Forscher präsentieren neuen Ansatz zum Verständnis Dunkler Materie

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Röntgenaufnahme des ca. 240 Millionen Lichtjahre entfernten Galaxienhaufens Perseus. Die von Galaxien und Galaxienhaufen ausgesendete Röntgenstrahlung gibt Astrophysikern nach wie vor zahlreiche Rätsel auf und könnte insbesondere Hinweise auf die mysteriöse Dunkle Materie liefern.

Copyright: NASA

Mainz (Deutschland) – Außer mit der Schwerkraft, soll sogenannte Dunkle Materie weder mit normaler Materie und selbst nicht mit dem Licht interagieren – aber dennoch rund 23 Prozent der Materie unseres Universums ausmachen. Bislang fehlt jedoch jeglicher direkte Nachweis ihrer Existenz und es gibt es trotz intensiver Suche keinerlei Anzeichen, um welche Teilchen es sich dabei handeln könnte. Statt die Dunkle Materie gänzlich in Frage zu stellen präsentieren Mainzer Physiker nun eine neue Theorie vor, deren Ausgangspunkt die Beobachtung ungewöhnlicher Röntgenstrahlung von Galaxien ist.

 

Wie Wissenschaftler um Prof. Dr. Joachim Kopp von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU) aktuell im Fachjournal „Physical Review Letters“ (DOI: 10.1103/PhysRevLett.120.061301) und vorab via ArXiv.org berichtet, schlagen sie vor, die mysteriösen „dunklen“ Partikel an einer ganz anderen Stelle zu suchen als bisher: Geeignete Kandidaten wären demnach keine sehr schweren Teilchen, wie bislang oft vermutet, sondern im Gegenteil extrem leichte Teilchen – fast hundert Mal leichter als ein Elektron.

„Die Existenz Dunkler Materie wird vorwiegend damit begründet, dass die Rotation von Sternen um das Zentrum ihrer Galaxie ansonsten nicht wie beobachtet erfolgen könnte“, erläutert die Pressemitteilung der Universität und fphrt dazu weiter aus: „Einer der besonders favorisierten Kandidaten für Dunkle Materie ist das sog WIMP (Weakly Interacting Massive Particle), nach dem zum Beispiel im italienischen Untergrundlabor Gran Sasso gesucht wird. Aber neuere Publikationen aus der Astroteilchenphysik stellen die WIMPs zunehmend in Frage.“ Auch die Autoren der Mainzer Studie sehen sich momentan verstärkt nach Alternativen um.

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Kopp ist mit seinen Kollegen Vedran Brdar, Jia Liu und Xiao-Ping Wang einer Beobachtung nachgegangen, die 2014 von unabhängigen Gruppen berichtet wurde: „Am Himmel zeigte sich an verschiedenen Stellen eine bisher unbekannte Spektrallinie im Röntgenbereich bei einer Energie von 3,5 Kiloelektronenvolt (keV). Diese ungewöhnliche Röntgenstrahlung von Galaxien und Galaxienhaufen könnte ein Hinweis auf Dunkle Materie sein. Dieser Zusammenhang ist an sich nicht neu, denn es wurde früher schon in Erwägung gezogen, dass Dunkle Materie zerfällt und dabei Röntgenstrahlung aussendet.“ Die Gruppe um Joachim Kopp verfolgt jedoch einen anderen Ansatz.

Anstelle von Zerfall haben die Wissenschaftler ein Szenario durchgerechnet, bei dem zwei Dunkle-Materie-Teilchen aufeinandertreffen und miteinander zerstrahlen, ein Prozess, der als Annihilation bezeichnet wird und beispielsweise auch beim Zusammentreffen eines Elektrons mit seinem Antiteilchen, dem Positron, stattfindet.

„Früher ist man davon ausgegangen, dass Paarvernichtung bei derart leichter Dunkler Materie nicht beobachtbar ist“, erklärt Kopp. „Wir haben unser neues Modell berechnet und mit experimentellen Daten verglichen, es passt alles viel besser zusammen als in älteren Modellen.“

Dunkle-Materie-Teilchen wären demnach sog. Fermionen mit einer Masse von nur wenigen Kiloelektronenvolt, häufig auch als „sterile Neutrinos“ bezeichnet. Ein solches leichtes Teilchen gilt eigentlich als problematisch, weil es die Entstehung von Galaxien nicht hinreichend erklärt. „Diese Bedenken können wir ausräumen“, so Kopp und erklärt weiter: „Unser Modell hat einen eleganten Ausweg gefunden.“

Entscheidend sei zudem die Annahme, dass die Annihilation der Dunklen Materie ein zweistufiger Prozess ist: Es wird zunächst ein Zwischenzustand gebildet, der dann seinerseits in die beobachtete Röntgenstrahlung zerstrahlt. „Wir zeigen in unseren Berechnungen, dass sich die resultierende Röntgensignatur sehr gut mit den Beobachtungen deckt und damit eine neuartige Erklärung dafür bietet“.

Darüber hinaus sei das neue Modell so allgemein, dass es auch dann einen interessanten Ansatz für die Suche nach Dunkler Materie liefern würde, falls die 2014 entdeckte Spektrallinie andere Ursachen hat.

Schon jetzt arbeiten theoretische und experimentelle Physiker der JGU arbeiten aktuell an dem vorgeschlagenen ESA-Projekt „e-ASTROGAM“ mit, das astrophysikalische Röntgenstrahlung mit bisher unerreichter Genauigkeit untersuchen könnte.

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