Kurashiki (Japan) – 300 Jahre alt soll sie bereits sein – jetzt wollen Wissenschaftler der japanischen Kurashiki Universität die Mumie einer angeblichen Meerjungfrau untersuchen, die von Mönchen als Amabie-Heiligtum im Enjuin Tempel in der Präfektur Okayama aufbewahrt und verehrt wird.
Wie die Zeitung „Asahi Shimbun“ berichtet gehen die derzeit laufenden Untersuchungen der bizarren Mumie, deren etwa 30 Zentimeter großer Körper aus einem menschlich wirkenden Oberkörper und dem Unterleib eines Fisches zu bestehen scheint, auf die Initiative von Forschern um Hiroshi Kinoshita von der Okayama Folklore Society, des Paläonthologen Takafumi Kato von der Kurashiki University of Science and the Arts und des Kurashiki Museum of Natural History zurück. Unterstützt werden die Analysen vom obersten Priester des Enjuin-Tempels, Kozen Kuida, der die Mumie für die Untersuchungen zur Verfügung stellte.
Die genaue Historie und Provenienz der Mumie ist nicht eindeutig belegt. Allerdings verweist eine handschriftliche Notiz in Reliquienkiste, in der die “getrocknete Meerjungfrau” aufbewahrt wird, dass sie zwischen 1736 und 1741 von Fischern mit einem Netz in der heutigen Provinz Kochi (damals Tosa) gefangen wurde. 40 Jahre lang war die Mumie zuletzt in einer Vitrine im Tempel öffentlich zu sehen. Mittlerweile wird sie allerdings in einem speziellen Safe aufbewahrt, um weitere Zersetzung zu verhindern.
Auf die Spur der Mumie kam Kinoshita bei der Durchsicht der Aufzeichnungen Fotos des Naturhistorikers Kiyoaki Sato (1905-1998), der vermutlich die erste Enzyklopädie über die Wesen der japanischen Folklore verfasst hatte.
Hintergrund
Tatsächlich ist die „Meerjungfrau-Mumie“ im Enjuin Tempel nicht die einzige ihrer Art und ähnliche Exemplare werden etwa am Berg Koyasan in der Präfektur Wakayama oder auf der Insel Amami-Oshima aufbewahrt und verehrt. Laut Kinoshita besteht mindestens eine dieser Mumien aus dem mit dem Oberkörper eines Affen zusammengesetzten Unterleib eines Lachses.Angeblich mumifizierte Meerjungfrauen und Wassermänner, bei denen es sich jedoch tatsächlich um aus unterschiedlichen Tierteilen und anderen Materialien zusammengesetzte Präparate handelt, sind aber nicht nur aus Japan und Asien bekannt und wurden schon seit dem 16. Jahrhundert in zahlreichen Varianten und an verschiedenen Orten hergestellt. Besonders im 19. Jahrhundert wurden sie gerne auf Jahrmärkten und in Kuriositätenkabinetten in Europa und Amerika als vermeintlich echte Meerjungfrau-Mumien gezeigt. Schon 2021 offenbarten britische Wissenschaftler die Machart der sogenannten „Buxton Mermaid“ (siehe Abb. l., Copyright: David Padley, lincoln.ac.uk …GreWi berichtete).
Zum Thema
Die derzeitige Analyse der Mumie aus dem Enjuin Tempel konzentriert sich auf die Untersuchungen und Bestimmung der beiden Körperhälften, sowie die Analyse der Methoden, die zum guten Erhalt der Mumie beigetragen haben. Hinzu sollen die Untersuchungen weitere Erkenntnisse aus volkskundlicher Sicht auf die japanischen Mythen erbringen.
www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER können Sie den täglichen kostenlosen GreWi-Newsletter bestellen +
Vermutlich soll die Enjuin-Mumie eine sogenannte Amabie darstellen, ein Fabelwesen der japanischen Folklore, dass über die kraft verfügen soll, Seuchen abzuwehren. „Wir haben die Mumie auch in der Hoffnung verehrt, dass es uns vor Covid-19 beschützen oder einen milden Verlauf herbeiführen soll. Jetzt hoffen wir, dass das Projekt wissenschaftliche Informationen für die Zukunft erbringen und hinterlassen wird“, so Kozen Kuida abschließend.
WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Wissenschaftler untersuchen Meerjungfrau-Mumie 21. Februar 2012
Recherchequelle: The Asahi Shimbun, eigene Recherchen grenzwissenschaft-aktuell.de
© grenzwissenschaft-aktuell.de