Forscher warnen vor “Pseudofossilien” auf dem Mars
Edinburgh (Großbritannien) – Spätestens seit Rover die Oberfläche des Mars auch mit hochauflösenden Kameras erkunden und dokumentieren, hoffen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen, auf diesen Aufnahmen eines Tages auch Fossilien, also Versteinerungen einstiger Mars-Lebensformen zu entdecken – und seien es nur die kleinster Mikroben. Tatsächlich gibt es einige Forscher, die solche Mikrofossilien bereits auf einigen Aufnahmen vom Roten Planeten entdeckt haben wollen (…GreWi berichtete). Eine aktuelle Studie warnt nun jedoch auch vor der Verwechselung echter Fossilien mit non-biologischen Strukturen.
Wie der Astrobiologe Sean McMahon von der University of Edinburgh und die Geobiologin Julie Cosmidis von der University of Oxford aktuell im „Journal of the Geological Society“ (DOI: 10.1144/jgs2021-050) berichten, sei die Gefahr groß, anhand von biologisch erscheinenden Strukturen, die jedoch in Wirklichkeit auf unbelebte geologische Prozesse zurückgehen, auf Beweise für einstiges Mars-Leben zu schließen.
In ihrer Studie beschreiben die beiden Forschenden Dutzende nicht-biologischer oder abiotischer Prozesse und daraus resultierenden Strukturen – sogenannte Pseudofossilien – die auch und gerade unter dem Mikroskop auf erstaunliche Weise biologischen Strukturen und Fossilien gleichen können.
„Es wird der Tag kommen, dass wir auf dem Mars Strukturen finden, die aussehen, wie irdische Fossilien. Wir müssen also Wege finden, wie wir mit absoluter Sicherheit bestimmen können, ob diese Strukturen auch tatsächlich das Ergebnis biologischer Prozesse und nicht etwa aus geologischen oder chemischen Prozessen heraus entstanden sind“, so McMahon.
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Für fast jede Form von Fossilien, besonders von Mikrofossilien, gebe es mindestens einen non-biologischen Prozess, der sehr ähnliche Strukturen erzeugen könne, so die Forschenden. „Wir müssen unser Wissen und unser Verständnis dieser Prozesse also verbessern, um eventuelle Entdeckung auf dem Mars genau voneinander unterscheiden zu können.“
Hintergrund
Tatsächlich gibt es bereits eine ganze Reihe von auch wissenschaftlichen Spekulationen und Theorien, die auf Aufnahmen der Mars-Rover Strukturen erkannt haben wollen, die irdischen Mikrofossilien gleichen.– So beschrieb Vincenzo Rizzo vom Consiglio Nazionale delle Ricerche im April 2020 im „International Journal of Astrobiology“ (DOI: 10.1017/S1473550420000026) zahlreiche Beispiele kleiner und großer Strukturen auf dem Mars, die denen irdischer biogener Fossilien, also Versteinerungen einst biologischer Organismen, auffallend ähnlich sind und deshalb als starke Beweise für einstiges Marsleben anerkannt werden sollten, so der Wissenschaftler (…GreWi berichtete).
– Auch der Astrobiologe Barry DiGregorio hat im Frühjahr 2020 zahlreiche entsprechende Funde auf Rover-Aufnahmen in einem Buch zusammengefasst (…GreWi berichtete).
– Schon 2018 zeigte sich DiGregorio sicher, mittels 3D-Fotogrammetrie Spurenfossileien auf dem Mars nachweisen zu können (…GreWi berichtete).
– 2019 beschrieb ein Team aus Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen um Dr. R. Gabriel Joseph von „Astrobiological Associates“ in einer Monografie mit dem Titel „Evidence of Life on Mars?“ (Beweise für Leben auf dem Mars?) im „Journal of Astrobiology and Space Science Reviews“ das Ergebnis ihrer Auswertung von fast 200 früheren Fachartikeln und wissenschaftlichen Studien, anhand derer Sie Indizien sogar für aktuelles mikrobisches Leben auf dem Mars ausweisen (…GreWi berichtete).
– Ebenfalls 2019 sah der anerkannte Entomologe Prof. Dr. William Romoser in zahlreichen Rover-Aufnahmen sogar „Beweise für Insekten und Reptilien auf dem Mars“ und beschrieb diese in dem damaligen auf dem Jahrestreffen der „Entomological Society of America“ (…GreWi berichtete).
Neben geologischen Prozessen, wie Radioaktivität, Kristallisation, Frost, Hitze und Verwitterung können auch chemische Vorgänge Strukturen erzeugen, die auf den ersten Blick biologisch erscheinen. Besonders die Ergebnisse der als „chemischer Garten“ bekannten Schauexperimente, bei dem in eine wässrige Lösung von Natriumsilicat verschiedene farbige Schwermetallsalze gegeben werden, lassen teils bizarre Gebilde regelrecht heranwachsen, die an Pflanzen, Schneckenhäuser und Fraktale erinnern und als Pseudofossilien leicht fehlgedeutet werden können.
„Da wir bislang nicht wissen, welche Form von Leben auf dem Mars entstanden sein könnte, müssen wir zudem auch damit rechnen, dass es sich von irdischem Leben deutlich unterscheiden könnte. Da es vermutlich auch noch unbekannte Prozesse gibt, die Pseudofossilien erzeugen, müssten Biologen gerade angesichts möglicher Mars-Fossilien besonders vorsichtig bei deren Bewertung sein“, so McMahon und Cosmidis.
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Recherchequellen: University of Edinburgh
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