur- und Wissenschafts-kommunikation der FH Kiel. Während der 1980er Jahre arbeitete Ralf Bülow am Deutschen Museum und dessen Forschungsinstitut in München, zu Anfang der 1990er Jahre als Wissenschafts- und Technik-Journalist. Seit 1996 war er an zahlreichen Ausstellungen zu den Themen Computer, Weltraumfahrt, Astronomie und Physik beteiligt, darunter an „Einstein begreifen“ des Technoseum Mannheim. 2014 wirkte er bei einem Projekt für ein Spionage- und Geheimdienstmuseum in Berlin mit.
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