Antikenministerium setzt Suche nach weiterem Kammern im Grab des Tutanchamun fort
Luxor (Ägypten) – Die Suche nach weiteren, bislang unbekannten Kammern hinter den Wänden der Grabkammer des Tutanchamun geht weiter, nachdem seit 2015 unterschiedliche Teams bei ihren Scans zu immer wieder unterschiedlichen Ergebnissen gekommen waren, berichten nun ägyptischen Medien von einem erneuten Anlauf, nun unter der Führung des ägyptischen Antikenministeriums. Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) hat den Leiter der jüngsten Radar-Scans in der Grabkammer des Tutanchamun zur aktuellen Situation exklusiv befragt.
Wie die Nachrichtenseite „Egypt Forward“ unter Berufung auf das Ministerium berichtet, soll die neuen Scans über drei Tage hinweg innerhalb der kommenden drei Wochen durchgeführt werden. Weitere Angaben darüber, wer die Scans wo genau durchführt und welche Instrumente und Technologien dabei zum Einsatz kommen sollen, liefert die Quelle leider nicht.
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Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) hat den Leiter der der jüngsten Scans, Professor Francesco Porcelli von der Polytechnischen Universität Turin zu den aktuellen Entwicklungen befragt:
GreWi: Herr Professor Porcelli, können Sie uns mehr über die neuen Untersuchungen sagen?
Prof. Franco Porcelli: Leider nein, es ist auch für mich das erste, was ich dazu höre und lese. Mir sind also keine Details bekannt. Natürlich hat das Ministerium das gute Recht, weitere Untersuchungen durchzuführen. Wir selbst sind darüber aber nicht informiert worden und demnach auch nicht Teil der neuen Untersuchungen.
Das ist zwar grundsätzlich schade, aber zugleich stehen wir hinter unseren jüngsten Ergebnisse, die zeigen, dass zumindest unmittelbar hinter den Mauern der Grabkammer des Tutanchamun keine direkt anschließenden Räume, Gänge oder Kammern liegen (…GreWi berichtete). Allerdings haben wir ja zuletzt doch zwei Anomalien in der Nähe des Grabes aufgezeigt (…GreWi berichtete). Diese wurden bislang nicht weiter untersucht. Ich würde mir wünschen, dass es vielleicht diese Anomalien sind, denen man nun genauer auf den Grund gehen will. Natürlich bin ich aber auch offen für alle neuen Daten und Ergebnisse bei der Suche nach direkt anschließenden Kammern. Das wäre schon interessant – gerade weil wir natürlich großes Vertrauen in unsere letzten Ergebnisse haben, laut denen es keine weiteren Kammern gibt. Aber wie gesagt: Genaueres zu den Arbeiten die nun offenbar geplant sind, weiß auch ich nicht.
GreWi: Herr Professor, wie erklären Sie sich die unterschiedlichen Ergebnisse der unterschiedlichen Teams, die ja zu teils völlig gegenteiligen Aussagen und Schlussfolgerungen wie sie gekommen sind?
Prof. Porcelli: Nun, da das japanische Team hat seine Daten gar nicht wissenschaftlich publiziert hat, ist es schwer, diese zu bewerten. Auch wir kennen nur die öffentlich übertragene Powerpoint-Präsentation und die war wenig technisch. Was ich sagen kann ist, dass die Japaner nur ein Instrument verwendet haben und keine Zeit zur dessen Ergebnisse überprüfende weitere Scans hatten, da sie nur wenige Stunden in Grab gearbeitet haben. Ähnlich war es anhand der Scans des Team von National Geographic.
Wir kennen nur unsere eigenen Daten und anhand derer kann ich zumindest sagen, wie auch wir vielleicht hätten getäuscht werden können: Der Putz, mit dem der Fels bedeckt und so wunderbar dekoriert wurde, beinhaltet organisches Material und dieses Material kann Elektrizität leiten. Der Putz könnte also wie eine Artleitung für die Radarsignale gewirkt haben und diese – statt sie durch die Wand selbst zu führen – durch den gesamt bereits bekannten Raum der Grabkammer mitsamt dem Sarkophag und zurück zum Empfänger geführt haben. Auf diese Weise kann durchaus ein sogenanntes “Geister-Signal” entstehen, dass dann auf den ersten Blick dem Signal eines tatsächlich vorhandenen Raumes oder entsprechender Strukturen gleich. Wenn man nun nur mit einem Gerät und nur einmal misst, kann man dieses Signal natürlich nicht überprüfen. Tatsächlich ist es uns zunächst auch so gegangen und wir waren sehr aufgeregt. Wir haben allerdings drei Instrumente genutzt und hatten uns genügend Zeit (insgesamt 7 Tage!) ausgebeten, unsere Messungen wiederholen zu können. Dabei wurde klar, das unser erstes Bild leider nur ein “Geister-Signal” war.
