Buchneuerscheinung: „Fakten und Fiktionen – Archäologie vs. Pseudowissenschaft“
Darmstadt (Deutschland) – Die Erforschung der großen und kleinen Rätsel der Vergangenheit ist ein spannendes Feld, das nicht nur Wissenschaftler fasziniert. Archäologische Sachbücher und TV-Dokumentationen stoßen auf ein breites Interesse, doch geben diese Medien eine Sicht auf die Geschichte wieder, die teilweise der universitären Forschung widerspricht. In dem neuen Sammelband „Fakten und Fiktionen – Archäologie vs. Pseudowissenschaft“ gehen Wissenschaftler diverser archäologischer Fachbereiche nicht nur Theorien über populäre Mythen wie Atlantis und der Beeinflussung der antiken Kulturen durch außerirdische Lebensformen auf den Grund, sondern zeigen hierbei auch, wie schmal der Grat zwischen Pseudowissenschaft und seriöser Forschung ist. Grenzwissenschaft-Aktuell.de verlost zwei Exemplare des Buches.
KORREKTUR, 6. Februar 2019, 14:50h: Im einer früheren und jetzt korrigierten Version dieser Buchbesprechung und Kritik hieß es fälschlicherweise, der Autor beschreibe die von ihm Kritisierten als „schreibwütige Autoren, die isoliert in ihren Kämmerchen an einer alternativen Geschichtsschreibung stricken“. Hier handelte es sich jedoch um ein Mißverständlich und ein darauf resultierendes Falschzitat meinerseits, für das ich mich vornehmlich bei dem Herausgeber des Sammelbandes, Dr. Stefan Baumann, aber auch bei den Lesern entschuldigen möchte! Tatsächlich sagte Baumann im vollständigen Kontext seines Satzes genau das Gegenteil. Dieser lautet: „Das große Angebot an pseudowissenschaftlicher Literatur darf NICHT allein als das auf Papier gedruckte Resultat von schreibwütigen Autoren betrachtet werden, die isoliert in ihrem Kämmerchen an einer alternativen Geschichtsschreibung stricken.“ Mit Ausnahme der Bewertung dieser auch besagter Ausnahmen als „Pseudowissenschaft“ bin ich bei dieser Aussage ganz bei der Position des Autoren.
Herausgegeben wurde der Band von Dr. Stefan Baumann, der selbst als akademischer Mitarbeiter im Fachbereich Ägyptologie an der Universität Trier tätig ist und gerade in jüngster Zeit durch seine streng-kritische Position gegenüber der „Prä-Astronautik nach Erich von Däniken“ auch unter grenzwissenschaftlichen Interessierten bekannt und gerade unter den Befürwortern v.Dänikens Hypothesen entsprechend kontrovers rezipiert wurde.
Der Sammelband „Fakten und Fiktionen – Archäologie vs. Pseudowissenschaft“ konzentriert sich dabei aber nicht nur auf die deutliche Kritik an bekannten Prä-Astronautik-Vertretern wie Däniken, Sitchin & Co. Ebenso in der scharfen Kritik stehen auch politisch wie religiös motivierte Archäologie, etwa durch sogenannte Bibel-Archäologen oder im Dienste politisch- wie fundamentalistisch religiöser Weltanschauungen arbeitende Wissenschaftler. Nicht zuletzt aber auch die Medien (öffentlich-rechtliche wie private Sende- und Verlagshäuser) und deren populistischer Umgang mit Geschichtsforschung und Archäologie im Spannungsfeld zwischen Wissenschaft und dem, was die Autoren als Pseudowissenschaft und Pseudoarchäologie bezeichnen.
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GreWi-Herausgeber Andreas Müller meint…
Ein aufwendig gestaltetes und absolut wichtiges Buch, dessen Ansatz, Feststellungen und Aussagen ich selbst an vielen – wenn auch nicht allen – Stellen teile. Zugegeben: Auch ich bin kein großer Freund der „Prä-Astronautik nach Däniken“ und auch deshalb halte ich eine faktenbasierte Aufklärung, etwa über die angeblichen Techno-Hieroglyphen im Sethos-Tempel von Abydos (S. 89); eine sachliche Diskussion untertassenförmiger Darstellungen in Steinzeithöhlen (S. 66); ägyptisch-anmutende Goldplatten in Ecuador, die sich bei einer Vorort-Recherche als naiv gestaltete neuzeitliche Messingtafeln erwiesen (S. 15); oder der Vorstellung, in der Architektur sei „älter immer gleich mit schlechterer Qualität gleichzusetzen“ (S. 11) für absolut wichtig. Hier und über große Teile stellt der Sammelband eine und gerade in diesem Kontext bisher nur selten auch einer weiteren Leserschaft zugängliche, wichtige Grundlage dar und klärt nicht nur den interessierten Laien über die Methoden der Wissenschaft ebenso anschaulich wie kurzweilig auf.
