Existenz Dunkler Materie soll durch galaktischen Test geklärt werden
Simulation: Diese Abbildung zeigt die Verteilung der Dunklen Materie (oben) und die sichtbaren Sterne (unten).
Copyright: E. Garaldi, C. Porciani, E. Romano-Díaz /Universität Bonn für die ZOMG Kollaboration
Bonn (Deutschland) – Gemeinsam mit US-Kollegen haben Wissenschaftler der Universität Bonn hochwertige Simulationen verwendet, um einen Test zu konzipieren, mit dem sich die Frage nach der Existenz der sog. Dunklen Materie klären lässt. Sollte der Nachweis der Dunklen Materie schließlich nicht gelingen, müssten die von Newton aufgestellten Gravitationsgesetze modifiziert werden.
Wie das Team um Prof. Dr. Cristiano Porciani von der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und Marcel S. Pawlowski von der University of California in Irvine aktuell im Fachjournal „Physical Review Letters“ (DOI: 10.1103/PhysRevLett.120.261301) berichten, haben sie an einem Supercomputer die Materieverteilung so genannter Satelliten-Galaxien simuliert. Hierbei handelt es sich um kleine Galaxien-Zwerge, die etwa die Milchstraße oder den Andromeda-Nebel umgeben.
Hintergrund
Diese Frage nach der Existenz der Dunklen Materie ist eine der drängendsten Fragen der modernen Kosmologie. Dass es die sog. Dunkle Materie gibt, wurde schon vor mehr als 80 Jahren von dem Schweizer Astronomen Fritz Zwicky vorgeschlagen. Zwicky hatte erkannt, dass sich Galaxien in Galaxienhaufen so schnell bewegen, dass sie eigentlich auseinandertreiben müssten und postulierte daher die Anwesenheit einer unsichtbaren Materie, die aufgrund ihrer Masse genügend Gravitation ausübt, um das zu verhindern. Seine US-Kollegin Vera Rubin entdeckte in den 1970er Jahren ein ähnliches Phänomen bei Spiralgalaxien wie der Milchstraße: Sie rotieren so schnell, dass sie eigentlich durch die Fliehkraft auseinandergerissen werden sollten.Heute sind die meisten Physiker davon überzeugt, dass die rätselhafte Dunkle Materie sogar rund 80 Prozent der Masse im Universum ausmacht. Da sie nicht mit Licht interagiert, ist sie für Teleskope unsichtbar. Allerdings würde ihre Existenz hervorragend zu einer Reihe weiterer Beobachtungen passen – etwa zur Verteilung der Hintergrundstrahlung, die sich als ein „Nachglühen“ des Urknalls bemerkbar macht. Auch die Anordnung und Entstehungsgeschwindigkeit der Galaxien im Universum lässt sich mit ihr gut erklären.
Ein direkter Nachweis, dass es sie gibt, steht aber trotz zahlreicher experimenteller Bemühungen bislang aus. Das brachte Astronomen zu der Hypothese, dass sich die Gravitationskräfte selbst möglicherweise anders verhalten als bislang gedacht. Diese Theorie trägt das Kürzel MOND (MOdifizierte Newton’sche Dynamik). Nach ihr gehorcht die Anziehung zwischen zwei Massen nur bis zu einem bestimmten Punkt den Newton’schen Gesetzen. Bei sehr kleinen Beschleunigungen, wie sie in Galaxien vorherrschen, wird die Gravitation dagegen erheblich stärker. Daher reißen Galaxien durch ihre Drehgeschwindigkeit auch nicht auseinander. Auf den mysteriösen „Sternenkitt“ im Form von Dunkler Materie kann die MOND-Theorie deshalb verzichten. Die neue Studie gibt Astronomen die Möglichkeit die zwei Hypothesen zu überprüfen.
Quelle: Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn
Bei ihrer Simulation fokussierten sich die Forscher auf einen Zusammenhang mit der Bezeichnung „radial acceleration relation“ (RAR): „In Galaxien bewegen sich die Sterne auf kreisförmigen Bahnen um ein Zentrum“, erläutert die Pressemitteilung der Universität Bonn und führt dazu weiter aus: „Sie unterliegen also einer Beschleunigung, die sie zu einem ständigen Wechsel ihrer Richtung zwingt. Diese wird durch die Anziehungskraft der Materie in der Galaxie verursacht. Wenn man nur die sichtbare Materie zugrunde legt, müsste die Beschleunigung sehr viel geringer ausfallen. Die RAR beschreibt das Verhältnis zwischen diesem Wert und der tatsächlich beobachteten Beschleunigung. Sie erlaubt so einen Einblick in die Struktur von Galaxien.“
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Zum ersten Mal haben die Wissenschaftler dann die RAR von Zwerg-Galaxien unter der Voraussetzung simuliert, dass es Dunkle Materie gibt. „Dabei zeigte sich, dass diese sich im Prinzip genauso verhalten wie große Galaxien, nur dass sie eben kleiner sind“, berichtet Porciani. „Was aber, wenn es keine Dunkle Materie gibt und stattdessen die Gravitation anders ‚funktioniert‘, als Newton es sich dachte?“ Schon zuvor hatten Arbeitsgruppen zeigen können, dass dann die RAR von Zwerg-Galaxien stark von der Entfernung zu ihrer Muttergalaxie abhängt, während das nicht passiert, wenn Dunkle Materie existiert. „Damit eignen sich die Ergebnisse als Test, ob es Dunkle Materie wirklich gibt.“
Der von Gaia aufgenommene Himmel in Farbe
Copyright: ESA/Gaia/DPAC
Eine Antwort soll die ESA-Raumsonde Gaia liefern, die seit 2013 Satelliten-Galaxien und Sterne der Milchstraße im Detail untersucht. Doch auch mit Hilfe der sich stetig verbessernden Gaia-Daten wird eine Antwort auf die Frage wohl noch einige Jahre auf sich warten lassen: „Mit einzelnen Messungen lassen sich die kleinen Unterschiede, die wir festgestellt haben, nicht entdecken. Dazu sind die Instrumente des Satelliten nicht genau genug“, so die Forscher. „Wiederholte Aufnahmen der gleichen Sterne erlauben mit der Zeit immer genauere Aussagen. Über kurz oder lang sollte sich dadurch feststellen lassen, ob sich die Zwerg-Galaxien wie in einem Universum mit Dunkler Materie verhalten – oder eben nicht.“
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