Pasadena (USA) – Gemeinsame Abweichungen von den erwarteten Umlaufbahnen zahlreicher Objekte im äußersten Sonnensystem deuten auf die Existenz eines noch unbekannten großen Felsplaneten im äußeren Sonnensystem hin. Nun berichten Astronomen, die nach diesen „neunten Planeten“ suchen, dass sie bereits 78 Prozent jenes Himmelsfeldes, in dem sich „Planet Nine“ befinden könnte, abgesucht haben. Sollte es den Planeten tatsächlich geben, dürfte es nicht mehr lange dauern, bis er entdeckt wird.
Wie Mike Brown und Konstantin Batygin vom California Institute of Technology (Caltech) und Mathew J. Holman vom Center for Astrophysics Harvard & Smithsonian vorab via ArXiv.org berichten, haben sie 78 Prozent jenes Himmelsausschnitts bereits abgesucht, innerhalb dessen sich der von ihnen zuvor beschriebene „Planet Neun“ befinden müsste – sofern er denn existiert. Auf diese Weise können sie zugleich den möglichen Aufenthaltsort und damit den Suchraum für den Planeten deutlich eingrenzen.
Hintergrund
Jenseits der Umlaufbahn des Neptun liegt der Kuiper-Gürtel, der aus kleinen Körpern aus der Zeit der Entstehung unseres Sonnensystems besteht. Neptun und die Riesenplaneten beeinflussen gravitativ die Objekte im Kuiper-Gürtel und darüber hinaus, die gemeinsam als Trans-Neptunian Objects, also als transneptunische Objekte (TNOs) bekannt sind, und die die Sonne auf nahezu kreisförmigen Bahnen umkreisen.Allerdings haben Astronomen einige mysteriöse Ausreißer entdeckt. Seit 2003 wurden rund 30 TNOs auf stark elliptischen Umlaufbahnen entdeckt: Sie heben sich von den anderen TNOs dadurch ab, dass sie im Durchschnitt die gleiche räumliche Orientierung haben. Diese Art von Clustering lässt sich nicht durch die bislang bekannte Architektur des Sonnensystems mit den acht bekannten Planeten erklären und führte zu verschiedenen Hypothesen, laut derer die ungewöhnlichen Bahnen durch die Existenz eines noch unbekannten neunten Planeten beeinflusst werden könnten.
Obwohl erstmals der Astronom Scott C. Sheppard die Idee von einem weiteren großen Planeten im Sonnensystem beschrieb, wurde die Theorie erst durch die Ausführungen dazu von Mike Brown und Konstantin Batygin bekannt. Auf der Grundlage neuster Berechnungen gehen Brown und Batygin davon aus, dass Planet Nine eine Masse von rund fünf Erdenmassen und eine Umlaufbahhalbachse nur von 400 Astronomischen Einheiten (AE = Abstand Erde-Sonne) besitzt. (Zuvor waren davon ausgegangen, dass P9 etwa 10 Erdenmassen auf die Wage bringen könnte und die Sonne 20 mal weiter als Neptun umkreise, was eine Halbachse von etwa 700 AE entsprechen würde. Damit wäre der Planet nicht nur kleiner und der Sonne deutlich näher, sondern auch gleichzeitig heller als lange Zeit gedacht (…GreWi berichtete).
Grundlage ihrer Suche sind die Beobachtungsdaten des Archivs der „Zwicky Transient Facilities„, der „The Dark Energy Survey“ und der Durchmusterung „Pan-STARRS1 DR2“ (PS1) sowie die jüngsten eigenen Beobachtungen des Astronomen-Trios.
Anhand der bereits vorliegenden Archivdaten konnten die Forscher die Anzahl von 1,2 Milliarden potenzieller astronomischer Objekte mittlerweile auf „nur“ noch 244 Millionen reduzieren. Zugleich zeige aber auch dieser noch immer enorm große Datensatz, wieviel Arbeit noch vor den Forschern liege. Es reicht demnach nicht aus, die Daten einfach nur durch vorhandene Filter zu jagen: „Zu groß wäre das Risiko, dadurch Planet Nine zu übersehen.“
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Trotz zahlreicher Bemühungen anderer Astronomen und Astronominnen sehen Brown, Holman und Batygin in dem von ihnen postulierten Planeten den einzigen Weg, die übereinstimmenden Abweichungen der transneptunischen Objekte zu erklären. Alternativ zu dem beschriebenen Planeten wurden bereits eine Ansammlung kleinerer Objekte im äußeren Sonnensystem oder ein weiterer (ebenfalls bislang unbekannter) Eis- und Trümmergürtel im Sonnensystem (…GreWi berichtete) oder sogar ein (ebenso bislang nicht nachgewiesenes) kleines Schwarzes Loch diskutiert (…GreWi berichtete) diskutiert. Auch eine Abweichung von der derzeit geltenden Gravitationstheorie wurde hierzu bereits vorgeschlagen.
Mike Brown selbst hält weiterhin den von ihm und Kollegen postulierten großen Felsplaneten für die beste Erklärung für die Beobachtungsdaten. Alternativ könnte es sich auch noch um einen sehr viel größeren Planeten handeln, der die Sonne innerhalb der Oortschen Wolke, rund 2,3 Lichtjahre entfernt, umkreisen müsste.
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Recherchequelle: arXiv.org
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