Anzeige
Anzeige
Anzeige

Fragment „verlorener“ Musik in schottischem Buch gibt Einblicke in Klänge vor 500 Jahren

Die aus nur aus 55 Noten bestehende Notation aus dem frühen 16. Jahrhundert.Quelle: ed.ac.uk
Die aus nur aus 55 Noten bestehende Notation aus dem frühen 16. Jahrhundert.
Quelle: ed.ac.uk

Leuven (Belgien) – Ein Fragment „verlorener“ Musik, entdeckt in den Seiten des ersten vollständigen gedruckten Buches Schottlands, liefert Hinweise darauf, wie Musik vor fünf Jahrhunderten geklungen haben könnte.

Wie die Musikwissenschaftler Paul Newton-Jackson  von der belgischen KU Leuven, David Coney und James Cook vom Edinburgh College of Art aktuell im Fachjournal „Journal Music and Letters“ (DOI: 10.1093/ml/gcae076) berichten, haben sie  die Herkunft der musikalischen Notation untersucht, die lediglich aus 55 Noten besteht. Das Ergebnis wirft ein neues Licht auf die Musik in Schottland vor der Reformation im frühen 16. Jahrhundert, so die Forscher.

Für die Autoren stellt die Entdeckung ein seltenes Beispiel für die Musik religiöser Institutionen Schottlands vor 500 Jahren dar und sei das einzige überlieferte Musikstück aus dem Nordosten Schottlands aus dieser Zeit.

Anzeige

Entdeckung im „Aberdeen Breviary“

Das musikalische Fragment wurde in einer Ausgabe des „Aberdeen Breviary“ von 1510 gefunden – einer Sammlung von Gebeten, Hymnen, Psalmen und Lesungen, die für die tägliche Andacht in Schottland genutzt wurden. Die Ausgabe, bekannt als „Glamis-Exemplar“, war einst im Glamis Castle in Angus untergebracht und befindet sich heute in der Nationalbibliothek Schottlands in Edinburgh. Das Buch enthält zudem detaillierte Schriften über das Leben schottischer Heiliger.

www.grenzwissenschaft-aktuell.de
+ HIER den täglichen kostenlosen GreWi-Newsletter bestellen +

Obwohl das Musikfragment weder Text, Titel noch eine Zuschreibung aufweist, konnten Forscher es als eine einzigartige musikalische Harmonisierung von „Cultor Dei“ identifizieren – einem nächtlichen Hymnus, der in der Fastenzeit gesungen wurde.

Anzeige

Ursprung des Musikfragments

Das „Aberdeen Breviary“ geht auf eine Initiative von König Jakob IV. zurück, der ein königliches Patent zur Drucklegung religiöser Texte ausstellte. Ziel war es, schottische Riten zu bewahren, anstatt Texte aus England oder dem europäischen Festland importieren zu müssen.

Die Forscher vermuten, dass das Musikstück aus der Region Aberdeenshire stammt, mit möglichen Verbindungen zur St. Mary’s Chapel in Rattray sowie zur Kathedrale von Aberdeen. Das Fragment wurde auf einer leeren Seite in einem Abschnitt des Breviers entdeckt, der den Matutin-Gebeten – einem frühen Morgengottesdienst – gewidmet ist.

Anzeige

Rätselhaftes Musikstück entschlüsselt

Das Fragment, das sich über zwei Zeilen erstreckt, war demnach nicht Teil des ursprünglichen Druckwerks, sondern wurde direkt von Hand auf eine eingebundene Seite geschrieben. Dies deutet darauf hin, dass der Schreiber das Musikstück und das Buch absichtlich zusammenhalten wollte.

