Alternative zu Wasser: Zellmembran-Bausteine sind auch unter Venus-Bedingungen stabil

Copyright: JAXA/ISAS/DARTS/Kevin M. Gill
Chicago (USA) – Seit dem Nachweis von Phosphin, einem potenziellen Biomarker in den gemäßigt temperierten Schichtend er Venus-Atmosphäre, debattieren Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen über mögliches Leben auf der eigentlich als lebensfeindlich geltenden Venus. Eine neue Studie zeigt, dass einfache Lipide auch unter Venus-Bedingungen stabil sein und bleiben können.
Von allen Gesteinsplaneten besitzt die Venus die größte Atmosphäre. Während die Oberfläche lebensfeindlich ist, gibt es in höheren Atmosphärenschichten tatsächlich Regionen, die den Bedingungen auf der Erde ähneln. Dies hat zu Spekulationen geführt, ob in diesen Schichten auch mikrobisches Leben existieren könnte. Anders als bei fernen Exoplaneten ist Venus mit Raumsonden von der Erde aus relativ einfach erreichbar. Tatsächlich umkreist derzeit die japanische Sonde „Akatsuki“ die Venus und schon in den 2030er-Jahren sind drei weitere Missionen, „Veritas“ und „DAVINCI“ von der NASA sowie die „EnVision“-Mission der ESA, geplant. Eine neue Studie unter der Leitung von Daniel Duzdevich von der University Chicago und der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg hat untersucht, ob bestimmte Bausteine des Lebens unter Venus-ähnlichen Bedingungen stabil bleiben können.
Hintergrund
Auf der Erde wird Phosphin von Mikroben erzeugt, die nahezu keinen Sauerstoff benötigen, stattdessen Phosphatmineralien und Wasserstoff absorbieren und als Ausscheidungsprodukt Phosphin abgegeben. Tatsächlich gibt es in der Venusatmosphäre nahezu keinen Sauerstoff. Da die Venusoberfläche selbst viel zu heiß ist, als dass hier erdartige Mikroben existieren könnten. Erst in Höhen von 48 bis 60 Kilometern erreichen die Temperaturen zwischen minus 17 und 93 Grad Celsius, weshalb man hier von einer „lebensfreundlichen Zone“ der Venus sprechen könnte. Genau hier haben die Astronomen nun auch das Phosphin entdeckt.
Potentielle Venus-Mikroben, so vermuten Astrobiologen, entstanden Ozeanen aus flüssigem Wasser, die einst – als das Venusklima noch wesentlich milder und lebensfreundlicher war – auf der Venusoberfläche existierten. Als sich die Venus dass in Folge eines massiven Treibhauseffekts zur heutigen „höllische Schwester der Erde“ erhitzte, zogen sich einige Mikroben in die gemäßigten Atmosphärenschichten zurück, wo sie sich bis heute existieren könnten, ohne je überhaupt auf die Oberfläche zu gelangen (…GreWi berichtete).
Tatsächlich könnte der Nachweis von Mikroben in der Venusatmosphäre ein Merkmal dieser erklären, das
Wissenschaftler seit Jahren vor ein Rätsel stellt: Dunkle Streifen, die – so vermuteten einige Wissenschaftler bereits – von lichtabsorbierenden Bakterien erzeugt werden könnten (…GreWi berichtete). Die dunklen Streifen sind unter anderem auf UV-Aufnahmen der europäischen Sonde “Venus Express” zu erkennen (siehe Abb. l.; Copyright: ESA/MPS/DLR/IDA).
Wie die Forschenden vorab via ArXiv.org berichten, konnten sie in Experimenten zeigen, dass einfache Lipide und damit die Grundbausteine von Zellmembranen, die in extremen Umgebungen wichtig sind, um das Zellinnere vor äußeren Bedingungen zu schützen in Schwefelsäure, wie sie auch die Venusatmosphäre dominiert, stabil bleiben und sogar höhere Strukturen bilden können.
Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass einige Aspekte der Chemie des Lebens möglicherweise nicht ausschließlich auf Wasser als Lösungsmittel angewiesen sind. Stattdessen könnte etwa Schwefelsäure als alternatives Lösungsmittel dienen.
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Wie die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen unterstreichen, sei diese Erkenntnis auch für die Erforschung von Exoplaneten interessant, da Schwefelsäure als Lösungsmittel auf Exo-Venusen oder anderen felsigen Planeten vorkommen könnte.
Die Frage, ob auch tatsächliche Lebensformen in den Venuswolken überleben könnte, bleibt allerdings weiterhin offen, da die Studie hierzu keine abschließenden Antworten liefert. Dennoch bietet sie faszinierende Einblicke: Lipidmembranen könnten in den extremen Bedingungen der Venus-Atmosphäre bestehen und so die Möglichkeit von Leben auf dem Planeten erweitern.
GreWi-Dossier: Biomarker Phosphin in der Venusatmosphäre?
…die bisherigen GreWi-Meldungen dazu in chronologischer Reihenfolge beginnend bei der ErstmeldungVorab geleaked: Astronomen finden starke Hinweise für mikrobisches Leben auf der Venus 14. September 2020
Breakthrough Initiative fördert Suche nach primitivem Leben in den Wolken der Venus 16. September 2020
Leben auf der Venus? Forscher hoffen schon in wenigen Wochen auf weitere Daten 21. September 2020
Private Mission zur Suche nach Leben auf der Venus könnte schon 2023 starten 24. September 2020
Zweifel an Nachweis des Biomarkers Phosphin in der Venus-Atmosphäre 21. Oktober 2020
Weiterer Hinweis auf Leben auf Venus? Aminosäure Glycin in lebensfreundlicher Zone der Venus-Atmosphäre 18. Oktober 2020
Möglicher Biomarker auf der Venus: Astronomen stufen Aussagen herab 18. November 2020
Studie: Biomarker in der Venusatmosphäre vermutlich nur gewöhnliches Schwefeldioxid 28. Januar 2021
Phosphin in Venusatmosphäre spricht für explosiven Vulkanismus auf der Venus 12. Juli 2021
Doch Biomarker auf der Venus? – Venus Phosphin-Update 2. Dezember 2021
Phosphin: Neue unabhängige Messungen bestätigen erneut möglichen Biomarker in der Venusatmosphäre 17. August 2022
Fachartikel sieht weiterhin Hinweise für Leben in der Venus-Atmosphäre 3. Dezember 2022
Weitere Studie zu Biomarkern auf der Venus: “Wenn Phosphin, dann nur ganz wenig” 6. Dezember 2022
Erneute Detektion von Phosphin: Gibt es Leben in der Venus-Atmosphäre? 11. Juli 2023
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Studie: Leben in Säurewolken der Venus möglich – Private Mission will 2025 danach suchen 8. Januar 2024
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Phosphin und Ammoniak: Neue Detektionen bestärken Hoffnung auf Leben auf der Venus 30. Juli 2024
Recherchequelle: ArXiv.org
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