Ältestes Säugetier: Genom offenbart Gründe für exotische Merkmale der Schnabeltiere
Kopenhagen (Dänemark) – Das australische Schnabeltier gehört zweifelsohne zu den sonderbarsten Tieren auf unserem Planeten: Es gleicht einem Bieber, hat aber einen zahnlosen Schnabel und zwei Giftsporne. Es legt Eier, säugt aber seinen Nachwuchs, ein leuchtendes Fell. Ein internationales Wissenschaftlerteam hat nun erstmals das Genom des Schnabeltiers entschlüsselt und liefert damit neuen Erklärungen für einige der sonderbaren Merkmale.
Bis heute sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler darum bemüht, zu verstehen, wie und warum das Schnabeltier, das oft als das älteste Säugetier der Welt bezeichnet wird, eine derartige Vielzahl an ungewöhnlichen Merkmalen und Eigenschaften entwickelt hat.
Ein internationales Team aus Forschenden um den Biologen Prof. Guojie Zhang von der Universität Kopenhagen hat nun die Ergebnisse der vollständigen Kartierung des Schnabeltiergenoms im Fachjounral „Nature“ (DOI: 10.1038/s41586-020-03039-0) veröffentlicht.
„Das vollständige Genom erlaubt uns Antworten auf die Frage, wie einige der ungewöhnlichen Merkmale der Schnabeltiere entstanden sind“, erläutert Zhang. „Zugleich ist die Aufschlüsselung des Genoms der Schnabeltiere auch wichtig für unser Verständnis davon, wie sich Säugetiere entwickelt haben – auch wir Menschen. Das Schnabeltier-Genom offenbart demnach auch Schlüssel im Verständnis darüber, warum wir und andere höhere Säugetiere dazu gekommen sind, unsere Junge lebend, statt in Eiern auf die Welt zu bringen.
Das Schnabeltier (Ornithorhynchus anatinus, englisch platypus) gehört zu einer urzeitliche Gruppe von Säugetieren, den sogenannten Kloakentieren (Monotremata), die bereits Millionen von Jahren vor dem Auftauchen der ersten modernen Säugetieren existierten. „Zwar gehört das Schnabeltier zur Klasse der Säugetiere, genetisch betrachtet ist es aber eine Mischung aus Säugetieren, Vögeln und Reptilien“, so Zhang. „Es hat sich viele Eigenschaften seiner jeweiligen Vorfahren bewahrt, wie sie offenbar zum Überlebenserfolg und der Anpassung an die jeweiligen Lebensumgebungen der Schnabeltiere beigetragen haben.“
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Zu den ungewöhnlichsten Eigenschaften der Schnabeltiere gehört der Umstand, dass sie zwar Eier legen, aber die geschlüpften Jungtiere mit Milch füttern, die sie jedoch nicht über Brustwarzen, sondern schwitzend abgeben.
„Während unserer eigenen evolutionären Entwicklung haben wir Menschen alle drei der sogenannten Vitellogenin-Gene verloren, die für die Produktion von Eidotter wichtig sind“, erläutern die Autoren der Studie und führen dazu weiter aus: „Hühner besitzen weiterhin alle diese Gene. Die Studie zeigt, dass Schnabeltiere noch heute über eines der drei Vitellogenin-Gene verfügen, während sie die anderen beiden vor rund 130 Millionen Jahren verloren haben. Schnabeltiere legen also deshalb noch Eier, weil sie weiterhin über eines dieser Gene verfügen. Das liegt vermutlich daran, dass Schnabeltiere nicht derart vom Eidotter abhängig sind, wie etwa Vögel und Reptilien, eben weil sie auch Milch als Nahrung für ihren Nachwuchs produzieren.“
Bei anderen Säugetieren wurden die Vitellogenin-Gene durch Casein-Gene ersetzt, die für die Fähigkeit zur Produktion von Casein-Proteinen und damit einem wichtigen Bestandteil der Muttermilch verantwortlich sind.“
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Die neue Studie zeigt damit, dass Schnabeltiere auch Casein-Gene besitzen und dass die Zusammensetzung ihrer Milch somit ähnlich derer von Kühen, Menschen und anderen Säugetieren ist.