„Zunächst war unklar, ob es sich bei der Musik um ein geistliches oder weltliches Stück handelte – oder ob sie überhaupt für Stimmen gedacht war“, erläutern die Wissenschaftler. „Nach eingehender Analyse zeigte sich jedoch, dass es sich um eine polyphone Komposition handelt, bei der zwei oder mehr Melodielinien gleichzeitig erklingen. Diese Technik war in schottischen religiösen Institutionen weit verbreitet, jedoch haben nur wenige Beispiele bis heute überlebt.“

Bei genauerem Hinsehen bemerkten die Forscher, dass das Fragment genau zu einer gregorianischen Melodie passte – genauer gesagt zum Tenor-Part eines Faburdens, einer drei- bis vierstimmigen Harmonisierung des Hymnus Cultor Dei.

Singers: Holly Gowen, Sam Fitzgerald, Matt Norriss, Paul Newton-Jackson (Director)
Audio: Piraxa Studios

Anzeige

Historische und kulturelle Bedeutung

David Coney vom Edinburgh College of Art, der die Identität des Musikstücks entdeckte, erklärte: „Ein Musikstück zu identifizieren, ist ein echtes ‚Eureka‘-Erlebnis für Musikwissenschaftler. Noch besser ist, dass unser Tenor-Part eine Harmonie zu einer bekannten Melodie darstellt, sodass wir die anderen fehlenden Stimmen rekonstruieren können. Aus einer einzigen Zeile Musik, die auf eine leere Seite gekritzelt wurde, können wir einen Hymnus hören, der fast fünf Jahrhunderte lang stumm blieb – ein kleines, aber wertvolles Artefakt der musikalischen und religiösen Traditionen Schottlands.“

Die Untersuchung zeige auch, wie das „Aberdeen Breviary“ im Laufe seiner Geschichte verwendet wurde. Es diente einst als privates Gebetbuch des unehelichen Sohnes eines hochrangigen Kaplans der Kathedrale von Aberdeen, später wurde es ein kostbares Familienerbstück eines schottischen Katholiken, der nach der Reformation durch die Hauptstädte des Habsburger- und Osmanischen Reiches reiste.

Bedeutung von Randnotizen

Dr. Paul Newton-Jackson von der KU Leuven, Hauptautor der Studie, betonte: „Unsere Ergebnisse unterstreichen die entscheidende Rolle von Marginalien als Quelle neuer Einblicke in die Musikkultur, wo wenig notiertes Material erhalten blieb. Es könnte gut sein, dass weitere Entdeckungen, musikalischer oder anderer Art, in den leeren Seiten und Rändern anderer gedruckter Bücher des 16. Jahrhunderts in Schottlands Bibliotheken und Archiven verborgen liegen.“

Dr. James Cook vom Edinburgh College of Art fügte abschließend hinzu: „Lange Zeit dachte man, dass Schottland vor der Reformation eine musikalische Wüste sei. Unsere Arbeit zeigt jedoch, dass es trotz der Umwälzungen der Reformation, die viele Belege zerstörte, eine starke Tradition hochwertiger Musik in Schottlands Kathedralen, Kirchen und Kapellen gab – genauso wie anderswo in Europa.“

Recherchequelle: University of Edinburgh

© grenzwissenschaft-aktuell.de

Artikeln teilen
Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
Unterstützen Sie die tagliche journalistische Arbeit an GreWi

Wenn Sie GreWi unterstützen möchten, so können Sie dies am besten mit einem freiwiliigen GreWi-Unterstützer-Abo tun – und erhalten dafür auch noch themenbezogenen Gegenleistungen und nehmen an allen unseren Buch- und Filmverlosungen teil.

Bücher von GreWi-Hrsg. Andreas Müller

Andreas Müller

Fachjournalist Anomalistik• Sachbuchautor • Publizist

Mehr auf Wikipedia

Deutschlands UFO-Akten: Über den politischen Umgang mit dem UFO-Phänomen in Deutschland …

Kornkreise. Geometrie, Phänomene, Forschung

Phänomen Kornkreise: Forschung zwischen Volksüberlieferung, Grenz- und Naturwissenschaft

Deutschlands historische UFO-Akten: Schilderungen unidentifizierter Flugobjekte und Phänomene in…

Hol Dir Deine
GreWi-App!
app-store play.google.com
..zeig, dass Du
ein GreWi bist!
Shop