Erstmals Ubaid-Tonkopf in der Golfregion entdeckt
Warschau (Polen) – Neuste Grabungsfunde an der arabischen Ausgrabungsstätte Bahra 1 in der Wüste von Al-Subiyah im Norden Kuwaits haben einen seltenen, für die hiesige Region einzigartigen Tonkopf der Ubaid-Kultur zutage gefördert, dessen Bedeutung und Zweck die Archäologen vor ein Rätsel stellt.
Inhalt
Wie das Team der Kuwaiti-Polish Archaeological Mission (KPAM) um Prof. Piotr Bieliński, Dr. Agnieszka Pieńkowska und Mohammad ben Redha aktuell berichtet, wurden die Funde in Bahra 1 ins mittlere 6. Jahrtausend v. Chr. datiert. Damit gehörte der Ort sie zu den ältesten und größten bekannten Siedlungen auf der Arabischen Halbinsel.
Die laufenden Ausgrabungen zeigen demnach, dass Bahra 1 ein Schlüsselort ist, um den kulturellen Austausch zwischen arabischen neolithischen Gesellschaften und der Ubaid-Kultur (Obed) zu verstehen, die sich von Mesopotamien über ein weites Gebiet erstreckte, von Anatolien bis zur Arabischen Halbinsel.
Kleiner Kopf, große Bedeutung
Mehrere einzigartige Funde werfen nun ein neues Licht auf die damalige Zeit. Eine dieser Funde, ist ein kleiner, fein gearbeiteter Tonkopf mit einem verlängerten Schädel, schrägen Augen und einer flachen Nase (s. Titelabb.). „Solche Merkmale sind typisch für Figurinen der Ubaid-Kultur.“ Solche Figurinen wurden bisher vor allem in Gräbern und Haushaltskontexten in Mesopotamien gefunden. Dieser Fund in Bahra 1 ist nun also der erste seiner Art in der Golfregion.
Hintergrund
Neben Figurinen verschiedener Tiere, darunter Hunde, Schafe und Rinder, ist die Ubaid-Kultur besonders für die antropomorphen Figurinen bekannt, die schon auf ähnliche ältere Darstellungen zurückgehen und auch als „ophidischen Figurinen“ bezeichnet werden. Diese wurden meist sowohl sitzend als auch stehende dargestellt, wobei Farbe verwendet wurde, um Körperteile, Kleidung oder Körpermodifikationen hervorzuheben.Bislang wurden die mehrheitlich weiblichen ophidische Figurinen wurden ausschließlich an verschiedenen Fundstellen in Südmesopotamien entdeckt. Sie zeichnen sich durch einen schlanken Körper und einen langen, reptilienartigen Kopf mit eingeritzten Augen und einem Mund sowie einer dreidimensional gestalteten kleinen Nase aus. Die traditionelle Archäologie sieht in der spezifischen Darstellung des Gesichts eine Maske oder möglicherweise Hinweise auf künstlich herbeigeführte Manipulationen der Kopfform.
Die Hände sind vor dem Bauch platziert, manchmal mit eingeritzten Fingern, und die Figuren scheinen nackt zu sein. Farbe wurde gelegentlich verwendet, um Haare oder andere Details zu markieren. In der frühen Ubaid-Zeit wurden ophidische Figuren ausschließlich in häuslichen Kontexten verwendet. Ab der Ubaid 3-4-Phase tauchten sie jedoch auch in Gräbern auf, was auf eine Veränderung in ihrer Nutzung hindeutet. Die Seltenheit ophidischer Figuren als Grabbeigaben könnte auf eine differenzierte Behandlung der Toten hinweisen, möglicherweise basierend auf Alter, Verwandtschaft oder sozialem Status. Das ungewöhnliche Aussehen der Figuren führt auch dazu, dass die Ubaid-Figuren als Beleg für außerirdische Besuche in Mesopotamien gedeutet wurden und werden. Erwartungsgemäß lehnt die klassische Archäologie diese Deutung bislang ab.
„Seine Präsenz des Ubaid-Kopfes wirft spannende Fragen über seinen Zweck und den symbolischen oder möglicherweise rituellen Wert auf, den er für die Menschen dieser alten Gemeinschaft hatte“, sagt Prof. Piotr Bieliński, der das Stück untersucht hat.
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Lokale und gehandelte Töpferware
Eine weitere wichtige Entdeckung am Grabungsort betrifft den Nachweis lokaler Keramikproduktion. Seit Beginn der Ausgrabungen wurden zwei Arten von Keramik gefunden: die Ubaid-Keramik, die aus Mesopotamien importiert wurde, und eine völlig andere Art, die als Coarse Red Ware (CRW) bekannt ist und von Fundstellen auf der Arabischen Halbinsel stammt. Letztere wurde lange als lokal produziert beschrieben, doch konkrete Hinweise auf ihre Herstellungsorte fehlten bisher. Bahra 1 liefert nun schlüssige Beweise, darunter ein ungebranntes Tongefäß. Die neuen Funde bestätigen nun, dass Bahra 1 die älteste bekannte Produktionsstätte für Keramik im Golf ist.
Die lokale Keramikproduktion eröffnet zudem Einblicke in die Umweltgeschichte der Region, die durch archäobotanische Analysen untersucht werden können. Dies liegt daran, dass kleine Pflanzenreste, wie Spreu, oft während der Herstellung von Gefäßen dem Ton beigemischt werden. „Solche organischen Überreste wurden sowohl in der Ubaid- als auch in der CRW-Keramik gefunden.“ Diese Pflanzenreste können Aufschluss über die lokale Flora des mittleren 6. Jahrtausends v. Chr. geben können. Tatsächlich fanden sich denn auch in der lokal produzierten Keramik Spuren von Wildpflanzen, insbesondere Schilfrohr. Hingegen finden sich in der importierten Ubaid-Keramik Überreste von Kulturpflanzen, darunter Gerste und Weizen. Die Funde legen nun Verbindungen zwischen der arabischen Neolithik und der mesopotamischen Ubaid-Kultur nahe.
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Recherchequelle: Polish Centre of Mediterranean Archaeology, University of Warsaw
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