Avi Loeb: Konstruktive Sachkritik an ukrainischer UAP/UFO-Studie und nachfolgender Debatte

Beispiele der als „Phantome“ bezeichneten unidentifizierten Flugobjekte bzw. Phänomene, die in der UAP-Studie des Main Astronomical Observatory der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine beschrieben werden. Copyright: Zhilyaev, Petukhov und Reshetnyk, Arxiv.org 2022
Lesezeit: ca. 10 Minuten
Beispiele der als „Phantome“ bezeichneten unidentifizierten Flugobjekte bzw. Phänomene, die in der UAP-Studie des Main Astronomical Observatory der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine beschrieben werden. Copyright: Zhilyaev, Petukhov und Reshetnyk, Arxiv.org 2022

Beispiele der als „Phantome“ bezeichneten unidentifizierten Flugobjekte bzw. Phänomene, die in der UAP-Studie des Main Astronomical Observatory der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine beschrieben werden.
Copyright: Zhilyaev, Petukhov und Reshetnyk, Arxiv.org 2022

Cambridge (USA) – Nachdem ein Ende August 2022 im Namen des Main Astronomical Observatory der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine (MAO-NASU) veröffentlichter Artikel über die Ergebnisse einer UFO-Beobachtungskampagne weltweit für Medieninteresse gesorgt hatten, distanzierte sich vor wenigen Tagen das Observatorium öffentlich von der Methodik und den Schlussfolgerungen der Autoren. Jetzt hat der Leiter des UFO/UAP-Forschungsprojekts an der Harvard University, Prof. Avi Loeb, konstruktive Fachkritik an der Studie dargelegt und auch auf die Debatte rund um die ukrainische UFO-Studie reagiert.

Hintergrund
Zuvor hatten Wie die MAO-NASU Astronomen Boris Zhilyaev, Vladymyr Petukhov und V. M. Reshetnyk vorab via ArXiv.org berichtet, Tageslicht-Farbvideokameras zweier Meteor-Beobachtungsstationen, zum einen in Kiew und zum anderen im 120 Kilometer südlich der ukrainischen Hauptstadt gelegenen Dorf Vinarivka auch für UAP-Beobachtungen genutzt zu haben und wollen dafür „eine besondere Beobachtungstechnologie entwickelt“ haben, „um UAP-Eigenschaften zu detektieren und zu bewerten“, so das Forscher-Trio (…GreWi berichtete als erstes deutschsprachiges Nachrichtenportal).

Basierend auf den so gewonnen Daten, so erklärten die Astronomen weiter, seien zwei Arten von UFOs bzw. UAP entdeckt zu haben und bezeichneten diese zum einen als „Cosmics“ und zum anderen als „Phantoms“. Hierzu führen sie weiter aus: „Als ‚Cosmics‘ bezeichnen wir leuchtende Objekte, die heller sind als der Himmel im Hintergrund. Als ‚Phantoms‘ (Phantome) bezeichnen wir hingegen dunkle Objekte, die sich bis zu 50 Prozent vom Hintergrund absetzten.“ Die Behauptung der drei Autoren „Wir sehen (diese Objekte) überall und wir beobachten dabei eine bedeutende Anzahl von Objekten, deren Natur nicht eindeutig ist“, sorgte rund einen Monat später für weltweites Medieninteresse.

Vergangene Woche sah sich das MAO-NASU dann zu einer öffentlichen Erklärung genötigt, in der man sich von der Methodik und den Schlussfolgerungen der drei Astronomen mit klaren Worten distanziert und diese scharf kritisiert hatte (…GreWi berichtete).

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Im Folgenden lesen Sie zunächst die deutschsprachige Übersetzung eines Artikels von Prof. Avi Loeb, in dem er seine, unabhängig vom ukrainischen Observatorium erlangte Fachkritik an der Studie von Zhilyaev, Petukhov und Reshetnyk erläutert, die er in einem Fachartikel (ebenfalls via ArXiv.org) veröffentlicht hatte. Sein Übersichtsartikel erschien erstmals am 4. Oktober 2022 unter dem Titel „Down To Earth” Limits on Unidentified Aerial Phenomena in Ukraine” auf “Medium.com”. Der Text wurde – mit freundlicher Genehmigung des Autors (A. Loeb) durch www.GrenzWissenschaft-Aktuell.de (GreWi) ins Deutsche übersetzt. Die vom Autor darin geäußerten Ansichten sind seine eigenen.

