Feinabstimmung der C14-Datierungsmethode könnte historische Ereignisse neu datieren
Ithaca (USA) – Mit der sogenannten Radiokarbondatierung (C14) werden seit Ende der 1940er organische Materialien datiert. Sie gilt Standardmethode zur Bestimmung der Altersdaten von Artefakten in der Archäologie und anderen Wissenschaftsdisziplinen. Seit ihrer Entdeckung wurde die Methode aber auch fortwährend verbessert und präzisiert. Jetzt weisen Wissenschaftler auf die Notwendigkeit einer wichtigen neuen Feinabstimmung hin, durch die wichtige historische Ereignisse, wie etwa die Geschichte und Vorgeschichte des Mittelmeerraumes, zeitlich neu eingeordnet würden.
„Sobald etwas organisch und alt ist – bis zu 50.000 Jahre -, datieren wir es mit Radiokohlenstoff“, erläutert der Archäologie-Professor Stuart Manning von der Cornell University. Manning ist Hauptautor eines Artikels im Nature-Fachjournal „Science Advances“ (DOI: 10.1126/sciadv.aaz1096), der auf die Notwendigkeit einer wichtigen neuen Feinabstimmung der C14-Methode hinweist. Die Ergebnisse der Studie sind relevant für das Verständnis der wichtigsten Daten in der Geschichte und Vorgeschichte des Mittelmeerraumes, einschließlich der Beisetzung des Tutanchamun und eines umstrittenen, aber wichtigen Vulkanausbruchs auf der griechischen Insel Santorin.
Hintergrund
Die Radiokarbondatierung misst die Zersetzung von Kohlenstoff-14 (C14), einem instabilen Kohlenstoffisotop, das durch kosmische Strahlung erzeugt wird und in allen organischen Stoffen vorkommt. Die kosmische Strahlung ist jedoch nicht immer konstant. Um Schwankungen der kosmischen Strahlung in der Erdatmosphäre Rechnung zu tragen, wurde der Radiokohlenstoffgehalt von Baumringen bekannten Alters seit dem 20. Jahrhundert über Tausende von Jahren rückwärts gemessen. Eine Standardkalibrierungskurve wurde 1986 eingeführt und wird alle paar Jahre aktualisiert, wenn weitere Daten hinzugefügt werden.
„Eine einzige Kalibrierungskurve für die nördliche Hemisphäre bildet seit fünf Jahrzehnten die Grundlage für die Radiokarbondatierung in Europa und im Mittelmeerraum und legt den Zeitrahmen für die Vorgeschichte fest“, schreiben Manning und Co-Autoren. „Mit zunehmender Messgenauigkeit gibt es jedoch auch zunehmend Hinweise auf einige kleine, aber substanzielle regionale (teilweise zunehmende) Ausreißer in den Radiokohlenstoffwerten des gleichen Jahres.“
In ihrer Studie stellen Manning und Kollegen die Genauigkeit einer einzelnen Kalibrierungskurve für die gesamte nördliche Hemisphäre in Frage. Unter Verwendung von Daten, die von einem einzigen Labor gesammelt wurden, um die Variation zwischen Laboratorien zu kontrollieren, verglichen die Forscher Radiokarbondaten aus Nordeuropa (Deutschland) und aus dem Mittelmeerraum (Zentraltürkei) im 2. und 1. Jahrtausend v.Chr. Dabei fanden heraus, dass einige kleine, aber kritische Variationsperioden für die Radiokohlenstoffwerte im Mittelmeerraum existieren. Daten von zwei anderen Radiokohlenstofflabors an Proben aus Mittelitalien und der Nordtürkei lieferten dann die Bestätigung.
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Die Studie bemerkt, dass der Radiokohlenstoffgehalt auf der Erde je nach Jahreszeit variiert und somit die Wachstumszeiten eine wichtige Rolle spielen: „Es gibt ein Wintertief und ein Sommerhoch“, erläutert Manning. „Der Kohlenstoff in einem Baumring spiegelt wieder, wann der Baum Photosynthese betrieben und daher Kohlenstoff aus der Atmosphäre aufgenommen hat. In Nordeuropa oder in Nordamerika tut ein Baum dies von April bis September. Aber ein Baum in Jordanien oder Israel tut dies von Oktober bis April – also fast zur entgegengesetzten Jahreszeit.“
Obwohl diese Abweichungen gering sind, wirken sie sich möglicherweise bis zu einigen Jahrzehnten auf die Kalenderdaten für die Vorgeschichte aus, berichten die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in ihrem Artikel: „Selbst kleine Datumsversätze – 50 Jahre oder weniger – sind wichtig für den Aufbau der Zeitachse des Mittelmeerraums, der in den letzten zwei Jahrtausenden v. Chr. Eine Brutstätte miteinander verbundener Kulturen war.“
Entsprechend angepasste Daten bestätigen zuvor sonderbare historische Zeitachsen, in denen Radiokohlenstoff und Geschichte für einige historische Marker nicht übereinstimmten, etwa der Todeszeitraum und die Beerdigung des ägyptischen Pharaos Tutanchamun, der laut jüngerer Ägyptologie um die 1320er bis 1310er Jahre vor Christus datiert wurde.
Auch die Diskussion über das Datum eines gewaltigen Vulkanausbruchs auf Santorin ist von den neuen Beobachtungen betroffen. Dieses bereits intensiv erforschte Ereignis wurde von Archäologen um 1500 v. Chr. datiert, von anderen Wissenschaftlern mit 1630 bis 1600 v.Chr allerdings deutlich früher. Laut Mannings neuen Erkenntnissen kann das Datum von 1500 v. Chr. ausgeschlossen werden, doch auch die Datierung anderer Wissenschaften müssten modifizier werden. Weiterhin möglich bleibe ein Datum zwischen 1630-1600 v.Chr. Allerdings werde ein späteres Datum im Bereich von 1600-1550 v.Chr. wahrscheinlich und ordne sich zudem auch viel besser in die vorhandenen archäologischen und historischen Aufzeichnungen ein, einschließlich historischer Schriften aus Ägypten.
Das Studienergebnis habe auch Konsequenzen für das Verständnis, welche Kultur die Minoer und Mykener beeinflusste, aus denen das antiken Griechenland hervorging: „Wenn wir das richtige Datum finden, so wird unsere Geschichte dahingehend korrigiert, welche Gruppen für die Gestaltung der damaligen klassischen Zivilisation von Bedeutung waren“, so Manning. „Eine genaue Zeitleiste ist der Schlüssel zu unserer Geschichte.“
Vor dem Hintergrund der neuen Erkenntnisse prognostiziert der Wissenschaftler weitere Studien zu spezifischeren regionalen Kalibrierungskurven innerhalb der nördlichen Hemisphäre, denen zukünftige Korrekturen und Anpassungen historischer Daten folgen werden.
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Quelle: Cornell University
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