Bennu: Assyrische Tontafel offenbart krankmachenden Dämon

Die Zeichnung des assyrischen Dämons Bennu auf der Tontafel und im grafischen Übertrag. Copyright: Troels Pank Arboell / JMC 33, pp. 1-31 (Grafik) / Olaf M. Tessmer / Vorderasiatisches Museum Berlin (Foto)
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Die Zeichnung des assyrischen Dämons Bennu auf der Tontafel und im grafischen Übertrag. Copyright: Troels Pank Arboell / JMC 33, pp. 1-31 (Grafik) / Olaf M. Tessmer / Vorderasiatisches Museum Berlin (Foto)

Die Zeichnung des assyrischen Dämons Bennu auf der Tontafel und im grafischen Übertrag.
Copyright: Troels Pank Arboell / JMC 33, pp. 1-31 (Grafik) / Olaf M. Tessmer / Vorderasiatisches Museum Berlin (Foto)

Kopenhagen (Deutschland) – Ein dänischer Assyrologe hat eine rund 2.700 Jahre alte Keilschrifttafel mit Beschreibungen medizinischer Behandlungen aus dem alten Irak erneut untersucht und darauf eine bislang übersehene Zeichnung entdeckt. Diese zeigt offenbar einen Dämon, von dem die alten Assyrer glaubten, er verursache Epilepsie. Es ist das früheste Beispiel für einen Dämon, der mit Epilepsie in Verbindung gebracht werden kann.

Bereits vor vier Jahren hatte der Assyriologe Troels Pank Arbøll im Vorderasiatischen Museum zu Berlin damit begonnen, eine 2.700 Jahre alte Tontafel mit antiken medizinischen Behandlungen zu untersuchen. Bei diesen Arbeiten entdeckte bzw. erkannte der Forscher fast zufällig eine teilweise beschädigte Zeichnung uaf der Rückseite der Tafel.

Bei genauer Betrachtung erwies sich die Zeichnung als Darstellung eines Dämons mit Hörnern, Schwänzen und einer gespaltenen Schlangenzunge. Der Text erläuterte, dass dieser Dämon als Ursache der gefürchteten Krankheit Bennu-Epilepsie galt.

Vorder- und Rückseite der Tontafel „BAM 202“ (Illu.). Copyright/Quelle: Troels Pank Arboell / JMC 33, pp. 1-31

Vorder- und Rückseite der Tontafel „BAM 202“ (Illu.).
Copyright/Quelle: Troels Pank Arboell / JMC 33, pp. 1-31

Hintergrund
Assyrien war ein uraltes Königreich und später ein Reich am Tigris im fruchtbaren Teil des heutigen Nordirak. Assyrien wurde nach der Stadt Assur benannt, die etwa 100 km südlich der irakischen Stadt Mosul liegt, sowie nach der Hauptgottheit Ashur. Assyrien ist eine der frühesten Zivilisationen, und die Geschichte der alten Assyrien reicht von etwa 2000 bis 612 v. Chr.

Gesamtansicht der untersuchten Tontafel (Rückseite). Quelle/Copyright: Troels Pank Arboell / Olaf M. Tessmer / Vorderasiatisches Museum Berlin (Foto)

Gesamtansicht der untersuchten Tontafel (Rückseite).
Quelle/Copyright: Troels Pank Arboell / Olaf M. Tessmer / Vorderasiatisches Museum Berlin (Foto)

Der Text, den Troels Pank Arbøll untersucht hat, ist in einem Dialekt der inzwischen ausgestorbenen semitischen Sprache Akkadisch verfasst. Er wurde in Keilschrift geschrieben, wobei die Zeichen sowohl ganze Wörter als auch Laute in einem System darstellen, das an ägyptische Hieroglyphen erinnert und wurde mit einem Schilfstift in Tontafeln gepresst. Da die Zeichen mehrdeutig sein können, können sie auch entsprechend vielfältig interpretiert werden.

