Bundesregierung gibt sich unbedarft und unvorbereitet in Fragen zur Suche nach außerirdischen Signalen
In den 1970er Jahren wurde auch mit dem Radioteleskop Effelsberg – wenn auch heimlich – nach außerirdischen Signalen gesucht. Heute gehört Deutschland zu den Schlusslichtern bei der Suche nach außerirdischen Signalen.
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Inhalt
Berlin (Deutschland) – Erneut hat sich ein Bundestagsabgeordneter bei der Bundesregierung, über deren Wissensstand über intelligente Außerirdische, einen potentiellen Erstkontakt, mögliche Vorbereitungen darauf und dem Forschungsanstrengungen Seitens der Bundesregierung dazu informiert. Die Antwort offenbart einmal mehr, wie unbedarft und ebenso unvorbereitet die Bundesregierung auf diesem Gebiet noch immer ist, und das in Sachen Suche nach außerirdischer Intelligenz (SETI) in Deutschland noch großer Nachholbedarf besteht. Dabei existieren interessante Ansätze – allein es fehlt an der öffentlichen Förderung.
Die aktuelle Anfrage stammt von dem Bundestagsabgeordneten der Grünen, Dieter Janecek. Wie Janecek selbst in einem Artikel auf „Telepolis“ berichtet, erkundigte er sich in Form zweier Zusatzfragen im Rahmen eines größeren Fragekatalogs der Grünen zum geplanten Weltraumgesetzt.
Hintergrund
Bei den beiden SETI-bezogenen Fragen handelte es sich um zwei Zusatzfragen Janeceks im Rahmen eines umfangreicheren Fragekatalogs eine sog. Kleinen Anfrage der Grünen zum geplanten Weltraumgesetz.Laut den Parlamentsnachrichten des Bundestages wollten die Abgeordneten beispielsweise wissen, „welche Entwicklungen für besonders relevant für die Zukunft der zivilen Raumfahrt gehalten und welche flankierenden politischen Maßnahmen dafür als notwendig erachtet werden. Außerdem interessiert sie, wie die Bundesregierung innovative Mittelständler in die wirtschaftliche Entwicklung der Branche einbinden möchte. Die Abgeordneten fragen schließlich auch nach Zeitplan und Inhalt des angekündigten Weltraumgesetzes.
Sie begründen ihre Anfrage mit dem Schlaglicht, in das die Weltraumfahrt etwa durch den Astronauten Alexander Gerst gerückt ist. Angesichts der Mittel in Höhe von 1,5 Milliarden Euro, die der Bund jährlich in die zivile Raumfahrt investiere, seien transparente Verfahren und Förderstrukturen wichtig.“
Dieter Janecek, MdB (Bündnis 90/Die Grünen)
Copyright/Quelle: Thomas Imo / Deutscher Bundestag
Gegenüber dem „Deutschlandfunk“ erläuterte der Politiker, dass ihm „bei der Recherche zum Fragekatalog aufgefallen sei, dass andere Regierungen Programme zum Empfang von Signalen Außerirdischer vorantrieben. So förderten die USA das SETI-Institut finanziell und China führe in der Aufgabenbeschreibung eines Radioteleskops außerirdischer Zivilisationen an. Er habe herausfinden wollen, wie Deutschland in diesem Zusammenhang aufgestellt sei und ob die Bundesregierung Strategien und Protokolle für den Kontakt mit Außerirdischen habe. Dass die Regierung (dies) verneinte, werde aber keine Konsequenzen für seine parlamentarische Arbeit haben, es gebe dringendere Fragen.“
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Vor dem Hintergrund der Bemühungen anderer Staaten bei der Suche nach außerirdischen Signalen erkundigte sich der Abgeordnete (siehe PDF: Nr. 418) also darüber, „welche Vorkehrungen, Protokolle oder Pläne für einen möglichen Erstkontakt mit außerirdischem Leben (es) auf Seiten der Bundesregierung und der ihr unterstellten Behörden (gibt), und in welchen Fällen die Möglichkeit eines solchen Kontakts Gegenstand eines bi- oder multilateralen Gesprächs mit anderen Staaten (war)?“
Am 7. August 2018 erhielt Janecek dann folgende Antwort von einem „Staatsekretär“ (im veröffentlichten Antwortschreiben sind sämtliche persönlichen Angaben zu dessen Autoren geschwärzt) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie (BMWI). Darin heißt es
„Für einen möglichen Erstkontakt mit außerirdischem Leben gibt es keine Protokolle oder Pläne, da die Bundesregierung einen Erstkontakt auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland nach heutigem wissenschaftlichem Kenntnisstand für äußerst unwahrscheinlich hält. Konkrete Fälle, die Gegenstand eines bi- oder multilateralen Gesprächs mit anderen Staaten hätten sein können, sind nicht bekannt.“
Das Antwortschreiben des BMWi.
