Lugnano in Teverina (Italien) – Bei Ausgrabungen einer antik-römischen Villa nahe Lugnano in Teverina in der italienischen Region Umbrien haben Archäologen schon Ende der 1980er Jahre einen spätrömischen Kleinkindfriedhof freigelegt. Jetzt haben die Forscher hier das Skelett eines Kindes entdeckt, das wohl in dem fragwürdigen Ruf stand, ein Vampir bzw. Wiedergänger zu sein. Zumindest wurden bei seiner Beisetzung spezielle Maßnahmen getroffen, um die Wiederkehr des Toten zu verhindern.
Wie das Team um Professor David Soren von University of Arizona und David Pickel von der Stanford University gemeinsam mit italienischen Kollegen berichten, handelt es sich bei der 1987 entdeckten „Necropoli dei Bambini“ um einen Friedhof für Kleinkinder, die hier Mitte des fünften Jahrhunderts in Folge einer viele Opfer fordernden Malariaepidemie in den Resten einer römischen Villa beigesetzt worden waren.
Eines der jetzt freigelegten Kinder-Skelette sticht dabei aus der Vielzahl der hier beigesetzten bis zu dreijährigen Kinder heraus: Es ist das Skelett eines 10-jährigen Kindes, in dessen Mund – vermutlich als Teil des Beerdigungsrituals – ein großer Stein gesteckt wurde.
Das Vorgehen ist als „Vampirbestattung“ bereits bekannt und sollte wohl die so Beigesetzten daran hindern, als Untoter die Lebenden heim zu suchen oder diese gar mit jenen Krankheiten anzustecken, an denen sie selbst einst gestorben waren. Von dem Vorgehen erhofften sich die Überlebenden wohl auch grundsätzlich, Epidemien eindämmen zu können.
„Ich selbst habe so etwas noch nie gesehen. Das ist extrem selten und zugegeben wirklich bizarr“, so Soren. „Vor Ort sprechen die Leute denn auch schon vom ‚Vampir von Lugnano‘“.
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Bislang hatten die Archäologen geglaubt, dass der Friedhof Kleinkindern vorbehalten gewesen sei. Tatschlich handelt es sich bei den meisten bisherigen über 50 Funden um die Skelette von Föten oder Kleinkindern.
Die Entdeckung des 10-jährigen Kindes, dessen Alter anhand seiner Zahnentwicklung bestimmt werden konnte, dessen Geschlecht bislang aber noch unklar ist, legt nun aber nahe, dass der Friedhof auch zur Beisetzung älterer Kinder genutzt wurde. Tatsächlich gibt es immer noch unberührte Teile des Kinderfriedhofs, in denen die Archäologen nun auf weitere Funde hoffen.
„Der Fund des vermeintlichen Vampirs kann uns einiges über die verheerenden Malariaepidemie vor rund 1.500 Jahren Umbrien heimgesucht hatte, erzählen“, erläutert Pickel und führt dazu weiter aus: „An dem Skelett und der Art seiner Beisetzung lässt sich die Reaktion der Gesellschaft auf die Epidemie und ihren Umgang damit ablesen.“ Allerdings stelle der Fund bislang auch eine „gewisse Anomalie“ im Umfeld der sonstigen Gräber des Kinderfriedhofs dar.
Tatsächlich hatten die Archäologen aber schon zuvor in anderen Kindergräbern Hinweise auf den Glauben an magische Praktiken und Hexenkunst in Form von Rabenkrallen, Schildkrötenknochen, mit Asche gefüllte kleine Bronzekessel und die Überreste von jungen Hunden gefunden, die offenbar während der Beisetzung geopfert worden waren. Zusätzlich waren Hände und Füße eines dreijährigen Mädchen mit Steinen beschwert – eine vergleichsweise weit verbreitete Praktik, die die Toten am Wiedergang hindern sollte.
„Von den Römern wissen wir, wie sehr sie sich vor wiederkehrenden Toten fürchteten und das sie Zauber- und Hexenkunst dazu nutzen, das Böse – oder was immer auch vermeintlich in den Körpern der Verstorbenen steckte – im Grab zu bannen“, so Soren.
Im Falle der hier beerdigten Kinder, war dieses „Böse“ wahrscheinlich die Malaria und obwohl eine genaue DNA-Analyse noch aussteht, spricht auch ein Zahnabszess des „Kindervampirs“ für einen Malariainfekt und legt damit nahe, dass auch dieses Kind der Epidemie zum Opfer gefallen waren.
Die weit geöffnete Position des Mundes sowie den darin befindlichen Stein halten die Forscher zum einen deshalb nicht zur einen Zufall, da sich der Mund eines Toten während des Verwesungsprozesses für gewöhnlich nicht auf natürliche Weise derart weitet. Zum anderen finden sich auch auf dem Stein Spuren der Zähne des Kindes, was ebenfalls dafür spreche, dass der Stein absichtlich in der Mundhöhle platziert wurde.
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