Bodenständige Grenzwerte für unidentifizierte Luftphänomene in der Ukraine
von Avi Loeb

Ein Bild von „Phantom“-Objekten über der Ukraine Copyright: Zhilyaev, Petukhov & Reshetnyk 2022

Ein Bild von „Phantom“-Objekten über der Ukraine
Copyright: Zhilyaev, Petukhov & Reshetnyk 2022

In den letzten Wochen wurde ich mit einem Dutzend Anfragen bombardiert, doch bitte einen neuen Artikel von Astronomen über unidentifizierte Phänomene im Luftraum (UAP) in der Ukraine zu lesen. Meine Antwort auf all diese Anfragen war stets dieselbe: „Ich bin mir nicht sicher, was ich von dem Bericht halten soll. Die Ukraine befindet sich in einem militärischen Konflikt mit vielen von Menschen verursachten Aktivitäten am Himmel. Dies muss für jede Suche nach Objekten, die nicht von Menschenhand geschaffen wurden, viel Störungsrauschen verursachen. In der Wissenschaft streben wir aber danach, das Verhältnis zwischen tatsächlichem Signal und Rauschen zu maximieren. Von daher wäre die Ukraine derzeit der letzte Ort auf der Erde, an dem ich UAP-Studien initiieren würde.“

Aber gestern Abend erhielt ich eine besondere Anfrage von einem hochrangigen Beamten der US-Regierung, um meine Gedanken zu beobachtbaren Signaturen von UAP zusammenzufassen, und so habe ich heute Morgen auch den UAP-Bericht aus der Ukraine geprüft und einige Stunden später einen Fachartikel (ArXiv.org) darüber geschrieben.

Der ukrainische Artikel berichtet von zwei Arten von Objekten: leuchtende und dunkle. Die dunklen Objekte ohne sichtbare Emission wurden als „Phantome“ bezeichnet. Sie zeichneten sich durch eine Größe von 3–12 Metern und Geschwindigkeiten von bis zu 15 Kilometern pro Sekunde in einer Entfernung von bis zu 10–12 Kilometern aus.

Sollten solche Objekte real sein, so übersteigen sie die Fähigkeiten von menschengemachten Flugzeugen oder Raketen. Mir wurde schnell klar, dass die Entfernung dieser dunklen Objekte fälschlicherweise um eine Größenordnung überschätzt worden sein muss, sonst hätte ihre Bogenstoß-Schockwelle in der Erdatmosphäre einen hellen Feuerball mit einer gut erkennbaren optischen Leuchtkraft erzeugt.

Das Interesse an UAP rührt von ihrem möglichen nichtmenschlichen Ursprung her. Außerirdische Ausrüstung könnte in zwei Formen auf der Erde ankommen: Weltraumschrott, ähnlich wie unsere eigenen interstellaren Sonden (Voyager 1 & 2, Pioneer 10 & 11 und New Horizons) in einer Milliarde Jahren erscheinen werden, oder funktionale Ausrüstung, wie beispielsweise autonome Geräte, die vielleicht mit künstlicher Intelligenz (KI) ausgestattet sind. Letzteres wäre eine ideale Wahl, um die Zehntausende von Lichtjahren zu überqueren, die sich über die Größe der Milchstraße erstrecken, und so zugleich auch die ursprünglichen Absender, die vermutlich schon lange nicht mehr selbst kommunizieren können, zu überdauern.

