Forscher finden Silberfische am trockensten Ort der Welt
Köln (Deutschland) – Ausgerechnet an einem der trockensten Orte unserer Erde, im Kerngebiet der chilenischen Atacama-Wüste, haben Wissenschaftler ein mit Silberfischchen verwandtes Insekt entdeckt. Die Entdeckung liefert nicht nur neue Einblicke in extrem trockene Lebensräume, sondern offenbart ein weiteres Mal die extreme Anpassungsfähigkeit selbst höheren Lebens an Umgebungen, wie sie etwa mit der Marsoberfläche vergleichbar sind.
Wie das Team um Professor Dr. Reinhard Predel von der Universität Köln aktuell im Fachjournal „Global and Planetary Change“ (DOI: 10.1016/j.gloplacha.2019.103007) berichtet, gelang der spektakuläre Fund dieser bis zu sieben Zentimeter großen und äußerst agilen Tiere wurde im Rahmen des Sonderforschungsbereichs „Earth – Evolution at the Dry Limit“, bei dem Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die langfristige Evolution von Landschaften bei extremer Trockenheit untersuchen.
Wüsten gelten allgemein als lebensfeindliche Regionen. „Ganz so schlimm ist es aber meist nicht“, erläutert Predel und führt dazu weiter aus: „Die Mehrzahl der Wüsten beherbergt eine hochspezialisierte Fauna, und manche Wüsten sind sogar ziemlich artenreich.“ Kritisch werde es dort, wo überhaupt keine Pflanzen mehr vorkommen und der Wind auch keine Pflanzenreste aus benachbarten Gebieten hereinweht. „Dies ist in den Kerngebieten der Atacama der Fall. Dann verschwinden auch die am besten angepassten Wüstenspezialisten und das Nahrungsnetz kollabiert.“ Und dennoch haben die Forscher genau dort nun die Insekten entdeckt.
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Bei den Tieren handelt es sich um sogenannte Maindronia, Insekten, die mit Silberfischchen verwandt sind und von denen weltweit bislang überhaupt erst drei Arten beschrieben wurden. Zudem hatte man Maindronia immer nur dort gefunden, wo Wüsten direkt ans Wasser reichen und sie deshalb, ähnlich wie ihre hiesigen Verwandten – als feuchtigkeitsliebend eingeordnet. „Offensichtlich ist keiner auf die Idee gekommen, tiefer in die Wüste zu laufen und dort zu suchen. Nachdem wir die ersten Tiere in der Atacama entdeckt hatten, gab es allerdings kein Halten mehr. Es sind scheinbar die Wüstentiere schlechthin“, berichtet Reinhard Predel in der Pressemitteilung der Universität.
Mittlerweile steht fest, dass in den Kerngebieten der Atacama – die Astrobiologen als irdisches Gegenstück zu Mars gilt – sogar mindestens fünf Arten Maindronia leben. „Ihre Anpassung an solche Extremstandorte reicht offensichtlich sehr weit zurück, die Arten aus der Atacama sind bereits bekannten Arten aus arabischen Gebieten auch äußerlich sehr ähnlich.“
Für die Forscher legt diese Beobachtung nahe, dass die Tiere bereits vor Jahrmillionen auf dem südlichen Großkontinent Gondwana schon genauso gelebt haben wie heute. Im Umkehrschluss könne das bedeuten, dass in Südamerika und im nordafrikanisch-arabischen Gebiet seit mehr als 100 Millionen Jahren immer irgendwo extrem trockene, so genannte hyperaride Lebensräume vorhanden waren, die Maindronia das Überleben gesichert haben. „Solche lebenden Fossilien verraten uns also auch etwas über die Entwicklung unserer Erde“, erklärt Predel.
Nach der Entdeckung stehen die Wissenschaftler aber weiterhin vor vielen Fragen: Welche physiologischen Anpassungen an diese Extremstandorte besitzt Maindronia? Warum sind sie so extrem agil? Sie besitzen eine Sensorik, die an Höhlentiere erinnert. Wozu dient sie? Und was fressen die Tiere eigentlich? Erste Vermutungen deuten darauf hin, dass die Tiere möglicherweise einen mit bloßem Auge unsichtbaren Biofilm aus Mikroorganismen ernten. In weiteren Untersuchungen wollen die Forscher diesen Fragen zukünftig nachgehen.
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Quelle: Universität Köln
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