Auch Computersimulation belegt Mythos vom „Sonnenstein“ der Wikinger

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Mit Hilfe der Lichtbrechung von Doppelspatkristallen kann der Sonnenstand auch bei Wolken ermittelt werden. Vermutlich ist dies der wahre Kern hinter den Legenden um die Sonnensteine der Wikinger.

Copyright: Kollage (grewi.de) mit Materialien von ArniEin/CC-by-sa 3.0 (Doppelspat) und Carl Rasmussen (1841–1893)

Budapest (Ungarn) – Nachdem ein erster „Praxistest“ in einem Planetarium gezeigt hatte, dass die Wikinger tatsächlich mit Hilfe legendärer „Sonnensteine“ auf hoher See navigieren konnten (…GreWi berichtete), zeigt nun auch eine Computersimulation, wie die Nordmänner den polarisierenden Effekt von Kalzitkristallen selbst bei bewölktem Himmel und unabhängig von den Jahreszeiten zur Orientierung statt Kompass genutzt haben könnten.

Wie Dénes Száz und Gábor Horváth von der ungarischen Eötvös Universität aktuell im Fachjournal „Royal Society Open Science“ (DOI: 10.1098/rsos.172187) berichten, bestätigen sich damit die alten Legenden um die “Sólsteinnen” der Wikinger ein weiteres Mal.

Zuvor hatten Historiker lange Zeit gerätselt, wie die Wikinger in der Lage waren, zwischen Norwegen, Island und Grönland tausende von Kilometern zurückzulegen und trotz meist widriger Sichtbedingungen zum Sternenhimmel stets sicher zu navigieren – schließlich war zur Zeit der Wikinger (750-1066 n. Chr.) der Kompass zum einen noch nicht bekannt, zum anderen wäre dieser teilweise derart nahe am Nordpol zur Navigation auch nur von begrenztem Nutzen gewesen.

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Erste Hinweise auf einen Kompass-Ersatz finden sich allerdings schon im alt-isländischen Gesetzbuch “Grágás” oder in den Legenden um den Held Sigurd. Darin wird unter anderem davon berichtet, dass die Wikinger über eben jene „Sonnensteine“ verfügten, mit denen sie selbst bei bedecktem Himmel die Position der Sonne ermitteln konnten. So soll Sigurd auf Anfrage von König Olaf, nach dem Stand der Sonne einen solchen “Sólsteinn” genommen, damit gen Himmel geblickt und so die Position der nicht sichtbaren Sonne ermittelt haben.

Während die Sonnensteine lange Zeit als reine Legende galten, sorgte der Fund eines Kalzit-Doppelspats in einem Schiffswrack aus dem 16. Jahrhundert für Aufsehen unter Archäologen – schien der Fund doch nicht nur die Existenz der doppelbrechenden Sólsteinne sondern auch deren Nutzung noch Jahrhunderte nach der Zeit der Wikinger zu bestätigen.

Schon zuvor konnten Wissenschaftler zeigen, dass mit Hilfe eines zum einstigen Fund gleich beschaffenen Kalzitkristalls der Stand der Sonne selbst bei bedecktem Himmel und noch 40 Minuten nach Sonnenuntergang exakt bestimmt werden kann (…GreWi berichtete).

Möglich wird dies durch die das Licht in zwei Strahlen aufspaltende Eigenschaft des Kalzits, der aus diesem Grund auch als Doppelspat bezeichnet wird:
Blickt man unter freiem Himmel durch einen Kalzitkristall so sind darin zwei Lichtbündel zu sehen. Verändert man sodann die Position des Steins, verschieben sich auch die Lichtbündel zueinander. Stimmt die Intensität beider Strahlen überein, so weist die Blickrichtung durch den Kristall genau in Richtung des Sonnenstands (s. Abb. l.).

Im vergangenen Spätsommer gelang es dem Team um Horváth dann bereits in einem Planetarium 1.080 unterschiedliche Himmel mit verschiedenen Bewölkungszuständen, Sonnenständen und mit verschiedenen Arten möglicher Sonnensteine deren Funktion zu belegen. Die auf diese Weise gewonnenen Werte wichen nur bis zu 6 Grad vom angepeilten Kurs ab – und das auch unter Wolken (…GreWi berichtete).

Zum Thema

In ihrem aktuellen Fachartikel beschreiben Száz und Horváth nun ihre Computersimulationen einer Wikinger-Reiseroute zwischen Norwegen und Grönland und eine Erfolgsquote des Einsatzes von doppelbrechenden Mineralien wie Kalzit, Turmalin und/oder Cordierit von 90 bis 100 Prozent.

Voraussetzung war jedoch in allen Fällen, eine Nachmessung und Korrektur der Nordrichtung durch den Navigator mindestens im Drei-Stunden-Takt ausgehend von der Mittagsstunde möglichst gleichmäßig über den Tag verteilt.

Für die beiden Forscher zeigen auch die aktuellen Experimente, „wie die Wikinger den Atlantik 300 Jahre lang beherrschen und ohne Magnetkompass sogar bis nach Nordamerika gelangen konnten.“

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