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Fachartikel widerspricht Idee von Stonehenge als Kalender-Computer

Blick auf den Steinkreis von Stonehenge. Copyright: Operarius (via WikimediaCommons) / CC BY 3.0
Blick auf den Steinkreis von Stonehenge.
Copyright: Operarius (via WikimediaCommons) / CC BY 3.0

Milano (Italien) – Seit Jahrhunderten faszinieren die bis heute größtenteils erhalten Überreste des einst noch majestätischeren Steinkreises von Stonehenge in Südengland die Menschen und natürlich nicht zuletzt und gerade auch Archäologen. Eine weitverbreitete Theorie zu Stonehenge ist die, dass es sich um einen frühgeschichtlichen Kalender oder gar steinernen Computer zur Berechnung und Vorhersage von Jahreszeiten und astronomischen Ereignissen handelt. In einem aktuellen Fachartikel widersprechen nun zwei italienische Wissenschaftler diesem Bild.

Wie die beiden Archäoastronomen Juan Antonio Belmonte vom Instituto de Astrofísica de Canarias und der Universidad de La Laguna auf Teneriffa und Giulio Magli vom Politecnico Milano aktuell im Fachjournal Antiquity“ (DOI: 10.15184/aqy.2023.33) feststellen, habe die heutige Archäologie mittlerweile ein „recht klares Bild von Stonehenge als Denkmal, als Ort der Vorfahren, das sich in einer komplexen antiken Landschaft befindet, die mehrere andere Elemente umfasste“. Zu dieser Umgebung gehöre zwar auch eine offenkundige Ausrichtung des Komplexes auf den Sonnenaufgang der Sommersonnenwende wie auch auf den Sonnenuntergang der Wintersonnenwende bezieht. Dennoch gehe diese Ausrichtung nicht über die Markierung von Sonnenpunkten hinaus, so die beiden Autoren und widersprechen damit einer erst kürzlich nochmals ebenfalls in „Antiquity“ untermauerten Theorie, das Stonehenge als komplexer Kalender zur Berechnung eines 365-Tage-Jahres mit 12 Monaten zu je 30 Tagen und zusätzlichen fünf epagomenalen Tagen und Schaltjahren (…GreWi berichtete) genutzt werden könne.

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„Ein solcher Kalender ist mit dem alexandrinischen Kalender identisch“, attestieren auch Belmonte und Magli, doch sei gerade dieser schließlich erst zweitausend Jahre später, im ersten Jahrhundert vor Christus als Kombination des Julianischen Kalenders und des ägyptischen Zivilkalenders eingeführt worden.

Hintergrund
Um Stonehenge als „steinernen Kalender “ zu deuten, wird die Anzahl der Tage erhalten, indem die 30 Sarsen-Steine des ursprünglichen Bauwerks mit 12 multipliziert und die Anzahl der zentralen fünf stehenden sog. Trilithen (die Steintore in Hufeisenform) zu 360 addiert. Das Hinzufügen eines Schaltjahres alle vier Jahre hängt mit der Anzahl der sog. „Stationssteine“ zusammen, die tatsächlich vier entspricht. Laut der Theorie wurde Stonehenge so angeblich unter Verwendung der Sonnenwende-Ausrichtung der Achse in als Kalender in Gang gehalten und angeblich aus Ägypten übernommen, was jedoch den ägyptischen Kalender der 365 Tage hatte, stark verfeinerte (die Schaltjahrkorrektur gab es erst in der Römerzeit).

Diese Vorstellung sei zwar eine zugegebenermaßen faszinierende Theorie, doch zeigt sich das Autorenduo überzeugt, zeigen zu können, dass die Theorie lediglich anhand einer Reihe „erzwungener Interpretationen der astronomischen Zusammenhänge des Denkmals sowie auf umstrittener Numerologie und nicht belegten Analogien“ beruhe. Allen voran die Astronomie: Obwohl auch Magli und Belmonte zeigen, dass die Ausrichtung des Steinkreises zur Sonnenwende ziemlich genau ist, mache es die langsame Bewegung der Sonne am Horizont in den Tagen nahe der Sonnenwende „unmöglich, das korrekte Funktionieren des angeblichen Kalenders zu kontrollieren“, da hierfür der grobe „Stonehenge-Kalender“ in der Lage sein müsse, Positionen auf wenige Bogenminuten genau zu unterscheiden, also um weniger als einzehntel Grad.

Der Umstand, dass Stonehenge in Wirklichkeit also nur im weiteren sonnengenau auf den Sonnenzyklus ausgerichtet ist, liefert für die Autoren keinen Beweis dafür, dass die Erbauer Stonehenges mithilfe des Steinkreises auf die Anzahl der Tage des Jahres schließen konnten und der Steinkreis dafür konzipiert und genutzt wurde.

Zum Thema

Auch die Numerologie, die frühere Autoren in Stonehenge erkannt haben, sei ein „riskantes Verfahren“: „Eine Schlüsselzahl des angeblichen Kalenders, die 12, ist dabei nirgendwo erkennbar, ebenso wenig wie eine Berücksichtigung des zusätzlichen epagomenalen Tages alle vier Jahre. Hingegen werden andere vorhandene Zahlen einfach ignoriert“, so die Autoren und verweisen etwa auf das sog. Stonehenge-Portal, das einst aus zwei Steinen bestand. Magli und Belmonte sehen hier ein anschauliches Beispiel für den sog. Selektionseffekt und damit für einen Effekt, bei dem nur die für eine gewünschte Interpretation günstigen Elemente aus dem Vorhandenen (in diesem Falle dem Steinkreis von Stonehenge) extrahiert werden.

Selbst wenn die Stonehenge-Erbauer den Kalender aus Ägypten übernommen hätten, so verweisen die beiden Autoren auf den Umstand, dass im Alten Ägypten selbst keinerlei Vorbilder für eine derartige Umsetzung des Konzepts bekannt seien. Zwar würde das Durchwandern des 365-Tage-Kalenders durch die Jahreszeiten in der ägyptischen Architektur widerspiegeln, doch sei das etwas ganz anderes als ein völlig neues Konzept der Umsetzung dieser Vorstellung in einen völlig neuen „Kalender aus Stein“.

Während andere Autoren gerade diese mutmaßliche Transferleistung der Stonehenge-Erbauer herausstreichen und feiern, halten die beiden Italiener den angeblich „neolithischen“ und sonnengenauen Stonehenge-Kalender für „ein rein modernes Konstrukt, dessen archäoastronomische und kalendarische Grundlagen fehlerhaft sind“. Mit dieser Feststellung kehre damit „das Monument zu seiner Rolle als stiller Zeuge der heiligen Landschaft seiner Erbauer zurück“. Eine Rolle, so Belmonte und Magli abschließend, durch die der außerordentlichen Faszination und Bedeutung Stonehenges nichts verloren gehe.




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Recherchequelle: Politecnico di Milano, eigene Recherchen grenzwissenschaft-aktuell.de

© grenzwissenschaft-aktuell.de

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Andreas Müller
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