Anomalie im Polarwirbel erklärt aktuelle Kältewelle
Bath (Großbritannien) – Blickt man derzeit aus dem Fenster, ist es verführerisch, sich Kritikern einer menschengemachten Klimaerwärmung anzuschließen – unterliegt die nördliche Hemisphäre derzeit doch einer für Februar ungewöhnlichen Kältewelle, die jüngst selbst in südeuropäischen Ländern zu Kälte-und Schneefallrekorden geführt. Doch Schuld an den Wetterextremen ist nicht ein pausierender oder gar ausgesetzter Klimawandel, sondern eine ungewöhnliche Störung des nördlichen Polarwirbels.
Wie Klimawissenschaftler anhand von Daten des europäischen Satelliten “Aeolus” aufzeigen, unterliegt der Polarwirbel derzeit einer seltenen, aber bekannten Schwächung.
Hintergrund
Für gewöhnlich ist die Grenze des Polarwirbels, einer gewaltige Kältemasse hoch in der polaren Stratosphäre über den Nordpol, von einem starken, gegen den Uhrzeigersinn wirbelnden Windstrom (Jet) umströmt. Der Wirbel tendiert dazu, im Winter stärker zu sein, was für die bitterkalte Luft verantwortlich ist, die über der Arktis gefangen ist. Es kann aber auch vorkommen, dass sich der Polarwirbel abschwächt, gestört wird oder sich sogar in zwei Ströme aufteilt, die dann südwärts schlängeln und so das Wetter und den Jetstrom in der Troposphäre beeinflusst, was zu einer ungewöhnlichen Abkühlung, kaltem Wetter und Schnee bis in niedrigere Breitengrade führt.
Ein meteorologisches Ereignis, dass zu einer solchen Störung des Polarwirbels führen kann, wird als „plötzliche stratosphärische Erwärmung“ bezeichnet und beschreibt jenes Phänomen, das wir seit einigen Wochen erleben, erläutern Klimaforscher um Corwin Wright von der Royal Society an der University of Bath auf der Webseite der europäischen Raumfahrtagentur ESA. „Während plötzliche stratosphärische Erwärmungen alle paar Jahre auftreten, unterscheidet sich die aktuelle in ihrer Intensität doch deutlich von der Regel und wird deshalb als eher seltenes, bedeutendes Ereignis eingestuft.“
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Derart dramatische Ereignisse führen dazu, dass sich starke Winde um den Rand des Polarwirbels abschwächen oder umkehren und so zu einem Anstieg der Temperaturen der polaren Stratosphäre um bis zu 50 Grad Celsius binnen weniger Tage führen können.
„Derzeit beobachten wir den Polarwirbel und sehen, wie er sich in zwei Teile mit einer Luftmasse über Nordamerika und der anderen über den Nordpazifik aufteilt“, berichtet die Aeolus-ESA-Missionswissenschaftlerin Anne Grete Straume. Diese Zweiteilung führt zu Veränderungen in der troposphärischen Zirkulation, die es kalten Luftmassen über den Polen sehr viel leichter ermöglicht, in niedrigere Breiten zu entweichen, erläutert die ESA weiter. „Derzeit erleben Teile von Nordamerika kälteres Wetter als Europa, und in den vergangenen Wochen beobachten wir auch in Europa, wie kalte Luft bis in den Süden hinein vordringt und hier zu heftigen Regenfällen oder sogar späten Schnee in Spanien und Portugal geführt hat.“
Aktuell stelle sich die Frage, ob derzeitige stratosphärische Ereignisse in Folge des Klimawandels zur neuen Regel werden könnten.
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Quelle: ESA
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