Aktive Zwergsterne womöglich doch lebensfreundlicher als gedacht
Evanston (USA) – Aufgrund ihrer hohen solaren Aktivität und der damit einhergehenden starken Strahlungsbelastung, galten sogenannte „Rote Zwerge“ bislang als eher ungeeignet für Leben auf sie umgebenden erdartigen Planeten. Eine neue Studie kommt nun jedoch zu einer Neubewertung dieser Frage und stellt sogar fest, dass gerade fortwährende Sonnenausbrüche, sog. Flares, dabei behilflich sein könnten, Biosignaturen in den Atmosphären ferner Welten zu entdecken.
Rote Zwerge sind der am häufigsten in unserer kosmischen Nachbarschaft und vermutlich innerhalb der gesamten Milchstraße vorkommende Sternentyp. Zugleich wurden die meisten erdartigen Exoplaneten innerhalb lebensfreundlicher Zonen in Systemen um diese Sternenkategorie entdeckt. Da die „habitable Zone“ Roter Zwerge aufgrund der geringeren Sternenmasse und der damit einhegend geringeren Helligkeit und Wärme sehr viel dichter ihre Muttergestirne umgibt als die lebensfreundliche Zone unserer Sonne, sind entsprechende Planeten auch sehr viel stärker der stellaren Strahlung ihrer Zentralsterne ausgesetzt. Erschwerend kommt hinzu, dass die meisten roten Zwergsterne sehr viel aktiver sind als sonnenähnliche Sterne und sie ihre nahen Planeten sehr viel häufiger mit hochenergetischer Strahlung fluten, als unser Heimtastern die Erde. Diese Strahlung kann nicht nur eventuell vorhandene Atmosphären samt Ozonschichten nach und nach erodieren, sondern auch die dann ungeschützten Oberflächen sterilisieren. Höheres Leben, wie wir es auf der Erde kennen, wäre damit – so die bisherige Vorstellung – eher unwahrscheinlich, besonders, wenn entsprechende Planeten (ungleich unserer Erde) kein schützendes planetares Magnetfeld besitzen.
Hintergrund
Die „habitable Zone“ beschreibt jene Abstandsregion um einen Stern, innerhalb derer ein Planet diesen Stern umkreisen muss, damit aufgrund gemäßigter Temperaturen flüssiges Wasser – und damit die Grundlage zumindest des irdischen Lebens – auf der Oberfläche existieren kann.
Nun aber berichtet ein Team um Dr. Horawrd Chen von der Northwestern University im Fachjournal “Nature Astronomy” (DOI: 10.1038/s41550-020-01264-1), von ihren 3D-Simulationen der Wirkung häufiger Sonnenausbrüche (Flares) auf die Atmosphärenchemie von Planeten um ferne Zwergterne auf potenzielle Planeten innerhalb ihrer habitablen Zonen. Das Ergebnis zeigt, dass derartiges Weltraumwetter nicht zwangsläufig der Entstehung und Entwicklung von Leben im Wege stehen muss.
Hierzu haben die Forschenden die atmosphärische Chemie der solcher Aktivität ausgesetzten Planeten mit jener von Planeten verglichen, die keiner oder schwache stellare Aktivität erfahren.
„Tatsächlich können gerade auch fortwährende Flares eines Sterns die atmosphärische Zusammensetzung eines Planeten in ein neues Gleichgewicht bringen“, so Chen. „Aus diesem Grund schließen stellare Ausbrüche auch nicht per se die Existenz von Leben auf dortigen Planeten aus. In einigen Fällen führen selbst stetige Flares nicht dazu, etwa die gesamte planetare Ozonschicht aufzulösen. Leben auf dortigen Oberflächen hätte also weiterhin eine Chance.“
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Zuvor hatten Chen und Kollegen bereits das Langzeit-Klima von sogenannter M-Zwergsterne untersucht. Allerdings ereignen sich Flares in vergleichsweise Zeiträumen von Stunden und Tagen. „Deswegen ist es wichtig, auch diese kurzen Zeiträume und deren Auswirkungen in die Berechnungen mit einzubeziehen, um so ein vollständiges Bild der Exoplanetenatmosphären zu erhalten.
„Sollte es Leben auf solchen Zwergsternen (der Kategorien M und K) geben, so könnten Flares hinzu sogar erleichtern, dieses Leben zu detektieren“, erläutern die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen. „So können stellare Flares den Anteil eventuell vorhandener Gase, die auf Leben hinweisen (wie etwa Stickstoffdioxide, Distickstoffoxid, oder Salpetersäure) von einem unmerklichen auf ein nachweisbares Niveau anheben.“
Bislang wurde derartiges Weltraumwetter meist als Nachteil für die Lebensfreundlichkeit eines Planeten angesehen“, so Chen und führt abschließend weiter aus: „Unsere Studie zeigt aber quantitativ, dass es auch Szenarien gibt, in der gerade dieses Weltraumwetter dazu beitragen kann, die Signaturen chemischer Biomarker und damit die Auswirkungen biologischer Prozesse auf einem Planeten besser identifizieren zu können.“
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Quelle: Northwestern University
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