Es ist wahrscheinlich, dass keine in die Erdatmosphäre eingebetteten funktionellen Geräte biologische Einheiten tragen, da diese die lange Reise durch den interstellaren Raum und seine lebensfeindlichen Bedingungen, einschließlich des Bombardements durch energiereiche kosmische Strahlen, Röntgenstrahlen und Gammastrahlen, nicht überleben würden. Interstellare Gas- und Staubpartikel hinterlassen eine kinetische Energie pro Masseneinheit, die die Leistung chemischer Treibstoffe bei einer Geschwindigkeit von mehreren zehn Kilometern pro Sekunde übersteigt, die für Raketen typisch ist. Technologische Geräte mit KI könnten jedoch abgeschirmt werden, um den Gefahren des Weltraums standzuhalten, sich selbst mechanisch zu reparieren oder sich angesichts der Ressourcen eines bewohnbaren Planeten wie der Erde sogar selbstständig zu reproduzieren. Mit maschinellen Lernfähigkeiten könnten sie sich an neue Umstände anpassen und die Ziele ihrer Absender verfolgen, ohne dass externe Anleitung erforderlich ist.

Wie John von Neumann schon 1939 argumentierte, könnte die Anzahl solcher Geräte mit der Zeit exponentiell zunehmen, wenn sie sich selbst replizieren – eine Qualität, die durch 3D-Druck und KI-Technologien ermöglicht werden könnte. Physische Artefakte könnten auch Botschaften enthalten, wie es sich Ronald Bracewell 1960 vorstellte.

Im Prinzip könnten die schnellsten solcher Geräte von Lichtsegeln gestartet werden, die von starken Lichtstrahlen auf Lichtgeschwindigkeit angetrieben werden. Natürliche Prozesse wie Sternexplosionen oder Gravitationsschleudern in der Nähe von Schwarzen-Loch-Paaren könnten Objekte mit ähnlichen Geschwindigkeiten starten. Es wäre jedoch für relativistische Nutzlasten schwierig, unter die Fluchtgeschwindigkeit der Erde zu verlangsamen, die um 4,5 Größenordnungen kleiner als die Lichtgeschwindigkeit ist, ohne ungefähr die gleichen Einrichtungen zu haben, die ihre hohen Anfangsgeschwindigkeiten erzeugten.

Eine viel eher geeignete Antriebstechnik, die bei allen Weltraummissionen von der Erde aus eingesetzt wurde, sind chemische Raketen. Da Raketen ihren Treibstoff mit sich führen, können sie zu einem gewünschten Planeten navigieren und in seiner Nähe langsamer werden.

Das Problem der Raketengleichung ist es nun aber, dass sie erfordert, dass die Treibstoffmasse mit zunehmender Endgeschwindigkeit exponentiell zunehmen muss. Das wiederum erklärt, warum alle von Menschen hergestellten Raumfahrzeuge eine Geschwindigkeitsbegrenzung von mehreren zehn Kilometern pro Sekunde erreichen, 4 Größenordnungen unter der Lichtgeschwindigkeit. Interessanterweise ist diese Geschwindigkeit vergleichbar mit der Fluchtgeschwindigkeit aus der Umlaufbahn der Erde um die Sonne, 42 Kilometer pro Sekunde, was es der Menschheit ermöglicht, Sonden in den interstellaren Raum zu starten, indem sie sich die Bewegung der Erde um die Sonne mit 30 Kilometern pro Sekunde zunutze macht. Ein solcher chemischer Antrieb reicht aber möglicherweise nicht aus, damit Sonden aus der habitablen Zone eines Zwergsterns, wie dem nächstengelegenen Stern Proxima Centauri, entkommen können.

Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der chemische Antrieb ein Entkommen aus der bewohnbaren Zone sonnenähnlicher Sterne und eine Verlangsamung in der Nähe eines Ziels ermöglicht. Der ukrainische Bericht schlägt Objekte mit vergleichbaren Geschwindigkeiten von bis zu 15 Kilometern pro Sekunde vor.

Geräte, die auftanken müssen, würden wohl einen bewohnbaren Planeten bevorzugen, auf dem flüssiges Wasser oder brennbarer organischer Treibstoff verfügbar sind. Planeten können aus der Entfernung identifiziert werden, während sie ihren Stern durchqueren, oder durch direkte Bildgebung. Sobald ein erdähnlicher Planet anvisiert wird, kann ein interstellares Gerät in seine Atmosphäre eintauchen. Im Prinzip kann eine Vielzahl winziger Geräte von einem Mutterschiff, das in der Nähe der Erde vorbeifliegt, freigesetzt werden.

