Begegnete die Erde vor 2 Mio. Jahren einer kalten interstellaren Wolke?
Boston (USA) – Bis vor rund 12.000 Jahren hatten mehrere Eiszeiten die Erde immer wieder im Kältegriff. Eine aktuelle Studie erweitert die Reihe von Gründen für die Eiszeiten um eine weitere Möglichkeit: Vor rund zwei Millionen Jahren könnte unser Sonnensystem auf eine kalte interstellare Wolke gestoßen sein, die so dicht war, dass sie den Sonnenwind der Sonne gestört haben und die Geschichte der Erde stärker geprägt haben könnte, als bisher angenommen.
Wie ein Team um die Astrophysikerin Prof. Merav Opher von der Boston University und Prof. Avi Loeb von der Harvard University aktuell im Fachjournal „Nature Astronomy“ (DOI: 10.1038/s41550-024-02279-8) berichtet, wurden bereits zahlreiche Gründe für das Auftreten von Eiszeiten diskutiert, darunter die Neigung und Rotation des Planeten, sich verschiebende Plattentektonik, vulkanische Eruptionen und der Kohlendioxidgehalt in der Atmosphäre. Doc was, wenn drastische Veränderungen wie diese nicht nur das Ergebnis der direkten Umwelt der Erde waren, sondern auch die Position unseres Sonnenystems innerhalb unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße?
Tatsächlich fanden Opher, Kollegen und. Kolleginnen Hinweise darauf, dass das Sonnensystem vor etwa zwei Millionen Jahren auf eine interstellare Wolke traf, die so dicht war, dass sie den Sonnenwind der Sonne gestört haben könnte.
Hintergrund
Unser gesamtes Sonnensystem ist von einem schützenden Plasmaschild umgeben, der von der Sonne ausgeht, die sogenannte Heliosphäre. Diese Sonnenhülle besteht aus einem konstanten Strom geladener Partikel, dem Sonnenwind, der sich bis weit über Pluto hinaus erstreckt und die Planeten in einer Art großen Blase umschließt. Diese Sonnenhülle schützt uns vor kosmischer Strahlung und galaktischen Strahlen, die beispielsweise DNA verändern und schädigen kann. Wahrscheinlich verdanken wir die Entwicklung des Lebens auf der Erde und damit auch direkt unsere eigenen Existenz nicht zuletzt dieser solaren Schutzhülle.
Laut dem aktuellen Fachartikel führte die Kollision unseres Sonnensystems mit einer kalten und dichten Wolke interstellarer Gase vor rund zwei Millionen Jahren jedoch zu einer Komprimierung der Heliosphäre, so dass sie die Erde und andere Planeten des Sonnensystems kurzzeitig außerhalb des Einflussbereichs der Sonnenhülle lagen.
Anhand von Computermodellen visualisierten die Forschenden zunächst, wo sich die Sonne und das Sonnensystem vor zwei Millionen Jahren befand. Als nächstes kartierten sie den Weg des sogenannten „Local Ribbon of Cold Clouds“-Systems, einer Reihe großer, dichter, sehr kalter Wolken, die hauptsächlich aus Wasserstoffatomen bestehen.
Das Ergebnis diese Simulationen zeigt, dass eine diese Wolken aus der Endregion dieses Bandes, die sogenannte „Local Lynx of Cold Cloud“, mit der Heliosphäre kollidiert sein könnte.
„Wenn das passiert wäre, wäre die Erde vollständig dem interstellaren Medium ausgesetzt gewesen, wo Gas und Staub mit den übrig gebliebenen atomaren Elementen explodierter Sterne, einschließlich Eisen und Plutonium, gemischt werden“, erläutert Opher und führt dazu weiter aus: „Normalerweise filtert die Heliosphäre die meisten dieser radioaktiven Partikel heraus. Aber ohne Schutz können sie leicht die Erde erreichen.“
www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER können Sie den täglichen kostenlosen GreWi-Newsletter bestellen +
Dieses Ergebnis stimme zudem mit geologischen Beweisen überein, die erhöhte 60Fe (Eisen 60) – und 244Pu (Plutonium 244) -Isotope im Ozean, auf dem Mond, im antarktischen Schnee und in Eiskernen aus derselben Zeitperiode zeigen. Die Zeitangabe entspreche auch Temperaturaufzeichnungen, die auf eine Abkühlungsperiode hinweisen, so die Autorinnen und Autoren der Studie.
„Nur selten beeinflusst unsere kosmische Nachbarschaft außerhalb des Sonnensystems das Leben auf der Erde“, erklärt Avi Loeb. „Es ist aufregend zu entdecken, dass unsere Passage vor einigen Millionen Jahren durch dichte Wolken die Erde einem viel größeren Fluss von kosmischen Strahlen und Wasserstoffatomen ausgesetzt haben könnte, als bislang bekannt. Unsere Ergebnisse eröffnen ein neues Fenster in die Beziehung zwischen der Entwicklung des Lebens auf der Erde und unserer kosmischen Nachbarschaft.“
Abhängig von der Ausdehnung der Wolke könnte der äußere Druck der Local Lynx of Cold Cloud demnach die Heliosphäre kontinuierlich für einige hundert bis zu einer Million Jahren blockiert haben. „Aber sobald die Erde von der kalten Wolke entfernt war, umhüllte die Heliosphäre wieder alle ihre Planeten, einschließlich der Erde. So, wie sie es auch heute noch tut“, so Opher.
Allerdings sei es unmöglich zu wissen, welchen genauen Effekt die kalten Wolken auf die Erde hatten – zum Beispiel ob sie eine Eiszeit ausgelöst haben könnten. „Aber es gibt weitere kalte Wolken im interstellaren Medium, die die Sonne wahrscheinlich in den Milliarden von Jahren seit ihrer Geburt überquert hat. Und in etwa einer Million Jahren wird sie wahrscheinlich auf weitere stoßen.“
In einem nächsten Schritt wollen Opher, Kolleginnen und Kollegen nun untersuchen, wo sich die Sonne vor sieben Millionen Jahren und mehr befand. „Die Lokalisierung der Sonne Millionen von Jahren in der Vergangenheit sowie des kalten Wolkensystems ist mit den Daten möglich, die von der Gaia-Mission der Europäischen Weltraumorganisation gesammelt wurden, die die größte 3D-Karte der Galaxie erstellt und einen beispiellosen Blick auf die Geschwindigkeit bietet, mit der sich Sterne bewegen.“
„Diese Wolke war tatsächlich in unserer Vergangenheit, und wenn wir etwas so Massives durchquert haben, waren wir dem interstellaren Medium ausgesetzt“, sagt Opher abschließend. „Die Auswirkungen des Zusammentreffens mit so viel Wasserstoff und radioaktivem Material sind unklar.
Recherchequelle: Boston University
© grenzwissenschaft-aktuell.de