Tucson (USA) – Auf dem Zwergplaneten Ceres gab und gibt es fortwährend aktiven Kryovulkanismus – also Vulkane, die statt heißer Lava, ein zähflüssiges Eisgemisch aus dem Planeteninnern an die Oberfläche pressen. Doch wo sind die zu erwarteneden Vulkankegel. Tatsächlich gibt es auf dem Zwergplaneten kaum solche Berge. Eine aktuelle Studie hat nun die Rate der kryovulkanischen Aktivität auf Ceres berechnet und eine Erklärung für das Rätsel der fehlenden Berge auf dem Zwergplaneten gefunden.
Wie das Team um Michael Sori, Ali Bramson und Prof. Shane Byrne von der University of Arizona aktuell im Fachjournal „Nature Astronomy“ (DOI: 10.1038/s41550-018-0574-1) berichtet, ist einer der wenigen Berge auf Ceres der rund 4,8 Kilometer hohe, derzeit inaktive Eisvulkankegel Ahuna Mons (…GreWi berichtete). Das Alter dieses Kegelberges datieren die Wissenschaftler mit gerade einmal 200 Millionen Jahren geologisch betrachtet vergleichsweise jung. Gleichzeitig bedeutet dieses junge Alter aber auch, dass Ceres selbst noch vor mindestens 200 Millionen Jahren – und damit in geologisch jüngerer Vergangenheit – entsprechen aktiv war.
Das geringe Alter und die Einsamkeit von Ahuna Mons stellt Planetenwissenschaftler immer noch vor einige Rätsel, schließlich sei es unwahrscheinlich, dass der Zwergplanet zunächst geologisch inaktiv war, dann aber plötzlich aktiv wurde und diese Aktivität sich nur an diesem einen Ort ihren Weg an die Oberfläche gebahnt hatte. Sollte es aber einst noch weitere Eisvulkane an der Ceresoberfläche gegeben haben, so stellt sich die Frage nach dem Verbleib dieser Berge und danach, warum Ahuna Mons heute so alleine ist.
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Schon im vergangenen Jahr hatten die Wissenschaftler darüber spekuliert, ob ältere Eisvulkane auf Ceres über die Zeit hinweg durch einen als „viskose Entspannung“ bezeichneten Verwitterungsprozess verschwunden sein könnten. Hierbei sorgt das Eigengewicht viskoser Materialien wie Honig oder eben auch Eisschlamm dafür, dass Anhäufungen dieses Materials unter der eigenen Last in sich absinken, sich am Boden ausdehnen und nach und nach immer flacher werden. Eine andere Theorie geht ebenfalls davon aus, dass Ceres einst noch sehr viel mehr ungewöhnliche Oberflächenmerkmale wie den Pyramidenberg Ahuna Mons besaß, dass diese aber mit der Zeit normal erodierten. Damit dies jedoch passieren kann, muss die starke Kruste auf einer deformierbaren Schicht (möglicherweise den Resten eines einstigen globalen Ozeans) lagern, wie sie laut Fu und Kollegen heute noch Flüssigkeit enthalten könnte (…GreWi berichtete).
Da Ceres sowohl aus Felsgestein als auch aus Eis besteht, verfolgten Sori und Kollegen in ihrer Theorie nun aber konkret die Vorstellung der viskosen Entspannung, wie sie auch die Bewegung und buchstäbliche Ausbreitung irdischer Eisgletscher erklärt.
In einem solchen Modell bestimmt die Zusammensetzung einer entsprechenden geologischen Formation und die vorhandenen Temperaturen, wie schnell sich eine solche Struktur wieder sozusagen an die umgebende Landschaft anpasst: „Je mehr Eis sich in einer Formation befindet, desto schneller zerfließt sie; je niedriger die Temperatur, desto langsamer breitet sie sich aus“, erläutern die Forscher.
Obwohl es auf Ceres nicht wärmer wird als -35.6 Grad Celsius, variieren die Temperaturen auf der dortigen Oberfläche dennoch teilweise sehr: „An den Polen ist es kalt genug, damit sich Eisberge bilden können, ohne sich wieder zu entspannen“, erklärt Sori und führt weiter aus: „Aber am Äquator wird es warm genug, damit ein einstiger aus einem Eisgemisch bestehender Berg über geologische Zeiträume hinweg wieder verschwinden kann.“
Anhand von Computersimulationen mit Hilfe der Beobachtungsdaten der NASA-Sonde „Dawn“ zeigen die Forscher dann, dass sich auf rund 1,6 Millionen Quadratkilometern der Ceres-Oberfläche tatsächlich 22 bergartige Formationen (inklusive Ahuna Mons) finden, wie sie auch von den Simulationen vorhergesagt werden. Tatsächlich gibt es am Südpol von Ceres mit Yamor Mons denn auch nur einen Berg, dessen Form derer des Ahuna Mons annähernd gleicht. „Dieser Berg ist fünf Mal breiter als er hoch ist. Auch das bestätigt die Vorhersagen unserer Modelle.“
Anhand der Übereinstimmungen zwischen Modellvorhersagen zur viskosen Entspannung und tatsächlich auf Ceres vorhandener Berge, konnten die Wissenschaftler in einem nächsten Schritt auch ermitteln, wie alt eine Vielzahl der Berge auf Ceres ist und somit die Rate der vulkanischen Aktivität auf dem Zwergplaneten abschätzen: „Wir vermuten, dass sich auf Ceres alle 50 Millionen Jahre ein neuer Vulkan bildet“, so Sori. „Diese Menge entspricht in etwa 13.000 Kubikmetern an kryovulkanischem Material jährlich – genug also, um damit vier olympische Schwimmbecken zu füllen.“
Während die vulkanische Aktivität auf Ceres damit deutlich geringer ist als auf der Erde, wo Vulkane mehr als eine Million Kubikmeter Material pro Jahr erzeugen, sind die Ceres-Eisvulkane auch weniger explosiv als ihre feurigen irdischen Gegenstücke und erzeugen statt explosiver Ausbrüche vielmehr regelrechte Kuppeln aus sogenannter Kryomagma – also einem salzigen Gemisch aus Fels, Eis und anderen flüchtigen Materialien wie etwa Ammoniak. Gelangt dieses nach und nach die Oberfläche gefriert es hier erneut. Die Forscher vermuten, dass die meisten ehemals mächtigen Eisvulkane auf Ceres genau so entstanden sind, bevor sie sich wieder „entspannt“ hatten.
Der Grund für den Kryovulkanismus auf Ceres bleibt indes weiterhin ein Rätsel, weswegen die Wissenschaftler auf zukünftige Forschungsergebnisse angesichts weiterer Eisvulkane hoffen, wie sie auf anderen Himmelskörpern im Sonnensystem entdeckt wurden. „Ceres ist der erste kryovulkanische Körper in unserem Sonnensystem, der von einer Orbitalsonde umrundet wurde. Kryovulkanismus wurde aber auch schon auf Pluto und seinem Mond Charon entdeckt (…GreWi berichtete). Auch auf dem Jupitermond Europa gibt es kryovulkanische Aktivitäten. Hier schießen gewaltig Eisfontänen aus dem kilometerdicken Eispanzer, unter dem sich ein flüssiger Salzwasserozean verbirgt (…GreWi berichtete). Es könnte also gewisse Ähnlichkeiten zwischen Europa und Ceres geben. Um dies jedoch noch genauer herauszufinden, benötigen wir weitere Missionen zu diesen Welten.“
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