Bei einer Endgeschwindigkeit von 30 Kilometern pro Sekunde würde eine Sonde innerhalb von einer halben Milliarde Jahren die doppelte Entfernung der Sonne vom Zentrum der Milchstraße zurücklegen. Der Anteil aller sonnenähnlichen Sterne, die erdähnliche Planeten in ihrer habitablen Zone beherbergen, liegt im Bereich von 3–100 %. Dies impliziert, dass selbstreplizierende Sonden in weniger als einer Milliarde Jahren zehn Milliarden bewohnbare Planeten um sonnenähnliche Sterne erreichen könnten. Da die meisten Sterne mehr als eine Milliarde Jahre vor der Sonne entstanden sind, ist es möglich, dass andere technologische Zivilisationen unserer um die Zeit vorausgingen, die ihre Geräte benötigten, um die Erde zu erreichen.

Meine Arbeit weist darauf hin, dass jede Überschallbewegung solcher Geräte durch die Erdatmosphäre unweigerlich mit einer optischen Emission einhergehen würde. Ich habe gezeigt, dass ein Objekt mit einer frontalen Querschnittsfläche von 10 Quadratmetern, das sich mit einer Überschallgeschwindigkeit von 10 Kilometern pro Sekunde bewegt, in der Erdatmosphäre einen Bogenstoß erzeugen muss und auf einer Höhe von etwas 10 Kilometern einer mechanische Kraft von 1,5 Terra-Watt begegnet. Daten zu Meteoren legen nahe, dass etwa ein Zehntel der kinetischen Energie im optischen Bereich abgestrahlt wird, was impliziert, dass die berichteten Eigenschaften der Phantom-Objekte über der Ukraine zu einem Feuerball mit einer sichtbaren Leuchtkraft von über 150 Gigawatt führen würden. Bei einer Weglänge von 10 Kilometern würde die Emission mindestens eine Sekunde dauern und wäre somit nicht zu übersehen.

Ich kam zu dem Schluss, dass die gemeldeten Geschwindigkeiten und Größen der „Phantom“-Objekte Feuerbälle mit nachweisbarer optischer Leuchtkraft innerhalb der vorgeschlagenen Entfernungen erzeugt hätten und diese Objekte daher nicht dunkel erschienen sein könnten. Wenn die Phantom-Objekte jedoch zehnmal näher gewesen wären als angenommen, dann entspräche ihre Winkelbewegung am Himmel einer zehnmal geringeren physikalischen Geschwindigkeit von 1,5 Kilometern pro Sekunde, und ihre abgeleitete Quergröße wäre 0,3–1,2 Meter, beides charakteristisch für Granaten. Die abgeleitete Leuchtkraft des Feuerballs skaliert mit der Entfernung bis zur 5. Potenz und wird auf ein bescheidenes Niveau von einigen Megawatt reduziert, wenn die Entfernung um den Faktor zehn kürzer ist als von den ukrainischen Astronomen vorgeschlagen. Wenn die Artilleriegranaten einen Frontdurchmesser von nur 10 Zentimetern haben, beträgt die abgeleitete Leuchtkraft des Feuerballs lediglich 10 Kilowatt, was in einem Kilometer Entfernung extrem schwach erscheinen würde wie eine 100-Watt-Glühbirne in 100 Metern Entfernung.

Die ukrainischen Astronomen identifizierten auch ein leuchtendes und variables Objekt in einer Höhe von 1.170 Kilometern, das durch Beobachtungen an zwei Orten über der Ukraine entdeckt wurde. Dieses Objekt war wahrscheinlich ein Satellit.

Insgesamt können also durchaus „bodenständige“ Erklärungen für die gemeldete UAP über der Ukraine verantwortlich sein.

