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Ein kritischer Blick auf die angebliche Entdeckung unter den Pyramiden

Blick auf die Chephren-Pyramide von Gizeh.Copyright: Sadarama (via WikimediaCommons) / CC BY-SA 4.0
Blick auf die Chephren-Pyramide von Gizeh.
Copyright: Sadarama (via WikimediaCommons) / CC BY-SA 4.0

Mitte März verkündeten drei italienische Forscher eine wahrhafte Sensation: Im Untergrund der Pyramiden von Gizeh soll sich ein bislang unbekanntes, ausgedehntes Netzwerk an Kammern, Tunneln und Gängen befinden. Zudem soll die Chephren-Pyramide auf gewaltigen, fast einen Kilometer in den Untergrund hinab ragenden Schächten gründen (…GreWi berichtete). Ebenso gewaltig wie die Behauptung selbst war erwartungsgemäß auch die Kritik und Skepsis nicht zuletzt an der unwissenschaftlichen Präsentation der angeblichen Entdeckung (…GreWi berichtete). Die Kritik kommt zudem mitnichten nur aus konservativen Wissenschaftskreisen.

Im aktuellen Gastbeitrag analysiert Greg Taylor, Herausgeber des Online-Portals „TheDailyGrail.com“ die Behauptungen der Forscher. Bei dem folgenden Text handelt es sich um eine deutsche Übersetzung von Taylors Artikel „Is There an Ancient City Hidden a Kilometre Beneath the Pyramids of Egypt?“, der am 26. März 2025 auf „TheDailyGrail.com“ erstveröffentlicht wurde. Die vom Autor geäußerten Ansichten sind seine eigenen.

Anfang letzten Monats erhielt ich Insider-Informationen, dass große Neuigkeiten über Entdeckungen an den Pyramiden von Gizeh in Ägypten bevorstehen würden. Mitte März – zufälligerweise nur wenige Tage bevor ich selbst die Pyramiden im Urlaub besuchen wollte – wurden diese Neuigkeiten dann in Form einer Pressekonferenz in Italien veröffentlicht. Bei der Veranstaltung behaupteten Forscher u. a. der Universität Pisa, sie hätten mithilfe einer satellitengestützten Scantechnologie namens „Synthetic Aperture Radar Doppler Tomography“ (SAR) klare Beweise für riesige menschengemachte Strukturen unter den Pyramiden gefunden – sogar eine „Stadt“, die sich über einen Kilometer unter der Erde befinden soll.

Diese Nachricht verbreitete sich schnell viral, nicht zuletzt durch eine Erwähnung im Podcast „The Joe Rogan Experience“. In den letzten Tagen habe ich gesehen, dass das öffentliche Interesse an dieser Entdeckung enorm ist – zahlreiche YouTube-Kommentatoren analysieren die Behauptung, und ihre Videos haben bereits Hunderttausende von Aufrufen (mit einer Vielzahl begeisterter Kommentare darunter).

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Langjährige Grail-Leser wissen, dass wir die Suche nach „geheimen Kammern“ in den Pyramiden schon seit den 1990er Jahren verfolgen – von den ersten Expeditionen zum „verlorenen Grab des Osiris“ bis hin zu den jüngeren Entdeckungen in der Großen Pyramide durch die ScanPyramids-Mission. (Tatsächlich habe ich damals sogar dem deutschen Robotikingenieur Rudolf Gantenbrink geholfen, eine Website mit seinen Daten zu den Schächten der Großen Pyramide zu erstellen.) Daher musste ich mir diese neue Entwicklung unbedingt genauer ansehen.

Und mein bisheriges Fazit zu den Behauptungen der Forscher lautet: Das ist unglaublich! Aber nicht im positiven Sinne, sondern wortwörtlich – ich glaube es einfach nicht.

Erstens schlägt mein Bullshit-Detektor bei der behaupteten Größe der entdeckten Strukturen maximal aus, und ich hoffe, dass es jedem anderen genauso geht. Die Forscher behaupten, dass ihre SAR-Scans acht separate röhrenartige Hohlstrukturen unter der Pyramide des Chephren zeigen (die mittlere der drei Pyramiden, die an der Spitze noch einige Verkleidungssteine besitzt). Jede dieser Röhren soll einen Durchmesser von 10 bis 12 Metern haben und sich 648 Meter tief in den Boden erstrecken. Jede dieser Röhren sei von einer „spiralförmigen Treppe“ umgeben. Diese Röhren sollen dann zwei „Boxen“ oder Kammern erreichen, die jeweils 80 Meter Seitenlänge haben. Und dann, weitere 600 Meter unter diesen „Boxen“, soll sich eine „echte Stadt“ befinden.

