Älteste Fossilien mehrzelligen Lebens entdeckt
Röntgenaufnahme der 2,4 Milliarden Jahre alten und 0,8 Millimeter durchmessenden versteinerten Gasblase mit darin eingeschlossenen Organismen.
Copyright: Stefan Bengtson, Swedish Museum of Natural History
Stockholm (Schweden) – Durch Zufall in Südafrika entdeckt, beinhalten versteinerte Gasblasen möglicherweise die bislang ältesten bekannten Fossilien mehrzelligen Lebens. Mit einem Alter von 2,4 Milliarden Jahren wären die Fossilien 0,5 Milliarden Jahre älter als die bisherigen Rekordhalter. Auch ihr einstiger Lebensraum widerspricht den bisherigen Vorstellungen von der Evolution des mehrzelligen Lebens auf der Erde.
Anmerkung: In der ersten Fassung dieser Meldung hieß es, dass die entdeckten Fossilien 1,2 Milliarden Jahre älter wären als die bisherigen Rekordhalter. Dieser Wert war leider falsch. Richtig ist eine Angabe von 0,5 Milliarden Jahre. Ich habe den Fehler in der Meldung korrigiert.
Wie Forscher um Stefan Bengtson vom Naturhistoriska Riksmuseet in Schweden und Birger Rasmussen von der australischen Curtin University aktuell im Fachjournal „Nature Ecology & Evolution“ (DOI: 10.1038/s41559-017-0141) berichten, wurden die versteinerten Gasblasen in 800 Metern Tiefe in der Ongeluk-Formation südafrikanischen Cape Province entdeckt.
Mit einem Alter von 2,4 Milliarden Jahren handelt es sich also nicht nur um die bislang ältesten Fossilien mehrzelligen Lebens – auch ihr einstiger Lebensraum unterscheidet sich deutlich von den bisherigen Vorstellungen über die Entstehung und Evolution der darin vorgefundenen Pilze und mit ihnen letztendlich auch allen mehrzelligen Lebens, den sogenannten Eukaryoten, zu denen auch wir Menschen zählen.
Die bislang ältesten Fossilien mehrzelligen Lebens waren 1,9 Milliarden Jahre alt.
Bislang gingen Wissenschaftler zudem davon aus, dass Pilze zu allererst an Land entstanden waren.
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Die neuen Funde belegen nun aber nicht nur ein deutlich höheres Alter, sondern auch, dass diese Organismen in Spalten in vulkanischem Gestein unterhalb eines urzeitlichen Meeresbodens, in der sogenannten tiefen Biosphäre gediehen – und dies schon viele Millionen Jahre vor der sogenannten Großen Sauerstoffkatastrophe, als es zu einem ebenso plötzlichen wie gewaltigen Erscheinen von freiem Sauerstoff in den Meeren in der Atmosphäre gekommen war, der als Grundvoraussetzung für die Entstehung und Entwicklung des höheren, mehrzelligen Lebens gilt.
Laut den neuen Daten müssten die entdeckten Pilze also nicht nur gänzlich abgeschieden vom Licht, sondern auch ohne von Sauerstoff entstanden sein und existiert haben: „Das hätte umwerfende Konsequenzen für die Art und Weise, wie diese frühesten Vorfahren der Eukaryoten und Pilze gelebt haben“, kommentiert Rasmussen.
Lange Zeit galten Pilze fälschlicherweise noch als Untergruppe der Pflanzen – oder zumindest als Zwischenform von Pflanze und Tier. Erst 1969 wurde ihnen ihr eigenes Reich zugesprochen. Sie absorbieren Nährstoffe aus toten oder lebendigen organischen Stoffen, sind – im Gegensatz zu den Pflanzen – nicht zur Photosynthese fähig und besitzen keine Zellulose in ihren Zellwänden.
„Tatsächlich beheimatet der aktuelle Fundort und einstige Lebensraum der in den Gasblasen eingeschlossenen mikroskopisch kleinen Pilzformen, die sog. tiefe Biosphäre, einen bedeutenden Anteil aller Biomasse auf unserer Erde“, erläutert Bengston und führt weiter aus: „Zugleich wissen wir aber erst sehr wenig darüber. Während frühere Funde von in fossilen Gasblasen eingebetteten Pilzen grade einmal 50 Millionen Jahre alt waren, sind die jetzt entdeckte Habitate mehr als zwei Milliarden Jahre älter. Bislang wussten wir noch nicht einmal, dass Pilze zu dieser Zeit überhaupt existiert haben.“
Möglicherweise lebten die Pilze in Gemeinschaft mit Mikroben und nutzten so deren chemische Energie für ihren Stoffwechsel. „Auf diese Weise hätten sie keinen freien Sauerstoff benötigt“, vermuten die Forscher.
„Diese Entdeckung stellt unsere bisherige Vorstellung von der Entwicklung der Eukaryoten völlig auf den Kopf“, kommentiert auch die an der Entdeckung und Studie nicht direkt beteiligte Professorin Nicola McLoughlin von der südafrikanischen Rhodes University in einem Kommentar zur Studie im gleichen Fachjournal und führt abschließend weiter aus: „Es weckt die Frage, ob wir bei der Suche nach den frühesten Eukaryoten – und speziell nach den frühesten Pilzen – bislang nicht vielleicht doch am falschen Ort gesucht haben.“
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