Ich möchte aber dennoch einen Gruß an meine Kollegen in der Ukraine richten und mit einem Zitat von Oscar Wilde enden: „Wir liegen alle in der Gosse, aber einige von uns blicken zu den Sternen.“

…Ende der Übersetzung

Prof. Dr. Avi Loeb ist Leiter des „Galileo-Projekts“ in Harvard, einer systematischen wissenschaftlichen Suche nach Beweisen für außerirdische technologische Artefakte. Loeb ist Gründungsdirektor von Harvards Black Hole Initiative, Direktor des Institute for Theory and Computation am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics und Vorsitzender des Beirats des Breakthrough Starshot-Projekts. Er ist Autor des Buches „Außerirdisch: Intelligentes Leben jenseits unseres Planeten“

Wie zu erwarteten, sorgten auch Loebs Kommentare und Artikel zur ukrainischen UAP-Studie für kontroverse Debatten Loeb selbst sah sich nun der Kritik sowohl durch die ukrainischen Forscher, als auch internationaler Skeptiker und UFO-Debunker ausgesetzt. Auch auf diese reagierte Loeb in Form eines Artikels, der ebenfalls noch am 6. Oktober auf Medium.com unter dem Titel „Open Science and Unidentified Aerial Phenomena“ veröffentlichte. Auch diesen Artikel hat grenzwissenschaft-aktuell.de (GreWi) mit freundlicher Genehmigung des Autors im Folgenden unkommentiert in Deutsche übersetzt.

Offene Wissenschaft und Unidentidentifizierte Phänomene im Luftraum
von Avi Loeb

Sollte die US-Regierung Beweise für einen außerirdischen technologischen Ursprung von Unidentified Aerial Phenomena (UAP/UFOs) finden, so wird wohl der Präsident als erster davon erfahren. Aber ein solches Ereignis wird nicht anders sein, als wenn der Präsident als erster erfahren hätte, dass Wasserstoff das am häufigsten vorkommende Element im Universum ist. Will sagen: Es macht wenig Sinn, dass wissenschaftliche Erkenntnisse über unsere Wirklichkeit sich an nationalen Grenzen hält. Wissenschaft sollte auf offene und transparente Weise betrieben werden, damit die gesamte Menschheit davon profitiert. Im Fall von COVID-19 wären viele Leben gerettet worden, wenn die detaillierten wissenschaftlichen Informationen über den Ausbruch im chinesischen Wuhan unmittelbar in mit der ganzen Welt geteilt worden wären.

Noch gestern habe ich ein Artikel zur quantitativen wissenschaftlichen Berechnung veröffentlicht, die impliziert, dass die dunklen Objekte, die von einem Team ukrainischer Astronomen unter der Leitung von Boris Zhilayev als „Phantome“ identifiziert wurden, wahrscheinlich Artilleriegeschosse sind (siehe oben). Die Objekte wurden von den Astronomen mit Größen von 3–12 Metern und Geschwindigkeiten von bis zu 15 Kilometern pro Sekunde in einer Entfernung von bis zu 10–12 Kilometern charakterisiert. Ich zeige, dass diese Eigenschaften aufgrund ihrer unvermeidlichen Reibung mit Luft zu riesigen Feuerbällen um die Objekte herum geführt hätten. Die Stärke solcher Feuerkugeln skaliert als die abgeleitete Entfernung zur fünften Potenz. Werden die Entfernungen um den Faktor zehn überschätzt, würden Größe und Geschwindigkeit der dunklen Objekte denen von Artilleriegeschossen entsprechen.

Der Journalist Matthew Gault von VICE schickte mir die Reaktion eines der ukrainischen Autoren, Boris Zhilayev zu. Dieser schrieb demnach: „Avi Loeb ist ein Theoretiker. Wir sind Experimentatoren. Wir beobachten, verarbeiten und bestimmen die Eigenschaften von Objekten. Unsere Veröffentlichung enthält genau solche Daten. Wir sind nicht im Deutungsgeschäft tätig. Avi Loeb versucht, unsere Daten zu interpretieren. Die Arbeit enthält eine Entdeckung. Helle und dunkle Objekte. Unsere Arbeit kann wiederholt und überprüft werden. Obwohl dies ein herausforderndes Experiment ist. Die von uns beschriebenen Eigenschaften der Objekte sind denen von US-Militärpiloten und kanadischen Zivilpiloten beobachteten Objekten sehr ähnlich.“

