Studie: Erstmalige Besiedlung Australiens wurde von einer fortgeschrittenen Seefahrerkultur zielgerichtet geplant

Adelaide (Australien) – Gleich zwei aktuelle Studien haben sich der Frage nach der für die erfolgreiche Erstbesiedlung des australischen Kontinents notwendigen Populationsgröße angenommen und kommen zu einer erstaunliche Schlussfolgerung: Australien – genauer gesagt der Megakontinent „Sahul“ – muss gezielt von einer großen Menschengruppe besiedelt worden sein, die schon über ein für die damalige Zeit erstaunlich ausgefeiltes technologisches Wissen für den Bau von Wasserfahrzeugen verfügt haben müssen.
Wie das Team um Corey J. A. Bradshaw von der australischen Flinders University aktuell in einem Populärartikel auf „TheConversation.com“ und in zwei Fachartikeln in „Scientific Reports“ (DOI: 10.1038/s41598-019-42946-9) und „Nature Ecology and Evolution“ (DOI: 10.1038/s41559-019-0902-6) berichtet, waren für die nachweislich erfolgreiche Erstbesiedlung Australiens mehr als 1.000 Menschen nötig, um am Zielort eine lebensfähige Bevölkerung zu bilden. Die ersten Ankünfte in Australien waren zudem „keine zufällige Migration“ und mussten, so berichten die Forscher weiter, sorgfältig geplant worden sein.
„Unsere Daten deuten darauf hin, dass die Vorfahren der Aborigines, die Torres Strait Islander und der Melanesier, es im Rahmen einer organisierten, technologisch fortgeschrittenen Migration zuerst nach Australien geschafft haben und hier ein neues Leben begannen.“
Die Autoren geben zu bedenken, dass jener Kontinent, auf den die ersten Ankömmlinge trafen, nicht das war, was wir heute als Australien kennen: „Stattdessen schlossen sich Neuguinea, das australische Festland und Tasmanien zusammen und bildeten einen Megakontinent, der als Sahul bezeichnet wird.“ Dieser Megakontinent existierte von der Zeit vor der Ankunft der ersten Menschen bis vor etwa 8.000 bis 10.000 Jahren. „Wenn wir darüber sprechen, wie und auf welche Weise Menschen zum ersten Mal in Australien angekommen sind, meinen wir sprechen wir also genauer gesagt von Sahul.“
– HIER finden Sie eine interaktive fgrafische Simulation der einstigen Ausdehnung von Sahul
Wissenschaftlich belegt ist die Anwesenheit von Menschen in Australien seit 50.000 Jahren. Neuere Funde legen jedoch nahe, dass Australien schon viel früher – vor bis zu 120.000 Jahren – erstmals besiedelt wurde (…GreWi berichtete).
Zudem sprechen sowohl Funde als auch das mündlich überlieferte Ahnenwissen vieler Aborigines-Gemeinschaften in Nordaustralien dafür, dass die Menschen letztendlich über die Inseln im Nordwesten nach Australien kamen.

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Für ihre Untersuchungen haben die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen demografische Modelle entwickelt, um so herauszufinden, auf welcher Route diese Menschen am ehesten reisten.

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Die beiden Studie selbst diskutieren mehrere Möglichkeiten, wie der Mensch einst nach Australien kam und untersuchten diese auf indirekte Weisen: „Die Inselketten, über die die Menschen höchstwahrscheinlich nach Sahul kamen, nennen wir heute Indonesien und Timor-Leste.“
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Wie sich zeigt, war die sog. Nordroute, die die heutigen Inseln Mangoli, Buru und Seram mit Bird’s Head (West-Papua) verbindet, wahrscheinlich einfacher zu befahren als die Südroute von Alor und Timor zum heute versunkenen Sahul-Schelf vor der Küste des heutigen Kimberley. Doch obwohl die Südroute weniger wahrscheinlich erscheint, wäre sie dennoch möglich gewesen.
In einem nächsten Schritt wurden die demografischen Modelle dann erweitert, um herauszufinden, wie viele Menschen angekommen sein mussten, um auf einem neuen Inselkontinent zu überleben, und um abzuschätzen, wie viele Menschen die Landschaft ernähren konnte.

Copyright: Michael Bird et al.
Für ihre Analyse konnten die Forscher auf eine einzigartige Kombination von Fruchtbarkeits-, Langlebigkeits- und Überlebensdaten von Jäger-Sammler-Gesellschaften auf der ganzen Welt, sowie auf vorhandene Klimadaten zurückgreifen:
„Unsere Simulationen zeigen, dass mindestens 1.300 Menschen bei einem einzigen Migrationsereignis nach Sahul angereist sein müssen – und das unabhängig von der gewählten Route. Wären es weniger gewesen, so hätten sie wahrscheinlich nicht überlebt. Die Gründe hierfür sind die gleichen, weswegen es unwahrscheinlich ist, dass sich eine bedrohte Art von nur auf der Grundlage weniger verbliebener Individuen erholen kann. (…) Alternativ könnten auch kleinere Gruppen von mindestens 130 Menschen über einen Zeitraum von 700 Jahren alle 70 Jahre den Kontinent erreicht haben“, bevor der Meeresspiegelanstieg Australien vor etwa 8.000 bis 10.000 Jahren von Neuguinea trennte.“
„Unsere Daten deuten darauf hin, dass die Besiedlung und Bevölkerung von Sahul kein Unfall oder ein zufälliges Ereignis gewesen sein kann. Es war viel mehr eine geplante und gut organisierte Seemigration“, so Bradshaw. „Unsere Ergebnisse stimmen mit Ergebnissen aus mehreren Studien überein, die ebenfalls darauf hindeuten, dass diese Anzahl von Menschen erforderlich ist, um eine neue Umgebung erfolgreich zu bevölkern – insbesondere, wenn sich Menschen aus Afrika ausbreiten und in neue Regionen auf der ganzen Welt gelangen.“
Die Ergebnisse der Studie haben faszinierende Konsequenzen für unser Verständnis und Wissen über die Geschichte der Besiedlung Australiens und seiner ersten menschlichen Bewohner: „Sie bestätigen, dass die ersten Vorfahren der Aborigines, die Torres Strait Islander und Melanesier, die in Sahul ankamen, über ausgefeiltes technologisches Wissen für den Bau von Wasserfahrzeugen verfügt haben müssen und in der Lage waren, langfristig und komplex zu planen.
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