Erdmagnetfeld kann sich 10x schneller ändern als bislang gedacht
Leeds (Großbritannien) – Eine neue Studie zeigt, dass sich die Ausrichtung des Magnetfeldes der Erde 10 mal schneller umkehren kann als bislang gedacht.
Wie Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen um Dr. Chris Davis von der University of Leeds und der University of California at San Diego aktuell im Fachjournal “Nature Communications” (DOI: 10.1038/s41467-020-16888-0) berichten, offenbart ihr Studienergebnis neue Erkenntnisse über einen wirbelnden Fluss flüssigen Eisens 2.800 Kilometer unter der Erdoberfläche und dessen Einfluss auf das Erdmagnetfeld im Verlauf der letzten 100.000 Jahre.
Hintergrund
Das Magnetfeld der Erde wird von einem konvektiven Fluss geschmolzenen Metalls erzeugt und aufrechterhalten, der den äußeren Kern der Erde bildet. Die Bewegung des flüssigen Eisens erzeugt die elektrischen Ströme, die das Feld antreiben. Das Magnetfeld der Erde hilft nicht nur, Navigationssysteme zu leiten, sondern schützt uns auch vor schädlicher Strahlung von der Sonne und aus dem All, sondern hält auch unsere Atmosphäre an Ort und Stelle. Doch das Erdmagnetfeld ändert sich fortwährend.
Um die Entwicklung des Erdmagnetfeldes rückwärts in der Zeit zu untersuchen, haben Wissenschaftler bereits in zahlreichen früheren Studien Sedimentproben, Proben aus einstigen Lavaströmen und menschliche Artefakte untersucht, die die Ausrichtung des Magnetfeldes zur Zeit ihrer Entstehung dokumentieren. Da es aber schwer ist, die genauen Signale des Erdmagnetfeldes in derartigen Proben zu bestimmen, gilt die genaue zeitliche Zu- und Einordnung der historischen Ausrichtungen des Feldes bis heute als umstritten.
Aus diesem Grund haben sich die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler um Davis der Frage nun auf einem anderen Weg genähert und Computersimulationen des Magnetfeldes mit einer jüngst veröffentlichten Rekonstruktion der Zeitvariationen im Erdmagnetfeld im Verlauf der vergangenen 100.000 Jahre kombiniert.
Das Ergebnis zeigt, dass sich Veränderungen in der Ausrichtung des Erdmagnetfeldes um das Zehnfache schneller einstellen können als die bislang schnellsten Schätzungen dieser Rate.
www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER können Sie den täglichen kostenlosen GreWi-Newsletter bestellen +
„Da diese schnellen Veränderungen ein extremes Verhalten des flüssigen Erdkerns darstellen, liefern sie auch wichtige Informationen über das Verhalten des tiefen Erdeinneren“, so Davis.
Die Studie zeigt zudem, dass die beschriebenen schnellen Veränderungen mit lokalen Schwächungen des Magnetfeldes einhergehen. Das wiederum bedeutet, dass diese Veränderungen grundsätzlich dann eintraten, wenn das Feld auch seine Polarität umgekehrt hatte, oder während geomagnetischer Wanderungen, als sich die Dipol-Achse des Feldes deutlich von den Orten der geografischen Nord- und Südpole entfernt hatte.
Das deutlichste Beispiel dieser Veränderungen stellt eine scharfe Veränderung in der Ausrichtung des geomagnetischen Feldes um etwa 2,5 Grad pro Jahr vor rund 39.000 Jahren dar. „Diese Veränderung ging mit einer lokalen Schwächung der Feldstärke in einer Region vor der Westküste Zentralamerikas einher und folgte dem globalen sogenannten Laschamp-Ereignis – einer kurzzeitigen Umkehrung des Erdmagnetfeldes, die vor etwa 41.000 (±2000) Jahren stattfand und ungefähr 440 Jahre andauerte.
Die Analyse zeigt, dass die schnellsten Richtungsänderungen mit der Bewegung von Flecken mit umgekehrtem Fluss auf der Oberfläche des flüssigen Kerns verbunden sind. Diese Flecken sind in niedrigeren Breiten häufiger anzutreffen, was darauf hindeutet, dass sich zukünftige Suchen nach schnellen Richtungsänderungen auf diese Bereiche konzentrieren sollten.
WEITERE MELDUNGEN ZUM THEMA
Rätsel um wandernden Nordpol gelöst? 11. Mai 2020
Neuste Messungen: Nordpol wandert weiter Richtung Sibirien 20. Dezember 2019
Studie zeigt: Schnelle Polumkehr doch möglich 24. August 2018
Geologen: „Südatlantische Anomalie ist kein Anzeichen für beginnende Polumkehr“ 1. Mai 2018
Entwarnung: Polumkehr steht nicht mittelbar bevor 30. November 2015
Quelle: University of Leeds, Nature
© grenzwissenschaft-aktuell.de