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Nur 1.600 Lichtjahre entfernt: Gaia-Observatorium offenbart das der Erde nächstgelegene Schwarze Loch

Zoom auf das Schwarze Loch „Gaia BH1“. Im Hintergrund zu sehen ist die entsprechende Region der Milchstraße. Kachel 1 zeigt das Bild des Sterns, der das Schwarze Loch umkreist; Kachel 2, die rekonstruierte Umlaufbahn des Sterns um das Schwarze Loch und Kachel 3 die relativistische Lichtablenkungs-Effekte die man sehen würde, wenn man das Binärsystem mit dem Schwarzen Loch aus der Nähe beobachten könnte.Copyright: T. Müller (MPIA), PanSTARRS DR1 (K. C. Chambers et al. 2016), ESA/Gaia/DPAC (CC BY-SA 3.0 IGO)
Zoom auf das Schwarze Loch „Gaia BH1“. Im Hintergrund zu sehen ist die entsprechende Region der Milchstraße. Kachel 1 zeigt das Bild des Sterns, der das Schwarze Loch umkreist; Kachel 2, die rekonstruierte Umlaufbahn des Sterns um das Schwarze Loch und Kachel 3 die relativistische Lichtablenkungs-Effekte die man sehen würde, wenn man das Binärsystem mit dem Schwarzen Loch aus der Nähe beobachten könnte.
Copyright: T. Müller (MPIA), PanSTARRS DR1 (K. C. Chambers et al. 2016), ESA/Gaia/DPAC (CC BY-SA 3.0 IGO)

Heidelberg (Deutschland) – Anhand der Daten des europäischen Astronomie-Satelliten „Gaia“ haben Astronomen und Astronominnen das unserer Erde am nächsten gelegene bekannte Schwarze Loch entdeckt. Im Gegensatz zum bislang bekannten nächstgelegenen Schwarzen Loch in rund 3.000 Lichtjahren Entfernung umkreist das nun beschriebene Schwarze Loch einen sonnenähnlichen Stern in nur noch 1.600 Lichtjahren Distanz zur Sonne. Die Eigenschaften des Doppelsystems sind unerwartet und weisen auf eine Lücke im Verständnis der darüner hin, wie solche Systeme überhaupt entstehen.

Wie das Team unter der Leitung von Kareem El-Badry vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) und dem Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics (CfA) und MPIA-Direktor Hans-Walter Rix aktuell im Fachjournal „Monthly Notices of the Royal Astronomical Society“ (DOI: 10.1093/mnras/stac3140) berichten, waren es kleinste Positionsverschiebungen des Sterns, die die die Anwesenheit des dunklen bzw. unsichtbaren Begleitobjekts verrieten. Mit derselben neuartigen Methode glauben die Forschenden zukünftige noch zahlreiche weitere Schwarze Löcher zu entdecken.

Hintergrund
Schwarze Löcher sind per Definition schwer zu beobachten: Ihre Masse ist in einer Region mit extrem kleinem Durchmesser konzentriert, aus welcher die resultierende extrem starke Schwerkraft nichts entweichen lässt, nicht einmal Licht. Dennoch sind diese ungewöhnlichen Objekte seit Jahrzehnten ein wichtiger Teil unseres Bildes vom Universum. Das gilt insbesondere für so genannte stellare Schwarze Löcher mit einigen Sonnenmassen, die als Endzustand von sehr massereichen Sternen auftreten. Auch in unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße, gibt es schätzungsweise hundert Millionen stellare Schwarze Löcher. Aufgrund der grundlegenden Schwierigkeiten bei der Beobachtung solcher schwarzer Objekte konnte allerdings nur ein geringer Teil davon bislang nachgewiesen werden.  Einige wurden von Gravitationswellendetektoren aufgespürt, die fast hundert Verschmelzungen stellarer schwarzer Löcher gemessen haben, Angaben über die Massen jener Objekte inklusive. Hinzu kommen einige Dutzend durch Teleskopbeobachtungen nachgewiesene stellare Schwarze Löcher. Die meisten davon umkreisen einen Begleitstern, der nahe genug ist, dass die Schwerkraft des Schwarzen Lochs Wasserstoffgas aus dem Begleitstern in eine sogenannte Akkretionsscheibe ziehen kann, die das schwarze Loch umgibt. Das Gas wird dabei heiß genug, um beträchtliche Mengen an Röntgenstrahlung zu emittieren. Es gibt 20 bekannte „Röntgendoppelsterne“ dieser Art und weitere 50 Kandidaten. (Quelle: MPIA)

