Exo-Aurorae: Astronomen entdecken erstmals nahen, kleinen Exoplaneten mittels ferner Polarlichter
Dwingeloo, (Niederlande) – Astronomen haben ungewöhnliche Radiowellen aufgefangen, die die einzigartigen Signaturen von Polarlichtern tragen, wie sie nur durch die Wechselwirkung zwischen den Magnetfeldern des beobachteten Sterns und einem diesen umkreisenden Planeten verursacht werden können. Bei dem auf diese Weise neu entdeckten Planeten handelt es sich vermutlich um einen Felsplaneten von der mehrfachen Masse unserer Erde, der einen Stern in gerade einmal 26 Lichtjahren Entfernung zur Sonne umkreist. Die neue Methode könnte eine Vielzahl erdgroßer und potentiell lebensfreundlicher Planeten um Rote Zwergsterne entdecken, wie sie mit anderen Suchmethoden nur schwer zu finden sind.
Wie das Team um Harish Vedantham von der niederländischen Astronomiestiftung ASTRON aktuell im Fachjournal „Nature Astronomy“ (DOI: 10.1038/s41550-020-1011-9) berichtet, stammen die nun detektierten Radiowellen von dem Sterns “GJ 1151” im Sternbild Großer Bär (Ursus Major, das im deutschen Sprachraum eher als „Großer Wagen“ bekannt ist). Die neue Methode leiteten die Astronomen aus jahrzehntealten Beobachtungen bestimmter Polarlichter des Planeten Jupiter ab, die durch die Wechselwirkung der Atmosphäre des Jupitermondes Io mit dem starken Magnetfeld des Planeten entstehen. Schon zuvor hatten Astrophysiker vermutet, dass sich ähnliche Wechselwirkungen in sehr viel größerem Maßstab auch zwischen Sternen und Planeten zutragen können.
Hintergrund
Derzeit nutzen Planetensucher hauptsächlich zwei Methoden, um Planeten um ferne Sterne zu entdecken: Die sogenannte Transitmethode such nach minimalen Abschwächungen im Licht eines Sternes, wie sie von einem oder mehreren vor der „Sonnenscheibe“ ihres Stern vorbeiziehenden Planeten während des sogenannten Transits verursacht werden. Zwar wurden auf diese Weise – vornehmlich von den NASA-Weltraumteleskopen „Kepler“ und „TESS“ – bislang die meisten Exoplaneten entdeckt, doch erlaubt diese Methode lediglich die Entdeckung solcher Planeten, die ihren Stern auf einer Ebene umkreisen, die mit der Blickachse von der Erde oder einem entsprechenden Weltraumteleskop aus, übereinstimmt. Die zweite Methode, die sogenannte Radialgeschwindigkeitsmethode such nach minimalsten Schwankungen des Sterns selbst, wie sie von der Schwerkraftwechselwirkung mit dem Stern umkreisenden Planeten verursacht werden.
Beim Studium des Jupitersystems entdeckten Astronomen bereits vor Jahrzehnten, dass der Gasriese auf die beschriebene Weise selbst Radiowellen erzeugt, die meist in kreisrunder Weise polarisiert werden und die im niedrigen Frequenzbereich stärker sein können als Radiowellen der Sonne. Das Magnetfeld der Sonne ist aber nicht stark genug und die Entfernungen im Sonnensystem sind zu groß, um einen ähnlichen Effekt mit den anderen Planeten im Sonnensystem zu erzeugen.
Anders sieht diese Situation jedoch angesichts roter Zwergsterne und ihrer Planeten aus: Die langlebigen, kleinen und lichtschwachen Sterne besitzen ein sehr viel stärkeres Magnetfeld als unsere Sonne und ihre Planeten umkreisen sie meist sehr viel dichter als unsere Planeten.
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Vor diesem Hintergrund hatten Astronomen schon zuvor angenommen, dass Planeten, die solche sogenannten Rote Zwerge vergleichsweise dicht umkreisen, ähnliche aber noch stärkere Radioemissionen erzeugen als jene, die von der Interaktion zwischen Jupiter und Io ausgehen.
