Außerirdische Einschläge könnten irdische Plattentektonik ausgelöst haben
Sydney (Australien) – Wann es zur Verwandlung der Erde von einem urzeitlich brodelnden Höllenplaneten hin zu einem sich durch Plattentektonik stets erneuernden Felsplaneten kam, ist weiterhin eine der ebenso großen wie unbeantworteten Fragen der Geologie und Planetenwissenschaft. Eine aktuelle Studie legt nun aber zumindest nahe, dass diese Umwandlung auch durch Einschläge mittelgroßer Körper vor rund 3,5 Milliarden Jahren in Gang gesetzt wurde.
Wie das Team zum Craig O’Neill vom Planetary Research Centre an der Macquarie University aktuell im Fachjournal “Geology” (DOI: 10.1130/G46533.1) berichtet, liegt ein Hauptproblem beim Verständnis der einstigen Vorgänge darin, dass Geologen bislang hauptsächlich von unserer Erde als geschlossenem System ausgegangen waren, in dem nur innere Prozesse eine Rolle spielten und spielen. „Wir sehen aber zunehmend, dass die Dynamik des gesamten Sonnensystems eine Auswirkung auf das Verhalten unseres Planeten haben kann.“
Anhand von Computersimulationen und Vergleichen mit Untersuchungen von Einschlägen auf dem Mond zeigt die aktuelle Studie zunächst auf, wie nach der Zusammenballung der Erde vor rund 4,6 Milliarden Jahren, die Erde auch weitere hundert von Millionen Jahren von im wahrsten Sinne des Wortes „erderschütternden“ Einschlägen getroffen wurde.
Anhand von in Südafrika, Kanada und Australien gefundenen geologischen Einschlüssen (s. Abb.), gehen Wissenschaftler davon aus, dass die Erde vor rund 3,2 Milliarden Jahren einem intensiven kosmischen Bombardement ausgesetzt war. Zur gleichen Zeit finden sich auch heute noch die ersten geologischen Hinweise auf Plattentektonik
Hintergrund
Neben flüssigem Wasser (bestenfalls an oder zumindest nahe der Planetenoberfläche) gilt vielen Astrobiologen auch die Plattentektonik als eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Entstehung von Leben auf einem Planeten. Der Grund hierfür ist u.a. vulkanische Aktivität entlang der Plattengrenzen, durch die Gase aus dem Planeteninneren in dessen Atmosphäre gelangen. Hier trägt etwa das Treibhausgas Kohlendioxid (CO2) zu einer Erwärmung von Gesteinsplaneten bei. Durch Verwitterungsprozesse wird das so in die Atmosphäre gegebene CO2 auch wieder auf die Erdoberfläche gezogen, wo es in das Oberflächengestein eindringen kann und hier eine Zutat des Lebens bildet. Auch der Prozess der Subduktion, wenn eine Platte sich unter eine andere in den Planetenmantel schiebt, trägt zum Kohlenstoffkreislauf eines Planeten bei. Während Plattentektonik von der Erde und ihren Kontinenten bzw. Kontinentalplatten hinreichend bekannt ist, gibt es aber auch Planeten, deren Planetenkruste eben nicht aus verschiedenen Platten, sondern nur einer globalen Platte besteht. Die Frage, ob Plattentektonik tatsächlich eine Grundvoraussetzung für Leben auf einem Planeten ist, wird allerdings weiterhin kontrovers diskutiert (…GreWi berichtete).
Gemeinsam mit Simone Marchi, William Bottke und Roger Fu hat O’Neill nun untersucht, ob diese beiden Ereignisse miteinander in Verbindung stehen. „Simulationen haben gezeigt, dass Einschläge mit einer Größe von mehr als 300 Kilometern signifikante thermale Anomalien im Erdmantel erzeugen können, wie sie den Auftrieb des Mantels genug verändert haben könnten, um zu einer Aufwallung geführt zu haben, die dann unmittelbar für die Plattentektonik verantwortlich waren.“
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Allerdings lassen sich aus den geologischen Aufzeichnungen aus der Zeit des Archaikums, der sogenannten Erdurzeit, von vor 4 bis 2,5 Milliarden Jahren nur spärliche Beweise für Einschläge von Objekten nachweisen, die meist kleiner waren als 100 Kilometer.
Um nun also zu untersuchen, ob auch diese Einschläge stark und zahlreiche genug gewesen sein könnten, um die globale Plattentektonik auslösen zu können, haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bereits existierende Methoden genutzt, um anhand geophysikalischer Simulationen den Einfluss von kleineren Einschlägen auf den Erdmantel zu untersuchen.
Die Ergebnisse legen nahe, dass während des mittleren Archaikums auch weniger als 100 Kilometer große Einschläge in der Lage waren, die zuvor starre äußere Schicht der Erde zu schwächen und auf diese Weise tektonische Prozesse in Gang zu bringen.
„Gerade während des mittleren Archaikums war der Planet vermutlich bereits ausreichend abgekühlt, um den Mantel an einigen Stellen genügend zu verdicken und an anderen auszudünnen“, berichten O’Neill und Kollegen. „Unsere Modelle zeigen nun, dass ein Einschlag in einer Region mit derartigen Unterschieden Schwachstellen in einem System erzeugen konnte, das schon zur damaligen Zeit starke Schwankungen im Auftriebsverhalten aufzeigte und auf diese Weise die heutigen tektonischen Prozesse in Gang gebracht haben könnte.“
Die Forscher sind zuversichtlich, auf diese Weise eine Verbindung zwischen der Einschlagsgeschichte und tektonischer Reaktion genau zu jener Zeit aufzeigen zu können, in der die Plattentektonik entstand. „Prozesse, die heute in der Regel nur noch sehr gering ausfallen – wie Einschläge deutlich kleinerer Objekte oder Vulkanismus – haben zu Urzeiten jedoch das tektonische System der Erde angetrieben“, so O’Neill abschließend. „Indem wir diese Auswirkungen untersuchen, können wir auch damit beginnen, besser zu verstehen, wie die Erde zu dem wurde, was sie heute ist.“
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