Zum Thema

Hieraus habe ich Matthew folgendes geantwortet: „Experimentalist oder Theoretiker zu sein, ist hier nicht relevant. Alle Wissenschaftler, ob sie Experimentatoren oder Theoretiker sind, müssen Logik anwenden. Mein Argument kann von niemandem widerlegt werden, der die Logik anwendet. Die ukrainischen Astronomen sahen die Phantom-Objekte als dunkel an. Das bedeutet, dass die Objekte das Hintergrundlicht vom Himmel blockierten. Die erforderliche elektromagnetische Wechselwirkung mit Licht impliziert, dass die Phantim-Objekte auch mit Luftmolekülen interagieren müssen. Es gibt keinen logischen Weg für die Phantom-Objekte, Licht zu blockieren, aber nicht Luftmoleküle, da der Wirkungsquerschnitt für die elektromagnetische Wechselwirkung von Luftmolekülen mit Materie größer ist als für Licht mit Materie. Wenn wir diese Prämisse akzeptieren, würden die von den Experimentatoren abgeleiteten Parameter Feuerbälle mit einer Helligkeit von mehreren Terrawatt erzeugen und so auch den Himmel erhellen. Das ist vergleichbar mit dem gesamten Stromverbrauch auf der Erde, und dies von nur einem dieser Objekte ausgehend. Aber die Experimentatoren behaupten, das Objekt sei dunkler als der Himmel. Das verstößt gegen die Logik und bedeutet, dass die Entfernungen der Phantom-Objekte um den Faktor zehn überschätzt wurden. In meinem Fachartikel zeige ich das.“

Kurze Zeit später danach erhielt ich dann eine E-Mail von dem „UAP-Debunker“ Mick West. Er argumentierte, dass die dunklen Objekte höchstwahrscheinlich Insekten sind, weil sie im Gegensatz zu Artilleriegeschossen ihre Geschwindigkeit am Himmel ändern.

Betrachten wir hierzu zum Beispiel Abbildung 13 des Artikels der ukrainischen Astronomen (s. Abb. o. u. l.). Es zeigt Schnappschüsse eines dunklen Objekts zu drei Zeiten, im Abstand von jeweils 0,02 Sekunden. Mick West argumentiert hier, dass der Abstand zwischen der oberen und der mittleren Position am Himmel größer ist als zwischen der mittleren und der unteren Position. Daher muss das Objekt im Gegensatz zu Artilleriegeschossen seine Geschwindigkeit sehr schnell ändern. Ich erklärte Mick, dass diese Daten vollständig mit einem Objekt übereinstimmen, das sich mit konstanter Geschwindigkeit bewegt: Stellen Sie sich hierzu vor, Sie filmen eine Artilleriegranate, die sich uns mit nahezu konstanter Geschwindigkeit nähert oder von uns entfernt. Der Winkel am Himmel, den das Objekt pro Zeiteinheit durchquert, ist umgekehrt proportional zur Entfernung. Bei größerer Entfernung durchläuft das Objekt einen kleinen Winkel pro Zeitdauer und bei geringerer Entfernung einen großen Winkel für die gleiche Zeitdauer. Wir sehen dieses Phänomen regelmäßig, wenn uns ein Zug von weitem entgegenkommt und sich beim Vorbeifahren viel schneller über unser Sichtfeld bewegt. Das Objekt sollte auch größer werden, wenn es sich uns nähert, aber die beobachtete Winkelgröße des dunklen Objekts in den Bildern kann durch Auflösung, atmosphärische Turbulenzen oder seine Bewegung verschwommen sein.

Es wird oft behauptet, dass man sich, wenn man zwischen zwei Fronten ins Kreuzfeuer gerät, einfach ducken sollte, damit die Kugeln lediglich die beiden Seiten treffen sollen. Grundsätzlich ist das ganz sicher eine kluge Strategie, es sei denn, die Wissenschaft selbst bietet einen kugelsicheren Schutzschild.

…Ende der Übersetzung

 

Abschließend bleibt die Frage, ob es zu den Zeiten der Ortung der „Phantom-Objekte“ und in deren Blickfeld tatsächlich zu entsprechenden Kriegshandlungen oder Übungen in der Nähe der Stationen gekommen war. Das Problem: Genau diese Informationen gehen aus dem ursprünglichen Artikel der drei ukrainischen Astronomen nicht überprüfbar hervor.

Recherchequellen: Avi Loeb, Medium.com, ArXiv.org, eigenen Recherchen grenzwissenschaft-aktuell.de

© grenzwissenschaft-aktuell.de / Avi Loeb