In seinem nun im „Journal des Médecines Cunéiformes“ (JMC 33, pp. 1-31) veröffentlichten Fachartikel beschreibt Troels Pank Arbøll seine Auswertung von Schrift und Darstellung. „Wir wissen seit langem, dass die Assyrer und Babylonier Krankheiten als Phänomene betrachteten, die von Göttern, Dämonen oder Hexerei verursacht wurden. Und Heiler waren dafür verantwortlich, diese übernatürlichen Kräfte und ihre medizinischen Symptome, die sie mit Drogen, Ritualen oder Beschwörungsformeln zu behandeln versuchten, auszutreiben. Anhand dieser Tafel ist es uns aber das erste Mal gelungen, eine der sehr seltenen Darstellungen von Dämonen in den medizinischen Texten mit der spezifischen Krankheit Epilepsie in Verbindung zu bringen, die von den Assyrern und Babyloniern Bennu genannt wurde.“

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Tatsächlich seien illustrative Zeichnungen von übernatürlichen Kräften auf den berühmten Keilschrifttafeln mit magischen und medizinischen Behandlungen sehr selten, erläutert der Wissenschaftler: „Wenn es eine Zeichnung gibt, zeigt sie normalerweise eine der Figuren, die die Heiler in ihren Ritualen verwendeten, nicht den Dämon selbst. Aber hier haben wir eine Präsentation eines Epilepsiedämons, wie sie sich offenbar der Heiler, der den Text geschrieben hat, vorgestellt haben muss.“

Assyrische Darstellung von Pazuzu im Musée du Louvre aus dem 1. Jahrtausend v. Chr. Copyright/Quelle: Louvre / PHGCOM (via WikimediaCommons) CC BY-SA 3.0

Assyrische Darstellung von Pazuzu im Musée du Louvre aus dem 1. Jahrtausend v. Chr.
Copyright/Quelle: Louvre / PHGCOM (via WikimediaCommons) CC BY-SA 3.0

Hintergrund
Als Gegenspieler zahlreicher Krankheitsdämomen galt in der mesopotamischen Mythologie der Winddämon Pazuzu, der westlichen Lesern vermutlich hauptsächich anhand seiner Bedeutung im Horror-Klassiker „Der Exorzist“ (1973) bekannt sein dürfte. In Heilungsritualen wurde Pazuzu zu Hilfe gerufen, um andere Krankheitsdämonen zu exorzieren, also auszutreiben. Dabei hielt sich der Kranke eine Darstellung von Pazuzu über den Kopf. War ihm dies nicht möglich, so wurde ihm dabei von dem Heiler geholfen. Sobald der schädliche Dämon Pazuzu erblickte, ließ dieser von dem Kranken ab, der daraufhin wieder genesen konnte.

Die Bennu-Epilepsie, eine der im 2700 Jahre alten Text beschriebenen Krankheiten, war im alten Irak gefürchtet. Zu ihren Symptomen gehörten Anfälle, Bewusstlosigkeit oder geistige Verwirrung. In einigen Fällen sollen die Patienten wie Ziegen geschrien haben.

„Der Text selbst besagt auch, dass der Dämon im Namen des Mondgottes Sîn handelte, als er eine Person mit Epilepsie infizierte“, erläutert der Wissenschaftler abschließend. „Die Assyrer und Babylonier glaubten, dass es einen Zusammenhang zwischen Mond, Epilepsie und Wahnsinn gab. In den folgenden Jahrtausenden diese Idee weit verbreitet, auch in unserem Teil der Welt, und es kann immer noch im englischen Wort ‚lunacy‘ festgestellt werden. Die Ansichten über Krankheiten, Diagnosen und Behandlungen in den frühesten Zivilisationen hatten und haben also einen erheblichen Einfluss auf die spätere Wahrnehmung von Krankheit, auch in der jüngeren Geschichte.“

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Quelle: Københavns Universitet

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