Funde offenbaren Rezepte zur Mumifizierung
Tübingen (Deutschland) – Funde von Gefäßen aus einer Mumifizierungswerkstatt im ägyptischen Sakkara erlauben Forschenden neue Einblicke auf die chemischen Substanzen, die zur Konservierung, Mumifizierung menschlicher Körper verwendet wurden.
Wie das deutsch-ägyptische Forschungsteam der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU), der Universität Tübingen und des National Research Center in Kairo aktuell im Fachjournal „Nature“ (DOI: 10.1038/s41586-022-05663-4) berichtet, gelangen die Funde im Rahmen des Saqqara Saite Tombs Project unweit der Unaspyramide und Stufenpyramide des Djoser bereits 2016.
Anhand von nun durchgeführten Rückstandsanalysen an Gefäßen einer Mumifizierungswerkstatt und deren jeweiliger Zuordnung zu bestimmten Körperteilen sind nun neue Rückschlüsse auf die Art und Weise möglich, wie die alten Ägypter die Körper ihrer Verstorbenen einbalsamierten.
Eine weitere, für die Forschung wichtige Erkenntnis: Einige Substanzen stammten nicht aus Ägypten, sondern aus dem gesamten Mittelmeerraum, tropischen Regenwäldern und sogar Südostasien. Für die Forschenden ein Beleg für eine frühe globale Vernetzung.
In der 2016 entdeckten Werkstatt wurden im 7. und 6. Jahrhundert v. Chr. die Toten mumifiziert. „Für die Ägyptologen war es ein Glücksfall, dass zahlreiche Gefäße, die die Handwerker damals verwendet hatten, noch geborgen werden konnten“, berichtet die Pressemitteilung der Universität Tübingen. Zudem waren die Gefäße mit Inhaltsangaben beschriftet, manche sogar mit Handlungsanweisungen. „Namentlich sind viele dieser Balsamierungsstoffe seit der Entzifferung der altägyptischen Schrift bekannt“, so die Leiterin der Ausgrabung, Susanne Beck von der Universität Tübingen, „aber welche Substanz sich hinter einem Namen verbarg, konnten wir bislang nur erahnen.“
Die chemischen Rückstandsanalysen an den Gefäßen erlaubten nun, die molekulare Reste jener Substanzen herauszulösen und zu identifizieren, die sich ehemals im Gefäß befunden hatten – und gaben dabei zahlreiche Überraschungen preis. „Seit langer Zeit wurde die von den alten Ägyptern als ‚antiu‘ bezeichnete Substanz mit Myrrhe oder Weihrauch übersetzt, doch wir konnten nun zeigen, dass sich dahinter ein bestimmtes Gemisch ganz unterschiedlicher Zutaten verbirgt, die wir mit Hilfe der Gaschromatografie-Massenspektrometrie entschlüsseln konnten“, erläutert Maxime Rageot, Archäologe der Universität Tübingen und Leiter des Analyseprojekts. In Sakkara handelte es sich bei ‚antiu‘ um eine Mischung aus Zedernöl, Wacholder-/Zypressenöl und tierischen Fetten.
Anhand der neuen Erkenntnisse können die bereits bekannten Texte zur altägyptischen Balsamierung nun neu gelesen und verstanden werden. „Der Abgleich der identifizierten Substanzen mit den Gefäßbeschriftungen erlaubte es dem Forscherteam nun erstmals, exakt zu bestimmen, welche Substanzen für bestimmte Körperteile zur Balsamierung verwendet wurden – etwa Pistazienharz und Rizinusöl ausschließlich für den Kopf.“
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Besonders überraschend war für die Archäologen und Archäologinnen, dass der größte Teil der während der Balsamierung verwendeten Substanzen nicht aus Ägypten selbst stammte, sondern zum Teil aus dem Mittelmeerraum und sogar auch aus dem tropischen Afrika und Südostasien importiert wurde. „Neben Pistazienharz, Zedernöl und Bitumen – allesamt vermutlich aus der Levante – fanden die Forscher auch Rückstände der Harze von Dammar und Elemi. Gerade diese beiden Substanzen zeigen, wie global die Handelsbeziehungen vor fast 3.000 Jahren schon waren. Während das Harz des Elemi-Baumes aus dem tropischen Afrika oder Südostasien nach Ägypten gekommen ist, wächst der Dammar-Baum bis heute ausschließlich im tropischen Südostasien. Der Aufwand, um an ganz bestimmte chemische Substanzen für die Einbalsamierung zu gelangen, war also erheblich.“
Entsprechend vermuten die Forschenden nun, dass die ägyptische Mumifizierung letztlich einen wichtigen Anteil daran hatte, dass es zu einer frühen weltweiten Vernetzung kam. „Man musste ja in großer Menge an diese exotischen Harze gelangen“, so die Forschenden abschließend: „Wegen der zahlreichen Inschriften auf Gefäßen wird es nun in Zukunft möglich sein, das bislang unverstandene Vokabular der altägyptischen Chemie weiter zu entschlüsseln.“
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Recherchequellen: Universität Tübingen, Nature
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