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In einer weiteren Frage (Nr. 419) erkundigte sich Janecek weiter: „Von welchen Institutionen oder Programmen auf nationaler oder europäischer sowie internationaler Ebene hat die Bundesregierung Kenntnis, die sich ganz oder teilweise mit der Suche nach außerirdischem Leben beschäftigen, und rechnet die Bundesregierung damit, von diesen Institutionen oder Programmverantwortlichen im Falle eines möglichen Erstkontakts informiert zu werden?“
Interessanterweise bezieht sich die Antwort dann auf eine bereits bekannte Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages zur „Suche nach außerirdischem Leben, der Umsetzung einer UN-Resolution zur Beobachtung unidentifizierter Flugobjekte und extraterrestrischer Lebensformen“ (…GreWi berichtete) und erklärt, hierzu verweise die Bundesregierung auf die Nr. 2 der besagten Ausarbeitung. Zudem verweist die Antwort dann noch auf „ein Radioteleskop in Kalifornien, das Allen Telescope Array, zur Suche nach extraterrestrischer Intelligenz (SETI)“ und erklärt dazu: „Im Falle der Detektion eines künstlichen extraterrestrischen Signals wird die internationale Wissenschaftsgemeinde nach ausreichender Verifikation des Signals informiert.“
Neu ist dieser nicht gerade tiefgreifende und hintergründige Standpunkt und Wissensstand der Bundesregerungen damit also nicht – entspricht die Antwort doch mehr oder weniger jener der zitierten Ausarbeitung der Wissenschaftlichen Dienste von 2009 (AKZ: WD 8 – 3000 – 104/2009) – also einer fast 10 Jahre alten Antwort.
Darin heißt es, dass „der Bundesregierung … keine Erkenntnisse vorliegen, die eine zuverlässige Einschätzung der Wahrscheinlichkeit extraterrestrischen Lebens erlauben würden (und man) eine Landung Außerirdischer auf dem Territorium der Bundesrepublik Deutschland … nach heutigem wissenschaftlichen Kenntnisstand für ausgeschlossen (hält)“(…GreWi berichtete).
Dr. Ulrich Nussbaum, Beamteter Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Copyright: BMWi/Susanne Eriksson
Ein Blick auf die nur teilweise geschwärzte Unterschrift im von Telepolis veröffentlichten Antwortschreiben des BMWI und der Hinweis auf einen „Staatssekretär“ im Briefkopf zeigen, dass dieses von dem einzigen Staatssekretär unter Bundeswirtschaftsminister Peter Altmeier, Herrn Dr. Ulrich Nussbaum verfasst wurde (…eine nicht geschwärzte Unterschrift Nussbaums zum Vergleich finden Sie HIER).