Schon zuvor gab es mehrere Versuche, zusätzlich auch sog. „stille“ Schwarze Löcher in Doppelsternsystemen zu finden („quiescent black holes“), also Schwarze Löcher ohne solche hellen Akkretionsscheiben. „Das Mittel der Wahl waren dabei Sternspektren, also die regenbogenartige Zerlegung des Sternenlichts“, erläutert die MPIA-Pressemitteilung. „Solche Spektren enthalten nämlich Informationen über die Bewegung eines Sterns relativ zu uns. Wir kennen das aus dem Alltag vom ‚Doppler-Effekt‘ für Schall: Das Martinshorn eines Rettungsfahrzeugs klingt für uns höher, wenn das Fahrzeug auf uns zukommt, und tiefer, nachdem es an uns vorbeigefahren ist. Analog gibt uns das Licht in Form von Sternenspektren Auskunft darüber, ob (und wie schnell) sich ein Stern direkt auf uns zu oder von uns wegbewegt.“

In jüngster Zeit seien zwar verschiedene Fachartikel veröffentlicht, in denen die Entdeckung ruhender Schwarzer Löcher beschrieben wurde, doch waren dies  jeweils Versuche, die Umlaufbahn eines Doppelsterns und die Masse eines unsichtbaren Begleiters ausschließlich auf der Grundlage der Sternspektren abzuleiten. „Bis auf eine Ausnahme (die Entdeckung des Doppelsternsystems VFTS 243 im Juni 2022, an der El-Badry als Mitautor beteiligt war) wurden jedoch alle diese Behauptungen durch Folgestudien relativiert oder sogar widerlegt“, kommentiert das MPIA. „Spektren liefern eben nur einen Teil der Informationen über die Sternbewegung und damit über die Umlaufbahn und die Masse des Begleiters. Die fehlende Information ist dabei eine entscheidende Unsicherheits-Quelle – und genau dort verspricht die Gaia-Mission der ESA Abhilfe.“ Die bisherigen Datenlücke konnte nun mit Hilfe der Gaia-Daten gefüllt werden, die die anhand der Spektren von Sternen gewonnenen Daten nun ergänzen konnten.

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Mit dem bereits im vergangenen Juni veröffentlichten Gaia-Datensatz 3 (Gaia DR3, …GreWi berichtete) entdeckten die Astronomen nun auch Doppelsternsysteme und untersuchten diese nach möglichen Kandidaten für Schwarze Löcher – eine Suche, die schlussendlich sechs Kandidaten offenbarte, die mittels der Radialsgeschwindigkeitsmethode reduzierte sich diese Auswahl schlussendlich auf das erste mit Gaia entdeckte Schwarze Loch (Gaia DR3 4373465352415301632), das die Forschenden mittlerweile als „Gaia BH1“ (Gaia Black Hole 1) bezeichnen.

„Alle verfügbaren Daten waren wechselseitig stimmig“, erläutern die Gaia-Astronomen und Astronominnen. „Um zusätzliche Gewissheit zu erlangen, führten die Astronomen weitere gezielte Beobachtungen von Gaia BH1 durch: mit dem 6,5-Meter-Magellan-Clay-Teleskop, dem 8,1-Meter-Gemini-Nord-Teleskop, dem 10-Meter-Keck-I-Teleskop und – für den Löwenanteil der neuen Datenpunkte – mit dem 2,2-Meter-ESO/MPG-Teleskop, welches das MPIA am La Silla-Observatorium der ESO betreibt.“

Alles spreche dafür, dass es sich bei „Gaia BH1“ um ein System mit einem unsichtbaren Objekt mit einer Masse von rund 10 Sonnenmassen handele, das einen sonnenähnlichen Stern mit einer Umlaufzeit von 185,6 Tagen umkreist. Der Abstand zwischen Stern und Begleiter entspricht in etwa dem durchschnittlichen Abstand zwischen Erde und Sonne.