Ich habe das Gefühl, dass Menschen oft nicht wirklich auf die Details außergewöhnlicher Behauptungen achten, sondern sie einfach begeistert akzeptieren. Deshalb sollte man sich diese Zahlen genau überlegen: Eine röhrenartige Struktur mit einer vertikalen Tiefe von 648 Metern wäre eines der drei höchsten Gebäude der Welt – oder anders gesagt, etwa fünfmal so hoch wie die Chephren-Pyramide selbst. Und angeblich gibt es acht solcher Röhren allein unter dieser einen Pyramide? Und jede dieser Röhren soll eine spiralförmige Treppe über die gesamte 648-Meter-Strecke haben? Dann befinden sich darunter Kammern mit einer Seitenlänge von 80 Metern – das entspricht in jeder Richtung in etwa der Länge eines NFL-Spielfelds. Und nochmals 600 Meter tiefer soll dann eine „Stadt“ liegen?

Grafische Darstellung der SAR-Dateninterpretation durch die Autoren (Illu.). Copyright/Quelle: Khafre Project, Biondi, Mei, Malanga
Grafische Darstellung der SAR-Dateninterpretation durch die Autoren (Illu.).
Copyright/Quelle: Khafre Project, Biondi, Mei, Malanga

Aber Moment – man könnte sagen, wir sollten nicht voreilig urteilen, sondern einfach den Daten dorthin folgen, wohin sie uns führen. Das Problem ist nur: Die Forscher haben bisher noch keine wissenschaftliche Veröffentlichung vorgelegt, die von Fachkollegen überprüft werden könnte. Stattdessen haben sie direkt eine Pressekonferenz abgehalten – hinzu ausschließlich auf Italienisch, was die Sache für viele noch schwieriger macht. Die präsentierten Scan-Bilder zeigen zudem nichts, was die Behauptungen wirklich belegen würde.

Aber anscheinend sind auch gar keine weiteren Forscher nötig. Bei der Pressekonferenz erklärten die Wissenschaftler (laut automatischer Übersetzung) schließlich:

„Diese Forschung muss nicht bewiesen werden. Wir müssen nicht auf andere Untersuchungen oder andere Wissenschaftler warten, die sie für wahr erklären, denn es sind Fotos: Wenn ich den Schiefen Turm von Pisa fotografiere, brauche ich auch nicht 500 andere Leute, die ihn fotografieren, um zu sagen: ‚Es gibt einen Schiefen Turm von Pisa.‘ Diese Forschung zeigt bereits, dass diese Daten real sind. Aber was bedeutet das?

Es bedeutet, dass jemand in 1200 Metern Tiefe etwas gebaut hat … Die Geschichte scheint umgeschrieben werden zu müssen.“

Hier ist die einstündige Pressekonferenz vom 15. März für alle, die sie sich ansehen möchten. (Tipp: Man kann eine halbwegs brauchbare Übersetzung erhalten, indem man Untertitel auf Italienisch aktiviert und dann die automatische Übersetzung in die gewünschte Sprache einstellt. Update: Die Möglichkeit, das Video auf Webseiten einzubetten, wurde entfernt – eine seltsame Entscheidung, wenn man eine Entdeckung bekannt machen möchte).

Einige Dinge in dieser Pressekonferenz lassen bei mir weitere Alarmglocken schrillen:

Erstens zeigte bereits die Titelgrafik zur Pressekonferenz eine KI-generierte Darstellung einer „Stargate“-ähnlichen Struktur unter dem Titel der Pressekonferenz: „Giza: Die Pyramiden und das Zeitportal“. Das wirkt doch sehr esoterisch, und ich war mir nicht einmal sicher, was genau mit „Zeitportal“ gemeint war – meinen sie tatsächlich ein Stargate, wie das gewählte Bild suggerierte?

Während der Veranstaltung erklärte einer der Forscher immer wieder, dass die verwendete Scan-Technologie durch die „Granitblöcke der Pyramide“ hindurchsehen könne, „als wären sie aus Glas“. Dabei besteht die Pyramide größtenteils aus Kalksteinblöcken, mit nur einem geringen Anteil an Granit. Das schien mir ein grober Fehler für einen Wissenschaftler zu sein. Zunächst dachte ich noch, die automatische Übersetzung hätte hier etwas falsch interpretiert – doch als ich eine frühere Veröffentlichung derselben Forscher zur Vermessung der Großen Pyramide las, bemerkte ich, dass sie dort mehrfach denselben Fehler machten (z. B. „Die Struktur besteht aus Granitblöcken, die jeweils etwa 2,5 Tonnen wiegen“).

Auch andere Passagen sind seltsam, etwa die Behauptung, dass die röhrenartigen Strukturen dazu dienten, das Gewicht der Pyramide zu stützen:

„Einige dieser Strukturen dienen der Stabilisierung der Pyramide, denn wir haben statische Berechnungen durchgeführt und festgestellt, dass die Chephren-Pyramide sehr schwer ist. Um sie zu stützen, braucht es eine Basis, denn sonst würde sie in den Sand einsinken. Die Erbauer haben offenbar erkannt, dass man keine Pyramide auf Sand bauen kann … Es mussten also Säulen errichtet werden, die bis zum Granitboden reichen.“

Die Pyramiden von Gizeh wurden jedoch nicht auf Sand, sondern auf dem festen Felsuntergrund des Gizeh-Plateaus errichtet. Selbst wenn die Chephren-Pyramide auf Sand gebaut worden wäre, wie könnten dann Strukturen, die aus dem darunterliegenden Gestein herausgearbeitet wurden, sie in irgendeiner Weise stützen? (Und fangen wir gar nicht erst damit an, dass fast all diese Strukturen unter Wasser stehen würden, da der Grundwasserspiegel nicht weit unter dem Felsgrund des Gizeh-Plateaus liegt – man beachte, wie MrBeast und seine Freunde kürzlich durch das ‚Verlorene Grab des Osiris‘ schwimmen mussten).