Grundsätzlich ist bei solchen Scans ein multidiziplinäres Vorgehen absolut notwendig Archäologen müssen gemeinsam mit Geologen, Technikern, Physikern und am besten auch mit Topografen zusammenarbeiten und vor allem auch genügend Mittel und Zeit einplanen, um Messergebnisse auch überprüfen zu können.
GreWi: Herr Professor, besten Dank für Ihre Erläuterungen.
Hintergrund
Die bisherige Suche nach weiteren Kammern hinter den Wänden der Grabkammeranlage des Tutanchamun (KV62) im Tal der Könige ist eine Geschichte zahlreicher kontroverser Theorien und Untersuchungsergebnisse. Als einziges deutschsprachiges Nachrichtenportal berichtet Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) seither fortwährend aktuell über die neusten Entwicklungen:Schematische Skizze der bislang bekannten Grabkammern des Tutanchamun (blau) vor dem Hintergrund der reich verzierten Nordwand (Hntgr.) hinter der sich bislang unentdeckte und immer noch unerkundete weitere Kammern befinden (rosa).
Copyright: Komp.: grenzwissenschaft-aktuell.de / verw. Materialien: gemeinfrei (Wand); GregorDS (WikimendiaCommons), CC BY-SA 3.0– Alles Begann 2015, als der Ägyptologe Nicolas Reeves seine Entdeckung einer Anzahl rechtwinklig verlaufender Risse und Unregelmäßigkeiten im kunstvoll bemalten Verputz einer Wand der Grabkammer des Kindkönigs bekannt gab. Diese wurden erst durch neue Scans der Grabkammer im Jahr 2014 sichtbar. Hinter diesen nördlichen Wandelementen vermutet Reeves seither einen oder mehrere geheime Gänge, die zu weiteren Kammern führen. Schon Howard Carter hatte seiner Zeit einen “Stauraum” für alle Arten von Kannen, Truhen und Kisten entdeckt.
Reeves selbst verfolgt schon seit Jahren seine Theorie davon, dass es sich bei dem Grab des Tutanchamun in Wirklichkeit nur um einen Teil einer größeren Anlage handelt, die ursprünglich Tutanchamuns Stiefmutter, der nicht minder sagenumwobenen Nofretete gehören soll.
– Zunächst hieß es dann im November 2015, dass erste Infrarot- und Radar-Scans auf eine verborgene Kammer deuten würden (…GreWi berichtete 1, 2).
– Im Februar 2016 ließ sich der damalige ägyptische Tourismus-Minister Hisham Zaazou zu der Aussage hinreißen, dass die bisherigen Untersuchungsergebnisse auf einen „Raum voller Schätze“ hindeuten würden (…GreWi berichtete).
– In den folgenden Wochen bestätigten dann neue Scans japanischer Wissenschaftler verborgenen Kammern hinter den Wänden des Tut-Grabes (…GreWi berichtete 1, 2)
– Forderungen nach einer Anbohrung der reich verzierten Wände in der Grabkammer, um so Sonden einen Zugang zu den angeblich entdeckten verborgenen Kammern zu ermöglichen, widersprachen Wissenschaftler vor Ort jedoch zunächst und forderten weitere Untersuchungen (…GreWi berichtete).
– Während der japanische Professor Watanabe noch am vergangenen Wochenende seine Scans auf der internationalen Tutanchamun-Konferenz verteidigte, berichtete “National Geographic News” selbst bereits am Folgetag über die übereinstimmende Kritik verschiedener Archäologen und Bodenradarexperten an der Interpretation der Daten im Sinne dahinter verborgener Kammern und deren Inhalt. Die Kontroverse um die Interpretation der Ergebnisse und Daten war eröffnet.
– Im Juni 2017 wurden dann neue Scans unter der Leitung von auf Francesco Procelli vom Politecnico di Torino angekündigt, mit denen die Kontroverse um die Existenz der gesuchten Kammern endgültig geklärt werden solle (…GreWi berichtete).
– Im Juni 2018 erklärte das Team um Porcelli dann, dass man keine Bestätigung für Kammern hinter dem Grab des Tutanchamun gefunden werden konnten (…GreWi berichtete) – um dann im Frühjahr 2019 doch noch von doch „Anomalien in der Nähe des Grabes von Tutanchamun“ zu berichten (…GreWi berichtete).
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