Leider gelingt es einigen Autoren aber zugleich an einigen Stellen dann aber nicht, dem eigenen Anspruch an wissenschaftliche Sachlichkeit gerecht zu werden, wenn sie – bei aller berechtigten Kritik! – immer wieder selbst nicht nur verallgemeinernd argumentieren, sondern auch die Sachlichkeit und auch Fairness gegenüber den Kritisierten und der kritisierten Materie vernachlässigen.
Trotz der Betonung des Herausgebers, dass „die Motive, welche dazu führen, dass pseudowissenschaftliche Theorien veröffentlicht werden, vielschichtig und keinesfalls bei jedem Autor identisch“ sind, hört leider die an vielen Stellen aufblitzende verallgemeinernde Ablehnung gegen das, was sich nicht in die aktuell gültige Lehrmeinung einfügt auch nicht bei persönlichen Angriffen gegen die Kritisierten auf. So zeichnen etwa Schreibstill und Wortwahl an einigen Stellen ein deutlich abwertendes Bild der Kritisierten und ihrer Forschungszweige: So ist an einer Stelle von den „schreibwütigen Autoren“ die Rede, die „isoliert in ihren Kämmerchen an einer alternativen Geschichtsschreibung stricken“. So wird immer wieder der eindeutig abwertend konotierte Begriff der „Pseudowissenschaft“ verwendet, wenn es um unorthodoxe Forschungsthemen geht. An anderer Stelle werden dem „Millionär Däniken“ nicht zuletzt finanzielle Motive unterstellt und seine „betrügerischen Straftaten“ hervorgehoben, obwohl diese mit dem Inhalt seiner Theorien und Bücher tatsächlich nichts zu tun haben, da es sich – was eigentlich allgemein bekannt – um eine Verurteilung Dänikens wegen Veruntreuung, Betrug und Urkundenfälschung aus der Zeit seiner früheren Hotelierstätigkeit handelt. Zu schnell und zu verallgemeinernd ist (nicht nur im Titel) auf Seiten der akademisch anerkannten Archäologie von „Wahrheiten und Fakten“, hingegen bei den Kritisierten von „Fiktionen, Irrtümern“ aber auch von „Lügen, Gedankenfehlern und bedenklichen Gedankenmustern“ die Rede.
Mit diesen Mitteln erreicht das Buch zwar vermutlich jene Leser, die sowieso schon nicht viel für Prä-Astronautik & Co übrig haben – trägt aber nicht zur dringend notwendigen Versachlichung der Diskussion auch mit den Anhängern und Vertretern der kritisierten Methoden und Theorien bei. Das ist schade und eine vergebene Chance, denn ist nicht genau dies eines der eigentlichen Anliegen des Bandes?
Schlussendlich und grundsätzlich muss schließlich auch für die Prä-Astronautik und alle in dem Sammelband als „Pseudowissenschaft“ abgestempelten Ansätze der gleiche Anspruch gelten, wie für sonstige Forschung und Wissenschaft auch: Es muss erlaubt sein, Hypothesen und Theorien zu formulieren, ohne dass diese schon vorab als „Pseudowissenschaft“ abgetan und ihre Vertreter diskreditiert werden. Danach müssen sich dann diese Thesen und Theorien (wie alle anderen auch) daran messen lassen, ob sie durch Fakten und Beweise gestützt, bestätigt oder wiederlegt werden können.
Trotz dieser Abzüge ist das Buch aber dennoch ein Muss gerade für alle, die sich ebenso ernsthaft wie ergebnisoffen mit dem Spannungsfeld zwischen Archäologie und Prä-Astronautik auseinandersetzten will.
Zum Autor
Der Ägyptologe Dr. Stefan Baumann ist Akademischer Mitarbeiter im Fachbereich Ägyptologie an der Universität Trier. Seine Forschungsinteressen und Forschungsschwerpunkte sind u.a. Tempelinschriften des ptolemäischen und römischen Ägypten, Tempelarchitektur, Anthropoide Särge der griechisch-römischen Zeit sowie Magie und Volksglaube im antiken und modernen Ägypten.„Fakten und Fiktionen – Archäologie vs. Pseudowissenschaft“, Hardcover, 152 Abbildungen, 119 Illustrationen, farbig; 35 Illustrationen, schwarz-weiß. Erschienen bei wbg Philipp von Zabern in Wissenschaftliche Buchgesellschaft (WBG), Darmstadt, EUR 39,95
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