London (Großbritannien) – 2015 entdeckte der britische Archäologe Nicholas Reeves rechtwinklig verlaufende Risse im kunstvoll bemalten Verputz der Wände in der Grabkammer des Tutanchamun. Seither vermutet Reeves, dass sich hinter dem bekannten Grab ein weiteres Grab, vermutlich sogar das Grab der Vorgängerin und Stiefmutter des Kindkönigs, der sagenhaften Nofretete befindet. Gegenüber dem britischen „The Guardian“ beschreibt Reeves seine jüngsten Indizien für seine Theorie. Diese sind allerdings nicht ganz neu.
Wie der ehemalige Kurator der ägyptologischen Abteilung des British Museum gegenüber dem “The Guardian” berichtet, will er im Grab des Tutanchamun bislang verborgene Hinweise gefunden haben, die seine Theorie vom hinter dem Grab verborgenen Grab der Nofretete bestätigen sollen. Zuvor hatten verschiedene Radarmessungen im Grab keine schlüssigen Ergebnisse geliefert, die eine Anbohrung der kostbar verzierten Wände gerechtfertigt hätten.
Wie der Guardian weiter berichtet, wurden laut Reeves die für Tutanchamuns Nachfolger Eje II. erstellten Kartuschen, die im Tutanchamun-Grab die Grablegung Tutanchamuns zeigen, übermalt und zeigten ursprünglich die Bestattung von Königin Nofretete, der Vorgängerin Tutanchamuns. „Eine solche Darstellung hätte es in einem Grab, das einzig und allein für Tutanchamun gedacht war, nicht gegeben.“ Laut Reeve zeige die Szene, die die sogenannte Mundöffnung der Mumie des Kindkönigs durch Eje darstellt, ursprünglich dieses Ritual, das nun aber von Tunanchamun an der Mumie seiner Vorgängerin Nofretete, durchführt.“
Hinweis: Auch wenn der Guardian aktuell berichtet, sind Reeves Ausführungen und Interpretation der Wandbemalung nicht ganz neu. Tatsächlich legte der Archäologie diese bereits 2019 in einem umfassenden Artikel 2019 via „Academia.edu“ vor. Eine ausführliche deutschsprachige Zusammenfassung dieser Artikel finden Sie auf den Seiten von „Selket’s Ägypten“ HIER und HIER
Die aufgefrischte Nachricht über Reeves neue Entdeckungen im Grab des Tutanchamun kommt – vermutlich nicht ganz von ungefähr – wenige Tage nachdem auch der bekannte Archäologe und ehemalige ägyptische Altertumsverwalter Zahi Hawass öffentlich erklärt hatte, dass er zuversichtlich sei, dass er schon im kommenden Oktober anhand von DNA-Analysen zweier im Grab KV21 im Tal der Könige entdeckter Frauenmumien, diese eindeutig als Tutanchamuns Frau Anchesenamun und ihrer Mutter Nofretete identifizieren werde. Während diese Ergebnisse bislang noch ausstehen, ist Hawass weiterhin um die Rückgabe der weltberühmten Büste der Nofretete bemüht, die im Neuen Museum in Berlin ausgestellt ist und von der Hawass behauptet, dass es sich um Raubkunst handelt.
Hintergrund
Die bisherige Suche nach weiteren Kammern hinter den Wänden der Grabkammeranlage des Tutanchamun (KV62) im Tal der Könige ist eine Geschichte zahlreicher kontroverser Theorien und Untersuchungsergebnisse. Als einziges deutschsprachiges Nachrichtenportal berichtet Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) seither fortwährend aktuell über die neusten Entwicklungen:– Alles Begann 2015, als der Ägyptologe Nicolas Reeves seine Entdeckung einer Anzahl rechtwinklig verlaufender Risse und Unregelmäßigkeiten im kunstvoll bemalten Verputz einer Wand der Grabkammer des Kindkönigs bekannt gab. Diese wurden erst durch neue Scans der Grabkammer im Jahr 2014 sichtbar. Hinter diesen nördlichen Wandelementen vermutet Reeves seither einen oder mehrere geheime Gänge, die zu weiteren Kammern führen. Schon Howard Carter hatte seiner Zeit einen “Stauraum” für alle Arten von Kannen, Truhen und Kisten entdeckt.
Reeves selbst verfolgt schon seit Jahren seine Theorie davon, dass es sich bei dem Grab des Tutanchamun in Wirklichkeit nur um einen Teil einer größeren Anlage handelt, die ursprünglich Tutanchamuns Stiefmutter, der nicht minder sagenumwobenen Nofretete gehören soll.
– Zunächst hieß es dann im November 2015, dass erste Infrarot- und Radar-Scans auf eine verborgene Kammer deuten würden (…GreWi berichtete 1, 2).
– Im Februar 2016 ließ sich der damalige ägyptische Tourismus-Minister Hisham Zaazou zu der Aussage hinreißen, dass die bisherigen Untersuchungsergebnisse auf einen „Raum voller Schätze“ hindeuten würden (…GreWi berichtete).
– In den folgenden Wochen bestätigten dann neue Scans japanischer Wissenschaftler verborgenen Kammern hinter den Wänden des Tut-Grabes (…GreWi berichtete 1, 2)
– Forderungen nach einer Anbohrung der reich verzierten Wände in der Grabkammer, um so Sonden einen Zugang zu den angeblich entdeckten verborgenen Kammern zu ermöglichen, widersprachen Wissenschaftler vor Ort jedoch zunächst und forderten weitere Untersuchungen (…GreWi berichtete).
– Im Juni 2017 wurden dann neue Scans unter der Leitung von auf Francesco Procelli vom Politecnico di Torino angekündigt, mit denen die Kontroverse um die Existenz der gesuchten Kammern endgültig geklärt werden solle (…GreWi berichtete).
– Im Juni 2018 erklärte das Team um Porcelli dann, dass man keine Bestätigung für Kammern hinter dem Grab des Tutanchamun gefunden werden konnten (…GreWi berichtete) – um dann im Frühjahr 2019 doch noch von doch „Anomalien in der Nähe des Grabes von Tutanchamun“ zu berichten (…GreWi berichtete).
Für seine Schlussfolgerung sieht Reeves auch eine Bestätigung in der Darstellung der Gesichtsprofile und Körpermerkmale, die nun sehr viel besser zu jenen Personen im Umfeld der Grablegung der Nofretete als zu jener des Tutanchamuns passen. „Wir sehen hier die klassischen Gesichtsmerkmale des jungen Tutanchamun, während die Mumie selbst die Merkmale der Nofretete aufweist.“
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Laut Reeves führte der unerwartete Tod des Tutanchamuns im Alter von gerade einmal 19 Jahren dazu, dass auf die Schnelle kein passendes Grab für den Kindkönig zur Verfügung stand und dieser dann in den behelfsmäßig freigeräumten vorderen Kammern der Grabanlage seiner Stiefmutter und Vorgängerin Nofretete beigesetzt sowie die Wandbemalungen angepasst wurden. In diesem Fall wäre das bekannte Grab des Tutanchamun nur ein Teil einer noch größeren Grabkammeranlage, in der sich dann vermutlich die sagenumwobenen Nofretete befände.
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Recherchequellen: TheGuardian, academia.edu, eigene Recherchen grenzwissenschaft-aktuell.de
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