Washington (USA) – Noch während ihrer letzten Umrundungen des Ringplaneten Saturn hat die NASA-Raumsonde Cassini wichtige Daten gesammelt, wie sie nun zu bahnbrechenden neuen Erkenntnisse in unserem Verständnis des Saturnsystems beitragen – insbesondere zur mysteriösen, noch nie zuvor erforschten Region unmittelbar zwischen dem Planeten und seinen Ringen. Einige der bisherigen Annahmen erweisen sich anhand der neuen Erkenntnisse als falsch, und es stellen sich neue Fragen.
Insgesamt sechs Wissenschaftlerteams haben ihre Ergebnisse zu den letzten Cassini-Daten aktuell im Fachjournal „Science“ (Die Links zu den Originalpublikationen finden Sie am Ende dieser Meldung) veröffentlicht, die zu einem Zeitpunkt gesammelt wurden, als der Sonde der Treibstoff ausging und sie noch einmal auf 22 Bahnen in direkter Näher zum Planeten gelenkt wurde, bevor sie September 2017 nach einem gezielten Absturz in der Saturn-Atmosphäre verdampfte (…GreWi berichtete).
Da die Cassini-Mission sowieso vor dem Ende stand, wurde die Sonde auf Bahnen gelenkt, die zuvor nie vorhergesehen waren. Auf diese Weise sondierte Cassini zum ersten Mal die magnetisierte Umgebung des Saturns, flog zwischen eisigen, felsigen Ringkörpern hindurch und erschnüffelte die Atmosphäre in dem 2.000 Kilometer breiten Spalt zwischen den Ringen und den obersten Wolken des Planeten.
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Während noch viele weitere wissenschaftliche Ergebnisse dieses „Grand Finale“ folgen werden, hier schon einmal eine Zusammenfassung der Highlights der neuen Entdeckungen und Erkenntnisse der aktuell veröffentlichten Fachartikel:
- Komplexe organische Verbindungen, die in Wasser-Nanokörner eingebettet sind, regnen von den Ringen des Saturns in dessen obere Atmosphäre. Wissenschaftler haben darin zunächst Wasser und Silikate entdeckt, waren aber umso mehr überrascht, zudem auch Methan, Ammoniak, Kohlenmonoxid, Stickstoff und Kohlendioxid zu finden. Die Zusammensetzung dieser organischen Stoffe unterscheidet sich von der auf dem Saturnmond Enceladus und auch von der auf dem Mond Titan. Das bedeutet, dass es im Saturnsystem mindestens drei verschiedene Reservoirs organischer Moleküle gibt.
- Zum ersten Mal beobachtete Cassini im Detail, wie die Ringe mit dem Planeten interagieren und konnte beobachteten, wie Partikel und Gase des Innenrings direkt in die Saturnatmosphäre fielen. Einige dieser Partikel nehmen elektrische Ladungen auf drehen sich dann spiralartig entlang der Magnetfeldlinien empor und fallen in dann höheren Breitengraden wieder auf den Planeten – ein Phänomen, das als „Ringregen“ bekannt ist. Allerdings waren die Wissenschaftler überrascht zu sehen, dass andere Partikel am Äquator schnell in den Saturn gezogen werden. Auch fallen die Teilchen schneller aus den Ringen, als dies zuvor angenommen wurde: bis zu 10.000 Kilogramm pro Sekunde.
- Die Cassini-Wissenschaftler waren auch davon überrascht, wie das Material in jener Abstandsregion zwischen den Ringen und der Atmosphäre des Saturns aussieht: Während bereits bekannt war, dass die Partikel in den Ringen unterschiedlich groß sind, offenbarte eine Probeentnahme innerhalb dieses Spalts dann jedoch meist winzige, gerade einmal nanometergroße Partikel, die gemeinsam eher wie Rauch wirkten. Für die Forscher deutet dies darauf hin, dass ein noch unbekannter Prozess die Partikel zusehends zerkleinert.