„Das zeigt uns, dass die Milchproduktion in allen noch vorhandenen Säugetieren sich durch das gleiche Set an Genen entwickelt hat und auf einen gemeinsamen Vorfahren zurückgeht, der vor rund 170 Millionen Jahren, also gemeinsam mit den Dinosauriern des Jura, lebte“, erläutert Guojie Zhang.
Eine weitere Eigenschaft, die Schnalbeltiere einzigartig macht und von der Mehrheit anderer Säugetiere unterscheidet, ist der Umstand, dass die Tiere zahnlos sind. Obwohl der nächste Monotrema-Verwandte der Schnabeltiere Zähne hat, verfügen modernen Schnabeltiere nur über zwei Hornplatten, die sie zum zermahlen von Nahrung verwenden. Die Studie zeigt nun, dass die Schnabeltiere ihre Zähne vor rund 120 Millionen Jahren verloren haben, als vier der ursprünglich acht für die Zahnentwicklung wichtigen Gene aus dem Genom der Tiere verschwanden.
Hintergrund
Schnabeltiere sind im östlichen Australien und Tasmanien beheimatet und gelten als bedrohte und entsprechend geschützte Art. Einer der Gründe, warum die eierlegenden Schnabeltiere dennoch zu den Säugetieren gezählt werden, liegt in den vorhandenen Milchdrüsen, ihrer Körperbehaarung und dreier Mittelohrknöchel. Drei Merkmale also, die Schnabeltiere mehrheitlich als Säugetiere ausweisen.Schnabeltiere gehören zur Säugetierordnung der sogenannten Monotremata, also der Kloakentiere, da sie nur eine einzige Körperöffnung sowohl zum Urinieren, Defäkieren und sexuellen Vermehrung besitzen. Die Tiere sind exzellente Schwimmer und verbringen einen Großteil ihres Lebens mit der Jagd nach Insekten und Muscheln in Flüssen.
Der charakteristische „Schnabel“ beherbergt eine Vielzahl elektrischer Sensoren, mit der die Tiere ihre Beute in den meist schlammigen Flussbetten aufspüren können. Männliche Schnabeltiere haben einen ca. 15 Millimeter langen Giftsporn in Knöchelhöhe an jedem Hinterbein, deren Gift stark genug ist, um etwa einen Hund zu töten, den sie aber auch im Territorial- und Paarungskampf mit Artgenossen einsetzen. Erst im vergangenen Jahr entdeckten Wissenschaftler, dass das eigentlich braune Fell von Schnabeltieren fluoreszente Eigenschaften hat und unter UV-Licht blaugrün leuchtet.
(Quelle: Universität Kopenhagen)
Ebenso einzigartig ist der Umstand, dass Schnabeltiere bzw. Kloakentiere die einzige Tierart überhaupt sind, die über 10 das Geschlecht bestimmende Chromosomen Verfügen. Sowohl wir Menschen als auch alle anderen irdischen Säugetiere haben nur zwei geschlechtsbestimmende Chromosomen: Das X- und das Y-Chromosom, die in Kombination bestimmen, ob sich ein Fötus durch zwei X-Chromosomen weiblich oder durch die Kombination von X und Y männlich entwickelt.
Kloakentiere und eben auch die Schnabeltiere haben jedoch 10 Geschlechtschromosomen zu jeweils fünf Y- und fünf X-Varianten. Anhand der nahezu vollständigen Aufschlüsselung des Genoms können die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nun schlussfolgern, dass diese 10 Chromosomen bei den Vorfahren der Kloaktentiere ringförmig angeordnet waren und diese Struktur später in kleinere Teile von X- und Y-Chromosomen zerbrach. Zugleich offenbart das Genom, dass die Mehrheit der Geschlechtschromosomen der Kloakentiere mehr mit denen von Hühnern als der von Menschen gemein hat, – zeigt aber zugleich auch eine evolutionäre Verbindung zwischen Säugetieren und Vögeln auf.
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Quelle: Universität Kopenhagen
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