Beeinflusste die „Dinomanie“ die Vorstellungen und Beschreibungen See- und Meeresungeheuern?
St. Andrews (Großbritannien) – Ist heute von Seeungeheuern die Rede, so haben die meisten vermutlich einen Meeressaurier mit kleinem Kopf, langem Hals, einem ebensolchen Schwanz und Flossen vor Augen, der einen schottischen See durchschwimmt und manchmal seinen langen Hals aus dem Wasser reckt. Obwohl Geschichten über See- und Meeresungeheuer schon sehr viel älter sind, belegen zwei britische Paläontologen nun statistisch, dass unser heutiges Bild von Nessie & Co durch die „Dinomanie“, also die Faszination an Dinosauriern seit Beginn des 19. Jahrhundert geprägt wurde.
In ihrem aktuell im Fachjournal „Earth Sciences History“ (DOI: 10.17704/1944-6178-38.1.16) veröffentlichten Artikel berichten Charles Paxton von der University of St Andrews und Darren Naish von der University of Southampton von ihrer Analyse der Beschreibungen von See- und Meeresungeheuern seit dem Jahre 1800: „Während frühere Berichte hauptsächlich riesige ‚Seeschlangen‘ beschrieben, veränderte sich dies über die Zeit hin zu dinosaurierartigen Formen und, so die Autoren, einhergehend und in der Folge der „Dinomania“ – also der Faszination an den Urzeitechsen in Folge der zunehmenden Entdeckungen und Ausstellung ihrer Fossilien. „Waren es zu Beginn des 19. Jahrhunderts gerade einmal 10 Prozent, so beschrieben um 1930 beschreiben etwa die Hälfte der Sichtungszeugen langhalsige Dinosaurier“, so die Autoren.
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Insgesamt haben Paxton und Naish 1.688 historische Berichte zu 1.543 Sichtungen von Meeres- und Seeungeheuern statistisch ausgewertet. Aus dieser Analyse gehe hevor, dass die Anzahl der saurierartigen Beschreibungen im frühen 19. Jahrhundert plötzlich ansteigt.
Einhergehend mit der Zunahme der „Dino-Sichtungen“ gingen denn auch die traditionellen Schilderungen von „Seeschlangen“ deutlich zurück. „Die Entdeckung langhalsiger Meeresreptilien scheint sich also darauf ausgewirkt zu haben, was Menschen im Wasser zu sehen glaubten“, so Paxton gegenüber dem „The Telegraph“ und spricht weiter von einem Einfluss der sog. Dinomania auf eine „kollektive Illusion“, in deren Folge „plötzlich jedes ungewöhnliche Objekt im Wasser als Dinosaurier gedeutet wurde.“
Hintergrund
Tatsächlich spiegelt sich diese Beobachtung auch anhand anderer „unerklärter Phänomene“. So durchlief auch das UFO-Phänomen – bzw. das, was die Zeugen am Himmel gesehen und dann beschrieben hatten – unbestritten einen Formwandel, der sich interessanterweise stets am aktuellen Technikstand orientierte: Vom ungewöhnlich geformten Luftschiff bis hin zu den potentiell zur interplanetaren und interstellaren Raumfahrt fähigen UFOs der Nachkriegszeit. Auch die Interpretation dessen, was für Kornkreise verantwortlich sein könnte, nahm ihren Anfang im Mittelalter, als die Kreise in den Feldern noch als das Machwerk von Hexen und Teufeln betrachtet wurden.
Während Paxton‘ und Naishs Arbeit ohne Zweifel eine wichtige Verbindung zwischen kollektiv verbreiteten Klischeebildern (…ob es sich um eine „Illusion“ handelt, sei mal dahingestellt?) aufzeigt, erklärt sie nicht, was so viele Zeugen – nicht nur im Loch Ness – bereits gesehen haben.
Hintergrund
Trotz der Schlussfolgerung der aktuellen Studie, wird selbst „Nessie“ bis heute sowohl als Seeschlange, sagenhafter Drache, als auch als Dino dargestellt und vermarktet, wie eine Bildsuche unter dem Stichwort „Nessie Souvenir“ anschaulich zeigt.
Zumindest, was den schottischen See anbetrifft, dürfte noch in diesem kommenden Sommer eine Studie Aufschluss darüber geben, ob der Loch Ness tatsächlich ein hier eigentlich unerwartetes Lebewesen – oder sogar ein klassisches Seeungeheuer – beheimatet oder nicht. Dann nämlich, wollen Genetiker die Ergebnisse ihrer eDNA-Analyse anhand von Wasserproben aus dem See veröffentlichen.
Zum Thema
„Zwar wäre auch ich ehrlich gesagt überrascht, wenn wir Beweise für DNA-Sequenzen finden würden, die in Richtung eines großen urzeitlichen Wasserreptils – der Grundlage der sogenannten ‚Jurassic-Hypothesis‘ zu Nessie – weisen. Dennoch bleibe ich auch dafür offen und warte ab, was wir finden werden“, erläutert der die Studie leitende Neil Gemmell von der neuseeländischen University of Otago gegenüber Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi). „Sollte im Loch Ness DNA gefunden werden, für die wir keine exakte Übereinstimmung finden können, so werden wir vielleicht zwar nicht in der Lage sein, die genaue Art zu ermitteln, aber wir werden zumindest zuordnen können, zu welchem Ast am Stammbaum des Lebens diese DNA am ehesten passt. Sollte es sich tatsächlich um einen prähistorischen Saurier handeln, so hätten wir schon eine Vorstellung davon, wie eine solche DNA aussehen sollte.“
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