Auch Lichtverschmutzung trägt zum Insektenschwund bei
Insekten umschwirren eine Versuchslampe.
Copyright: Franz Hölker/IGB
Berlin (Deutschland) – Die zunehmende Lichtverschmutzung durch nächtliche Beleuchtung ist nicht nur Romantikern und Astronomen ein Dorn im Auge – in Form von nächtlicher Uferbeleuchtung entlang von Flüssen und Seen verändert sie auch zunehmend die Uferökologie und könnte damit zum kürzlich aufgezeigten dramatischen Insektenschwund beitragen.
Wie Wissenschaftler um Alessandro Manfrin vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) aktuell im Fachjournal „Frontiers in Environmental Science“ (DOI: 10.3389/fenvs.2017.00061) berichten, beeinflusst die künstliche Beleuchtung in der Nähe von Gewässern die Zahl und Gemeinschaften von Insekten und Spinnen stark. „Wie ein Staubsauger entziehen sie den benachbarten Ökosystemen fliegende Insekten. Profiteure sind räuberische Insekten und Spinnen, für die die vielen desorientierten Wasserinsekten ein Festmahl sind.“
Wie die Forscher berichten, nehme die Erhellung der Nacht durch künstliches Licht um jährlich etwa sechs Prozent zu. „Wir Menschen machen die Nacht zum Tag und sind uns gar nicht bewusst, dass dies eine der größten globalen Umweltveränderungen darstellt. Die meisten Lebewesen haben sich an einen Hell-Dunkel-Rhythmus angepasst. Es liegt also nahe, dass eine künstlich erhellte Nacht einen maßgeblichen Einfluss auf das Vorkommen und Verhalten von Tieren hat. Insbesondere entlang von Gewässern, die die Heimat von vielen lichtempfindlichen Insekten sind“, erklärt Alessandro Manfrin, Wissenschaftler am IGB.
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Nachdem erst kürzlich Wissenschaftler berichtet hatten, dass die Zahl der Fluginsekten in Teilen Deutschlands um mehr als 75 Prozent zurückgegangen ist (…GreWi berichtete), sehen die IGB-Wissenschaftler einen Grund hierfür in der zunehmenden Lichtverschmutzung: „In jeder Sommernacht werden schätzungsweise eine Milliarde Insekten von Deutschlands Lampen irritiert – für viele endet das tödlich.“
Dieses Phänomen haben Manfrin und sein Team im Naturpark Westhavelland fernab von stark beleuchteten Städten genauer untersucht. Auf gewässernahen Versuchsfeldern haben sie die Auswirkungen von Straßenleuchten auf das Vorkommen, die Häufigkeit und das Verhalten von Insekten und Spinnen gemessen. Ein Versuchsfeld blieb als Referenzfeld dunkel, während auf dem anderen Versuchsfeld jeden Abend die Straßenlaternen leuchteten.
„Auf dem erleuchteten Versuchsfeld verließen deutlich mehr Insekten das Wasser, als auf dem unbeleuchteten Versuchsfeld. Und auch das Verhalten der Spinnen und Insekten an Land veränderte sich. An den hellen Lampen sammelten sich die fliegenden Insekten, insbesondere Wasserinsekten, sodass hier mehr Spinnen und Raubinsekten auf Jagd gingen. Die sonst nachtaktiven Tiere verlängerten ihre Insektenjagd bis in den Tag hinein – vermutlich um von der Vielzahl erschöpfter oder toter Insekten im Bereich der Lampen zu profitieren. Die Anzahl räuberischer nachtaktiver Laufkäfer war auf dem beleuchteten Versuchsfeld hingegen stark reduziert.“
Für die Wissenschaftler zeigt die Studie, dass und wie künstliches Licht Lebensräume für Insekten und deren Räuber über Ökosystemgrenzen hinweg – Wasser und Land – verändert. „Wenn wir neue Beleuchtungskonzepte entwickeln, müssen wir den möglichen Einfluss auf benachbarte Ökosysteme immer im Hinterkopf behalten.“
Das gelte für Stadt- und Landschaftsplaner, Beleuchtungsingenieure und in die Planungen einbezogene Ökologen gleichermaßen“, bilanziert Franz Hölker, Leiter der Arbeitsgruppe Lichtverschmutzung und Ökophysiologie am IGB.
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