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Erstmals beobachtet: Schimpansen verarzten offene Wunden mit Insekten

Zwei Schimpansen in freier Wildbahn fangen fliegende Insekten, zerdrücken diese und bringen sie auf eigene und die Wunden von anderen Gruppenmitgliedern auf. Copyright: Tobias Deschner / Ozouga
Zwei Schimpansen in freier Wildbahn fangen fliegende Insekten, zerdrücken diese und bringen sie auf eigene und die Wunden von anderen Gruppenmitgliedern auf.
Copyright: Tobias Deschner / Ozouga

Osnabrück (Deutschland) – Ein Forscherteam hat erstmals Schimpansen in freier Wildbahn dabei beobachtet, wie sie fliegende Insekten fangen, zerdrücken und in ihre eigenen und den Wunden von Artgenossen auftragen. Es könnte sich um die erste Beobachtung der gezielten Nutzung einer nichtmenschlichen Behandlung mit Insekten handeln, die entzündungshemmende oder antiseptische Substanzen beinhalten.

Wie das Team aus Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen der Universitäten Osnabrück und Leipzig aktuell im Fachjournal „Current Biology“ (DOI: 10.1016/j.cub.2021.12.045) berichten, gelangen ihnen die Beobachtungen im Rahmen des gemeinsamen „Ozouga“-Schimpansenprojekt im Loango Nationalpark in Gabun.

Wie das Team unter der Leitung des Primatologen Dr. Tobias Deschner und der Kognitionsbiologin Prof. Dr. Simone Pika von der Universität Osnabrück berichtet, erforschen sie das Verhalten einer Schimpansen-Gemeinschaft von rund 45 Schimpansen mit besonderem Augenmerk auf ihren sozialen Beziehungen, Interaktionen und Streitigkeiten mit anderen Gruppen, dem Jagdverhalten, ihrem Werkzeuggebrauch sowie ihren kognitiven und kommunikativen Fähigkeiten. Über einen Zeitraum von 15 Monaten dokumentierte das Ozouga-Team dabei 76 Ereignisse mit offenen Wunden, von denen 22 Wunden mit Insekten „behandelt“ wurden.

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Alessandra Mascaro, Mitarbeiterin bei der Ozouga-Station, beschreibt das von ihr beobachtete Verhalten: „Die Schimpansen fingen sich ein fliegendes Insekt aus der Luft oder von Blättern, und zerdrückten es mit ihren Lippen. Das flachgedrückte Insekt platzierten sie mit den Fingern oder dem Mund auf der offenen Wunde und bewegten es dort mit den Fingerspitzen hin und her. Mit dem Mund oder den Fingern lösten die Schimpansen das Insekt dann wieder aus der Wunde und wiederholten den Vorgang des zwischen die Lippen Pressens und auf die Wunde Applizierens mehrmals.“

Schimpansen betrachten die Versorgung einer Wunde mit Insekten durch einen Artgenossen. Copyright: Tobias Deschner / Ozouga
Schimpansen betrachten die Versorgung einer Wunde mit Insekten durch einen Artgenossen.
Copyright: Tobias Deschner / Ozouga

Zwar war bereits zuvor bekannt, dass neben uns Menschen auch viele Tiere Pflanzenteile oder andere Substanzen nutzen, um sich gegen Krankheitserreger zu schützen, doch die gezielte Benutzung von Insekten stellt eine bislang unbekannte Facette diese „medizinischen Anwendungen“ dar: „Unsere nächsten lebenden Verwandten, die Schimpansen und Bonobos, verzehren zum Beispiel bestimmte Blätter, um sich gegen Darmparasiten zu wehren. Die Verwendung von Insekten – mit nachgewiesenen schmerzlindernden und entzündungshemmenden Eigenschaften – war bislang nur vom Menschen bekannt und ist noch nicht bei Schimpansen oder anderen Tieren beobachtet worden“, so Simone Pika. Neben der Anwendung der Insekten selbst, beobachteten die Forschenden aber auch mit nicht weniger Erstaunen, dass die Tiere auf diese Weise nicht nur ihre eigenen, sondern auch die Wunden von anderen Gruppenmitgliedern mithilfe der zerdrückten Insekten behandelten: „Solche prosozialen Verhaltensweisen, d.h. Verhaltensweisen zum Wohle anderer, sind bis jetzt nur sehr selten in nicht-menschlichen Tieren beobachtet worden“, führt Pika weiter aus.

Zum Thema

Für den Direktor der Ozouga-Station in Gabun, den Primatologen Dr. Tobias Deschner, ist das ein Grund, die Forschung künftig zu intensivieren: „Es ist faszinierend, dass uns Schimpansen trotz jahrzehntelanger Forschung immer wieder mit neuen Verhaltensweisen und Fähigkeiten überraschen. Unsere Studie zeigt eindrücklich, dass es noch so vieles über unsere nächsten Verwandten zu entdecken gibt, und dass wir uns viel intensiver für ihren Schutz und den Schutz ihrer Lebensräume einsetzen müssen.“

Die Projekthomepage der Ozouga-Station finden Sie HIER




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Recherchequellen: Universität Osnabrück

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Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
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