In der Pressekonferenz erwähnten die Forscher außerdem, dass sie KI verwendet hätten, um ihre Ergebnisse zu überprüfen – und dass die KI ihre Schlussfolgerungen bestätigt habe. In einer weiteren, vierstündigen Pressekonferenz wurde jedoch deutlich, dass sie offenbar nicht von einer mathematischen Überprüfung durch KI sprachen, sondern dass die KI ein eigenes Modell der röhrenartigen Strukturen erstellt hatte.

An diesem Punkt fiel es mir zunehmend schwer, diese Forscher noch ernst zu nehmen. Dann meldete sich der „konsultierende Ägyptologe“ zu Wort:

„In Anbetracht der Verbindung dieser Entdeckung mit der Stadt Amenti scheinen [die von uns entdeckten Elemente] mit einigen Beschreibungen aus den Smaragdtafeln übereinzustimmen, in denen es präzise Hinweise auf diese tief hinabreichenden Brunnen gibt, die erbaut wurden – im Vers ist die Rede von den ‚Kindern des Lichts‘ – wir wissen nicht, wer diese Kinder sind, aber die objektiven Daten bleiben bestehen: Diese Brunnen reichen tief hinab, ebenso wie die Kästen.“

Für diejenigen, die die Referenz nicht kennen: Er bezieht sich hier nicht auf eine altägyptische Quelle, sondern auf die Smaragdtafeln des Thoth, des Atlantiers – einen okkulten Text, der angeblich im 20. Jahrhundert von einem gewissen Maurice Doreal, dem Gründer der neotheosophischen Gruppe „Die Bruderschaft des Weißen Tempels“ (The Brotherhood of the White Temple) in der Großen Pyramide „gefunden“ wurde (ich verwende das Wort „angeblich“ hier mit sehr wenig Überzeugung). Es handelt sich eindeutig um eine New Age-Quelle und nicht um ein historisches Dokument.

Die Smaragdtafeln enthalten ein Kapitel über die „Hallen von Amenti“, auf das er sich hier offenbar bezieht:

„Tief im Herzen der Erde liegen die Hallen von Amenti, weit unter den Inseln des versunkenen Atlantis, Hallen der Toten und Hallen der Lebenden, gebadet im Feuer des unendlichen ALLS. Vor langer Zeit, verloren im Raum-Zeit-Gefüge, blickten die Kinder des Lichts auf die Welt herab. Sie sahen die Kinder der Menschen in ihrer Knechtschaft, gebunden durch eine Kraft, die von jenseits kam. Sie wussten, dass nur durch Freiheit von dieser Knechtschaft der Mensch je von der Erde zur Sonne aufsteigen könnte. Also stiegen sie herab und schufen Körper, nahmen das Abbild der Menschen als ihr eigenes an. Die Meister von allem sagten nach ihrer Erschaffung: „Wir sind diejenigen, die aus dem Raumstaub geformt wurden, teilhabend am Leben des unendlichen ALLS; lebend in der Welt als Kinder der Menschen, gleich und doch ungleich den Kindern der Menschen.“

Dann schufen sie sich durch ihre Macht einen Wohnort, tief unter der Erdkruste, getrennt von den Kindern der Menschen.

Angesichts der absurden Dimensionen der angeblichen Strukturen, der offensichtlichen Unkenntnis der Forscher über grundlegende Fakten zu den Pyramiden von Gizeh und der New Age-Überzeugungen, die offenbar dieses Projekt stark beeinflussen, dürfte klar sein, warum es sehr gute Gründe gibt, dieser „Entdeckung“ mit Skepsis zu begegnen.

Allerdings bleibe ich offen für weitere Beweise, die ihre Behauptungen besser stützen könnten. Es handelt sich nicht um irgendwelche zufälligen Forscher – sie haben schließlich akademische Abschlüsse –, daher wäre zu hoffen, dass zumindest ein gewisser Substanzgehalt in ihrer Arbeit steckt. Vielleicht haben sie tatsächlich Kammern entdeckt, nur eben nicht in der grandiosen und mythischen Form, wie es die Pressekonferenz suggerierte. Das ist durchaus möglich, denn es werden am Gizeh-Plateau immer wieder neue Entdeckungen gemacht, und es ist bekannt, dass unter der Oberfläche natürliche Höhlensysteme existieren, die möglicherweise irgendwann von Menschen modifiziert wurden.

Aber bis auf Weiteres bin ich der Meinung, dass man sich eine gesunde Skepsis bewahren sollte – und sich vermutlich nicht zu sehr über diese angebliche Entdeckung freuen sollte.

© Greg Taylor / TheDailyGrail.com

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Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
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