Erstmals Magnetar als Quelle scnheller Radioausbrüche in der Milchstraße identifiziert
Cambridge (USA) – Schnelle Radioausbrüche (Fast Radio Bursts, FRBs) gelten als eines der derzeit größten Rätsel der Astronomie. Neben astrophysikalischen Ereignissen wurden und werden auch künstliche Quellen diskutiert. Nachdem immer mehr FRBs detektiert werden, ist bereits bekannt, dass es offenbar unterschiedliche Quellen der Radioblitze gibt. Nun haben Astronomen erstmals einen magnetisierten Stern, einen sog. Magnetar, unserer Milchstraße als eine der möglichen Quellen identifiziert.
Wie Astronomen am Massachusetts Institute of Technology (MIT) gemeinsam mit Kollegen der McGill University, der University of British Columbia, der University of Toronto und dem Perimeter Institute for Theoretical Physics (allesamt Mitglieder des „Canadian Hydrogen Intensity Mapping Experiment“, CHIME) aktuell im Fachjournal „Nature“ (DOI: 10.1038/s41586-020-2863-y; 10.1038/s41586-020-2872-x) berichten, haben sie zum ersten Mal derart schnelle Radioausbrüche einer Quelle in unserer eigenen Galaxie beobachtet. Es handelt sich somit um die uns nächstgelegenen FRBs, die bisher erkannt wurden. Zugleich ermöglichte es diese Nähe auch, die Quelle zu lokalisieren.
„Wie es scheint, werden die Signale von einem Magnetar erzeugt“, erläutert Kiyoshi Masui, Assistenzprofessor für Physik am MIT und führt dazu weiter aus: „Dabei handelt es sich um eine Art Neutronenstern mit einem enorm starken Magnetfeld.“
Hintergrund
Bei FRBs handelt es sich um hochenergetische Radioblitze von nur wenigen Millisekunden Dauer. Bislang ist noch völlig unbekannt, wovon die ultrakurzen Radioblitze ausgelöst werden. Während selbst einige Astronomen hoffen, dass es sich zumindest bei einigen dieser Radioblitze um absichtlich oder indirekt von außerirdischen Zivilisationen ausgesandte Signale handeln könnte, vermuten andere extreme astrophysikalische Phänomene als Auslöser (…siehe Links u.). Bislang wurden 85 der mysteriösen Signale aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen registriert. Alleine, dass die Signale nicht nur aus einer außerirdischen, sondern auch außergalaktischen Quelle entstammen, ist anhand der bislang vorliegenden Beobachtungdaten bekannt. Zumindest die Quelle eines der wenigen sich wiederholenden Radioblitze, das Signal „FRB121102“ konnte 2017 einer stark magnetisierten Umgebung zugeschrieben werden (…GreWi berichtete). Jüngste Verortungen eines einmaligen FRB zeigten dann jedoch, dass dieser aus einer gänzlich anderen astrophysikalischen Umgebung kam, woraus sich ableiten lässt, dass FRBs nicht zwangsläufig einer einzigen Quelle entstammen müssen (…GreWi berichtete).
Tatsächlich haben Physiker bereits zuvor angenommen, dass Magnetare FRBs produzieren könnten. Die Studie liefert nun erstmals direkte Beobachtungsnachweise dafür, dass Magnetare tatsächlich eine Quelle der schnellen Radioausbrüche sind. Zugleich ist es das erste Mal, dass Astronomen einen dieser exotischen schnellen Funkstöße einem einzelnen astrophysikalischen Objekt zuordnen konnten.
Geortet wurden die FRBs bei Beobachtungen des Magnetars rund 30.000 Lichtjahre entfernt im Milchstraßenzentrum gelegenen Magnetars „SGR 1935 + 2154“ mit dem CHIME-Teleskop (…GreWi berichtete) Ende April 2020, einem der wenigen bekannten Magnetare in unserer Galaxie. „Bereits zuvor zeigte dieser Magnetar Aktivität im Röntgenbereich, weshalb die Astronomen ihn auch genauer in Visier genommen hatten“, sagt Masui.
Diese Beobachtungen zeigten, dass dem magnetischen Ausbruch im Röntgenband innerhalb von mehreren Millisekunden zwei scharfe Radioausbrüche folgten. Die Astronomen konnten diese Funkausbrüche bis zu einem Punkt am Himmel verfolgen, der innerhalb eines Bruchteils eines Grades von „SGR 1935 + 2154“ lag – also jenem Magnetar, der zur gleichen Zeit Röntgenstrahlen ausstrahlte. „Sollten die Radiosignale von einem anderen Objekt in der Nähe des Magnetars kommen, wäre das also schon ein sehr großer Zufall“, so Masui.
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Folgende Helligkeitsmessungen des Magnetars während der FRBs zeigten, dass der Magnetar im Bruchteil einer Sekunde, in dem der FRB aufblitzte, 3.000-mal heller war als jedes andere Magnetar-Funksignal, das bisher beobachtet wurde. „Diese Messungen waren es denn auch, die aufzeigten, dass dies kein normaler Puls ist. Dies ist ein schneller Radioausbruch aus unserer eigenen Galaxie, der tausende Male heller ist als jeder andere Impuls, den wir bislang gesehen haben.“
Nachdem nun also gezeigt werden konnte, dass Magnetare schnelle Radioausbrüche erzeugen können, bleibt die Frage: Wie? Obwohl es zahlreiche Vorschläge gibt, sind sich die Wissenschaftler nicht sicher, wie FRBs erzeugt werden und wie Magnetare sie erzeugen könnten. „Die meisten Radioemissionen im Universum werden durch einen als Synchrotronstrahlung bekannten Prozess erzeugt“, erläutern die Forscher. „Hierbei interagiert Gas zufällig bewegter hochenergetischer Elektronen mit Magnetfeldern auf eine Art und Weise, die Energie im Radiofrequenzbereich emittiert. Radiowellen werden oft auf diese Weise von supermassiven Schwarzen Löchern, Supernova-Überresten und heißem galaktischen Gas erzeugt“.
Physiker vermuten allerdings, dass Magnetare Radiowellen durch einen völlig anderen Prozess erzeugen könnten, bei dem Elektronen, anstatt zufällig mit einem Magnetfeld zu interagieren, dies in großer Menge tun. Ein solcher „kohärenter“ Prozess ähnelt der Art und Weise, wie wir Radiowellen auf der Erde erzeugen, indem wir Elektronen durch einen Draht in eine Richtung lenken. „Wir glauben, dass ein solcher Prozess – kohärente Ströme, die durch den Weltraum fließen – diese Funkemissionen verursachen“, so Masui. „Die Mechanik, wie dies astrophysikalisch in Magnetaren oder Pulsaren geschieht, ist allerdings noch nicht wirklich verstanden.“
Seit der Entdeckung des FRB-Magnetars, haben auch andere Astronomie-Gruppen unterschiedliche Teleskope die Quelle untersucht und berichten, dass der Magnetar nachfolgende, allerdings schwächere FRBs ausgesendet hat. „Der Magnetar hat seither interessante Aktivitäten gezeigt und wir versuchen zusammenzufassen und zu verstehen, was das alles bedeutet“, so Masui abschließend. „Wir haben jetzt zwar auch andere Magnetare im Blick, aber das Wichtigste ist jetzt, diese eine Quelle zu studieren, um zu sehen, was sie uns über die Entstehung von FRBs sagen kann.“
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Quelle: MIT
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