Taucher untersuchen (2017) einen der rätselhaften “Hügli“ im Bodensee.
Copyright/Quelle: Amt für Archäologie Thurgau
Kreuzlingen (Schweiz) – Seit der Erstentdeckung 2014 sorgt eine ganze Kette aus rund 100 Steinhügelschüttungen im Obersee des Bodensees unter Geologen und Archäologen für Rätselraten um deren Natur und Herkunft (…GreWi berichtete). Handelt es sich bei den „Steinhügeli“ um natürliche Moränenreste des Bodenseegletschers vor ca. 18.000 Jahren – oder wurden die Steine durch Menschen entlang einer früheren Uferlinie oder sogar ins Wasser aufgeschüttet? Könnte es sich um ein großes, etwa mit Stonehenge vergleichbares astronomisches System handeln? Neuste Georadarmessungen zeigen nun zumindest, dass die Hügel keine natürliche Strukturen sind, sondern in der Frühzeit von Menschenhand aufgeschüttet wurden.
Wie das die Forschungen am „Bodensee-Stonehenge“ leitende Amt für Archäologie Thurgau berichtet, fanden bzw. finden vom 23. bis 27. April 2018 Georadarmessungen statt: „Ein Team von Wissenschaftlern untersuchte mit dem Forschungsschiff ‚Kormoran‘ der Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz Baden-Württemberg (LUBW) Steinablagerungen exemplarisch und punktuell zwischen Romanshorn und Güttingen. Dabei kam weltweit erstmals ein Prototyp eines unter Wasser funktionierenden Georadargeräts zum Einsatz. Dieser wasserdichte, GPS-gesteuerte Messschlitten wurde von Dr. Jens Hornung von der Technischen Universität Darmstadt entwickelt.
Mit hochfrequenten elektromagnetischen Impulsen wurden die im Seeuntergrund versteckten Schichtgrenzen im Umfeld der Steinstrukturen erfasst. Die so gewonnenen Bilder lieferten neue Erkenntnisse zur Entstehung der rätselhaften Steinanhäufungen.
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„Es ist offensichtlich, dass die bis zu 40 cm großen Steine auf den nacheiszeitlichen, gebänderten Seeablagerungen und deutlich über der darunter verlaufenden Moräne aufliegen“, erläutert der Amtsarchäologe Urs Leuzinger. „Somit ist jetzt naturwissenschaftlich belegt, dass die ‚Hügeli‘ nicht natürlich durch den Gletscher entstanden, sondern von Menschenhand aufgeschüttet worden sind. Sehr bemerkenswert sind die regelmäßig geschichteten Sedimente, die sich seewärts nach dem Aufschütten der Steine abgelagert haben. Diese verschoben die Halde stetig seewärts und sind mehrere Duzend Meter mächtig. Die Steinstrukturen müssen demnach vor sehr langer Zeit im Bereich der damaligen Haldenkante (ursprüngliche, trockenliegende Uferlinie?) von Menschen aufgeschüttet worden sein.“
Rätselhafte Hügelkette am Grund des Bodensees zwischen Romanshorn und Güttingen.
Copyright/Quelle: Amt für Archäologie Thurgau
Die Frage, wer die Hügel errichtet hat und wozu, können die Forscher bislang aber noch nicht beantworten. Zumindest sei aber klar, dass die Steinstrukturen nacheiszeitlich entstanden sind. Die Seeablagerungen über den Steinen Richtung See sprechen zudem dafür, dass diese wahrscheinlich in prähistorischer Zeit aufgeschüttet wurden. Die geborgenen Hölzer aus „Hügel 5“ datieren denn auch gemäß der Radiokarbon-Datierungsmethode (C14), in die Jungsteinzeit (ca. 3600‒3300 v.Chr.). Allerdings könne ein direkter Zusammenhang zwischen den Hölzern und den Steinen nicht nachgewiesen werden, da es sich bei diesen Hölzern auch um angeschwemmtes und zwischen den Steinen verkeiltes Baumaterial aus einer benachbarten Pfahlbausiedlung handeln könnte.
Dass diese Flachwasserzone weit außerhalb der heutigen Uferlinie in früheren Zeiten besiedelt war, bestätigen nun aber die neusten Ergebnisse aus der spätbronzezeitlichen Seeufersiedlung bei Güttingen aus der Zeit zwischen 1050 und 950 v.Chr.
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Eher auszuschließen sei allerdings eine Datierung der Steinstrukturen im Zusammenhang mit der römischen Grenzbefestigung im 4. Jh. n.Chr. oder mit der mittelalterlichen/neuzeitlichen Schifffahrt.
In nächsten Schritten wollen die Archäologen nun die von Menschenhand gesetzten Steinhügel zeitlich genauer eingrenzen und schließlich auch herausfinden, wozu die Struktur einst genutzt wurde. Im kommenden Winter plant das Amt für Archäologie Thurgau mit einer Unterwassergrabung einer dieser Steinanhäufungen – wahrscheinlich Hügel Nr. 5 – genauer zu untersuchen.
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