Dr. Nussbaum selbst ist der mangelhafte Kenntnis über die Suche nach außerirdischer Intelligenz (SETI) derweil jedoch nicht vorzuwerfen. Es stellt sich viel eher die Frage, warum „er“ im Namen des BMWI – und nicht etwa ein Sprecher des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) – überhaupt auf diese Anfrage antwortet? Nussbaum selbst ist schließlich gar nicht vom Fach, stattdessen „zuständig für die Abteilungen Wirtschafts-, Industrie-, Energie- und Außenwirtschaftspolitik, für die Digital- und Innovationspolitik sowie für die Mittelstandspolitik.“
Hintergrund
Warum statt etwa dem Bildungs- und Forschungsministerium das Bundesamt für Wirtschaft und Energie auf die Anfrage der Grünen antwortete, erläutert Janeceks Team auf Anfrage von Grenzwissenschaft-Aktuell.de wie folgt:„(…) alle schriftlichen Fragen werden vom Parlamentssekretariat an das Bundeskanzleramt übermittelt. Dort wird entschieden, welches Ministerium antwortet. Dass das BMWi zu dieser Frage antwortet, ist naheliegend, da die Zuständigkeit für Raumfahrt weitgehend im BMWi liegt.“
Tatsächlich hat sich aber in Sachen SETI in den vergangenen Jahren auch unabhängig von der Allen Telescope Array einiges mehr getan, als dies der Bundesregierung offenbar bekannt ist: So wurde u.a. mit einem Budget von 100 Millionen US-Dollar mit der „Breakthrough Initiative“ das bislang aufwendigste SETI-Projekt überhaupt gestartet, allerdings privat finanziert (…GreWi berichtete). An diesem Projekt beteiligen sich übrigens auch die von Deutschland mitgetragenen Teleskope der Europäischen Südsternwarte ESO (…GreWi berichtete). In China ging das weltweit größte Radioteleskop ans Netz, mit dem auch gezielt SETI-Astronomie betrieben werden soll (…GreWi berichtete) – dies übrigens auch im Verbund mit „Breakthrough“ (…GreWi berichtete).
Tatsächlich gibt es neben der ESO-Kooperation mit der Breakthrough Initiative aber auch in Deutschland ganz konkrete und aktuelle wissenschaftliche Bemühungen in Sachen SETI: So berichtete Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) erst kürzlich über die Entwicklung eines SETI-Satelliten am erst 2016 gegründeten „Interdisziplinären Forschungszentrum für EXtraterrestrik“ (IFEX) an der Universität Würzburg. Offenbar ist aber auch das IFEX der Bundesregierung (noch) nicht bekannt.
Konzeptstudie: Der Würzburger OSETI-Nanosatellit im Einsatz (Illu.).
Copyright: H. Kayal
Ob und wann das angedachte Projekt auch umgesetzt werden kann, hänge hauptsächlich davon ab, ob es – etwa durch öffentliche Fördermittel – finanziert werden könne, berichtete der IFEX-Leiter Prof. Dr.-Ing. Hakan Kayal gegenüber GreWi.
Weiterhin legt das IFEX seinen Schwerpunkt in extraterrestrische Forschungsprojekte im Zusammenhang mit Naturwissenschaft und Technik und deren innovativer Anwendung auf der Erde und im Weltraum.
Das Arbeitsgebiet beinhaltet
– die Erforschung des Weltraums, Objekte in unserem Sonnensystem, Sterne, Galaxien und das Universum als Ganzes,
– die Suche nach Anzeichen für Leben,
– die Suche nach außerirdischen Intelligenzen (SETI), sowie
– die Förderung und Koordination fachgebietsbezogener und insbesondere interdisziplinärer Kooperationen und Öffentlichkeitsarbeit zur Extraterrestrik (…GreWi berichtete).
Die Grundlagen dafür, dass die Bundesrepublik ihren derzeitigen Rückstand gegenüber Ländern wie Großbritannien, Russland, China und natürlich den USA in Sachen SETI aufholt, sind also gelegt. Was bislang noch fehlt, ist eine ausreichende Finanzierung und – wie die aktuelle Antwort auf Janeceks Anfrage zeigt – offenbar auch der politische Wille und das notwendige Interesse. Ganz offensichtlich aber auch die wissenschaftliche Vision, sich einen Kontakt auf bzw. vom Territorium der Bundesrepublik aus vorstellen zu können. Warum eigentlich?
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