„Die Bewegungen eines solchen Planeten durch die Magnetfelder eines Roten Zwerges wirken wie einen elektrischer Motor“, erläutert der ASTRON-Astronom Harish Vedantham. „Man könnte das mit einem Fahrrad-Dynamo vergleichen. Nur erzeugt dieser Dynamo gewaltige Ströme, die Polarlichter und Radioemissionen über den Polen des Sterns und vermutlich auch über dem entsprechenden Planeten erzeugen.“
Auf der Grundlage dieser Idee suchten die Astronomen sodann mit dem europaweiten Radioteleskopverbund LOFAR nach entsprechend polarisierten niedrigfrequenten Radiowellen und entdeckten hierbei eine ganze Reihe an derartigen Emissionen von roten Zwergsternen, darunter auch jene des besonders sonnennahen und deshalb für weitere Beobachtungen besonders geeigneten „GJ 1151“.
Während viele Rote Zwerge extrem aktiv sind und den Raum um sie fortwährend mit Strahlung von Sonnenausbrüchen fluten, selbst schnell rotieren oder mit einem Partnergestirn wechselwirken, handelt es sich bei „GJ1151“ um einen deutlich ruhigeren Roten Zwerg, der sich selbst sehr langsam – einmal alle 130 Tage – sich um sich selbst dreht.
Um auszuschließen, dass die Radiosignale von einem bislang unbekannten Begleitstern verursacht werden, hat ein weiteres Team um Benjamin Pope von der New York University mit dem HARPS-N-Instrument des „Telescopio Nazionale Galileo“ auf der spanischen Insel La Palma nach Hinweisen auf einen solchen Begleiter gesucht, im Fachjournal „The Astrophysical Journal Letters“ (DOI: 10.3847/2041-8213/ab5b99) jedoch berichtet, dass sie trotz intensiver Suche keine Hinweise auf einen Begleitstern von „GJ 1151“ finden konnten, der für die nun detektierten Radiowellen verantwortlich sein könnte.
Da auch im visuellen Spektrum keinerlei Hinweise auf einen stellaren Begleiter gefunden werden konnten, gehen die Astronomen davon aus, dass die Radiowellen von einem Planeten verursacht werden, der jedoch zu klein ist, um mit optischen Instrumenten direkt entdeckt werden kann.
Während die Existenz dieses Planeten sowie dessen genaue Masse noch bestätigt und bestimmt werden müssen, vermuten die Autoren der Studie schon jetzt anhand der Beobachtungsdaten, dass es sich um einen Felsplaneten handelt, der seinen Stern einmal alle fünf Tage umkreist, dies aber in zu geringem Abstand zu seinen Stern tut, als dass er nach irdischen Maßstäben als potentiell lebensfreundlich bezeichnet werden könnte.
Sollte der beschriebene Planet bestätigt werden können, sehen die Astronomen in der nun aufgezeigten neuen Methode einen vielversprechenden Weg, auch und gerade nach potentiell lebensfreundlichen, erdgroßen Welten zu suchen: Sowohl bei der Transit- wie auch bei der Radialgeschwindigkeitsmethode sind die auf vorhandene Planeten verweisenden Effekte geradezu minimal. Das wiederum bedeutet, dass die Wahrscheinlichkeit, einen Planeten auf diese Arten zu entdecken, mit deren Größe steigt. Im Umkehrschluss bedeutet dies dann, dass die meisten der so entdeckten Exoplaneten eher das obere Ende der Größenskala abbilden – es sich also eher um Gas- und Eisriesen wie Jupiter, Saturn, Neptun und Uranus handelt – und kleinere, felsige Planeten auf diese Weise eher selten entdeckt werden.
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Die neue Methode und der nun mit ihr erstmals entdeckte Planet im Massen- und Größenspektrum sogenannter erdgroßer Planeten zeigt nun exemplarisch, dass auf diesem Weg auch solche Planeten gefunden werden können. Alleine anhand der jüngsten LOFAR-Daten, so schätzen die Autoren, sollten auf diese Weise schon in nächster Zeit dutzende ähnlicher Entdeckungen zu erwarten sein. Zugleich erlaube die Methode, auch die Magnetfeld-Umgebungen der so entdeckten Exoplaneten zu studieren, wie sie auch Auswirkungen auf dort potentiell vorhandenes Leben haben könnten.
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Quellen: ASTRON, New York University
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