- Saturn und seine Ringe sind noch stärker miteinander verbunden, als Wissenschaftler dies bislang vermutet hatten: Die Cassini-Daten enthüllen ein bisher unbekanntes System elektrischen Stroms, das die Ringe mit der Spitze der Saturnatmosphäre verbindet.
- Hinzu haben die Wissenschaftler anhand der Cassini-Daten in der Nähe des Planeten einen neuen Strahlungsgürtel um Saturn entdeckt, der aus energiereichen Partikeln besteht. Die Forscher fanden heraus, dass dieser Gürtel zwar tatsächlich den innersten Ring kreuzt, dieser Ring aber so dünn ist, dass er die Entstehung und Ausformung des Strahlungsgürtels nicht behindert.
- Im Gegensatz zu allen anderen Planeten unseres Sonnensystems mit einem eigenen Magnetfeld ist das Magnetfeld des Saturns fast vollständig nach dessen Rotationsachse ausgerichtet. Die neuen Daten zeigen eine Magnetfeldneigung von weniger als 0,0095 Grad. (Zum Vergleich: Das Erdmagnetfeld ist um 11 Grad von seiner Rotationsachse geneigt.) Nach allem was Wissenschaftler darüber wissen, wie planetarische Magnetfelder erzeugt werden, sollte Saturn eigentlich keins haben. Dass er es doch hat, ist ein Rätsel, an dessen Lösung Physiker wohl noch lange zu arbeiten haben.
- Cassini flog zudem über die Magnetpole des Saturn und tastete dort direkt Bereiche ab, in denen Radioemissionen erzeugt werden. Die Ergebnisse haben die Zahl der direkten Messungen von Radioquellen des Saturn damit mehr als verdoppelt. Der Saturn ist einer der wenigen außerirdischen Orte, an dem Wissenschaftler einen Mechanismus zur Erzeugung von Radioaktivität untersuchen konnten, von dem angenommen wird, dass er im gesamten Universum funktioniert
Die jetzt publizierten ersten Ergebnisse des Abtauchens der Sonde in den Spalt zwischen Planet und Ringsystem, rechtfertigen laut den Autoren das eingegangene Risiko: „Fast alles, was in dieser Region vor sich ging, entpuppte sich als Überraschung“, kommentiert die Cassini-Projektwissenschaftlerin Linda Spilker. „Es war das Ziel unserer Reise dorthin, einen Ort zu erkunden, an dem wir noch nie zuvor gewesen waren. Und die Expedition hat sich wirklich gelohnt – die Daten sind enorm spannend.“
Die Analyse der Cassini-Daten wird noch viele Jahre dauern und dazu beitragen, ein klareres Bild von Saturn zu zeichnen. „Während wir derzeit versuchen, die vielen Puzzleteile zusammen zu setzten, so bleiben doch auch noch so viele Geheimnisse unbeantwortet“, so Spilker abschließend. „Die Ergebnisse von Cassinis letzten Umlaufbahnen während des Großen Finales erwiesen sich aber schon als interessanter, als wir es uns hätten vorstellen können.“
– Die Bilder-Datenbank der Cassini-Mission finden Sie HIER
Die einzelnen Artikel im Original finden Sie jeweils hier:
„Chemical interactions between Saturn’s atmosphere and its rings,“ by J.Hunter Waite, et.al.
„D-Ring dust falling into Saturn’s equatorial ionosphere and upper atmosphere,“ by Donald Mitchell, et.al
„In-situ collection of dust grains falling from Saturn’s rings into its atmosphere,“ by Hsiang-Wen Hsu, et.al.
„A radiation belt of energetic protons located between Saturn and its rings,“ by Elias Roussos, Peter Kollmann, et.al.
„Saturn’s magnetic field revealed by the Cassini Grand Finale,“ by Michele Dougherty, et.al.
„The low frequency source of Saturn’s Kilometric Radiation (SKR),“ by Laurent Lamy, et.al.
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