Archäologen finden seltenen Beleg für Kreuzigung
Gekreuzigte Sklaven (Gemälde von Fjodor Andrejewitsch Bronnikow)
Copyright: Gemeinfrei
Gavello (Italien) – Bei Ausgrabungen einer altrömischen Begräbnisstätte in Norditalien haben Archäologen einen seltenen Beleg für Kreuzigungen vor rund 2.000 Jahren gefunden. Obwohl die grausame Folter- und Hinrichtungsmethode vielfach historisch ind er Antike belegt ist, handelt es sich erst um den zweiten archäologischen Fund dieser Art.
Wie das interdisziplinäre Team um Emanuela Gualdi von der Università di Ferrara aktuell im Fachjournal „Archaeological and Anthropological Sciences“ (DOI: 10.1007/s12520-018-0631-9) berichtet, handelt es sich um eine Wunde, ein Loch im Fußknochen eines rund 2.000 Jahre alten Skeletts, das bereits 2007 nahe Gavello in einem Einzelgrab entdeckt wurde.
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Das 9 Millimeter durchmessende Loch durchdringt demnach den gesamten Knochen auf einer Länge von 24 Millimetern.
Zeigt dieses, nahe Gavello gefundene Skelett, Spuren einer Kreuzigung?
Copyright/Quelle: E. Gualdi et al. / Archaeological and Anthropological Sciences (Springer 2018)
Trotz der exzessiven Anwendung der Kreuzigung im Römischen Reich sei es aufgrund der Wunden, die diese Methode an Knochen hinterlässt meist schwierig, sie heute noch zu erkennen. Aufgrund des Lochverlaufs schlussfolgern die Forscher, dass der Fersenknochen auf einer festen Oberfläche aufliegend mit einem Nagel durchstoßen wurde, noch bevor das Opfer verstarb.
Der bislang einzige eindeutige archäologische Beweis für eine Kreuzigung wurde 1968 bei Ausgrabungen in Jerusalem in Form eines von einem Nagel durchstoßenen Fersenknochens (s. Abb. r., Copyright: Courtesy of the Israel Museum.)
Während die Praxis der Kreuzigung weitläufig den Römern zugeschrieben wird, versuchte schon 1985 ein Fachartikel in der „Biblical Archaeology Review“ dieses Vorurteil archäologisch und historisch zu wiederlegen und verwies darauf, dass schon die Assyrer, Phönizier und Perser ihre zum Tode Verurteilten seit dem ersten Jahrtausend v. Chr. kreuzigten.
Laut der italienischen Magazin „Estense“ schreiben die Archäologen den „neue“ Fund einem 30-34-jährigen Mann zu und gestehen selbst ein, dass die Interpretation als Beleg für eine Kreuzigung aufgrund des schlechten Erhaltungszustandes des Knochens nicht ganz eindeutig sei. Auch sei eine Datierung der Knochen mittels C14 nicht möglich, weshalb der Fund anhand des Fundkontextes in die römische Zeit datiert wurde.
Aufgrund der Tatsache, dass der Verstorbene von gedrungener Gestalt offenbar ohne jegliche Grabbeigaben in ungewöhnlicher Position begraben wurde und zudem besagte Hinweise auf Folter aufweist, vermuten die Forscher, dass es sich wahrscheinlich um einen nicht-römischen Bürger, vermutlich um einen Ausgestoßenen, Gefangenen oder Sklaven handelte. Auch die von den anderen Gräbern abgelegene Ort des Einzelgrabes deute auf eine starke Außenseiter-Position des Bestatteten hin – und das nicht nur zu Lebzeiten, sondern auch im Tod.
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