Würde es sich bei dem 10-Sonnenmassen-Objekt um einen anderen Stern handeln, wäre dieser zwangsläufig viel heller als sein Begleiter. Stattdessen zeigen weder die Gaia-Daten noch Folgebeobachtungen das Licht eines solchen zweiten Sterns.

Damit sei „Gaia BH1“ ein „hervorragender Kandidat für ein Schwarzes Loch – und zwar mit einer Entfernung von rund 1560 Lichtjahren von der Erde für das bei weitem erdnächste schwarze Loch, das Astronomen und Astronominnen bisher gefunden haben, weniger als halb so weit entfernt wie der bisherige Rekordhalter!“

Statistisch gesehen sei der Umstand, dass dieses Schwarze Loch der Erde so nahe ist, ein starkes Indiz dafür, dass es in der gesamten Galaxie zahlreiche ähnliche Systeme geben sollte. Was „zahlreich“ genau bedeutet, ist allerdings nicht so einfach zu sagen. Das Team um El-Badry schätzt jedoch, dass die nächste große Gaia-Datenveröffentlichung, DR4, die nicht vor Ende 2025 erwartet wird, die Entdeckung von Dutzenden ähnlicher Systeme ermöglichen sollte.

Die Forschenden um El-Badry bezeichnen „Gaia BH1“ als spektakulären, aber gleichzeitig rätselhaften Fund. „Es ist alles andere als einfach zu erklären, wie ein solches System überhaupt entstehen konnte. Der Vorgängerstern, der später zum Schwarzen Loch wurde, müsste eine Masse von mindestens 20 Sonnenmassen gehabt haben. Daraus folgt zwingend, dass seine Lebensdauer sehr kurz gewesen sein muss, in der Größenordnung von wenigen Millionen Jahren. Wären beide Sterne gleichzeitig entstanden, hätte sich dieser massereiche Stern in einen Überriesen verwandelt, der sich aufbläht und sich bis weit über die gemeinsame Umlaufbahn der Sterne hinaus in den Weltraum erstreckt, bevor der andere Stern überhaupt die Zeit gehabt hätte, ein richtiger („Hauptreihen“-)Stern mit Wasserstoff-Kernfusion im Kern zu werden.“

Tatsächlich sei es noch überhaupt nicht klar, wie der massereiche Stern diese Episode in einer Weise überlebt haben könnte, dass er am Ende trotzdem noch so normal aussieht, wie es die Beobachtungen des Systems zeigen. „Alle theoretischen Modelle, die ein Überleben zulassen, sagen voraus, dass der massereiche Stern auf einer viel engeren Umlaufbahn hätte landen müssen, als dies tatsächlich beobachtet wird.“

Damit bleiben noch eher ungewöhnliche Entstehungsszenarien übrig. Die beiden ursprünglichen Sterne könnten sich beispielsweise als Teil eines Sternhaufens gebildet haben. „Zu Beginn wären sie in diesem Szenario wesentlich weiter voneinander entfernt gewesen, so dass die Überriesenphase des massereichen Sterns die Entwicklung des zweiten Sterns nicht gestört hätte. Enge Begegnungen des Systems mit weiteren Sternen des Haufens könnten die Umlaufbahn dann später auf ihre heutige, viel kleinere Größe verändert haben.“ Alternativ sei möglich, dass das System gar nicht aus zwei, sondern aus drei Komponenten besteht: Zwei massereiche Sterne anstelle von einem, die eng umeinander umlaufen, und zusätzlich noch der Stern mit einer einzigen Sonnenmasse, der das massereiche Paar in einem größeren Abstand umkreist. Die beiden massereichen Sterne könnten sich in solch einer Situation gegenseitig daran hindern, zu Überriesen zu werden.“ In einem solchen Fall wäre das 10-Sonnenmassen-Objekt dann nicht ein einzelnes Schwarzes Loch, sondern ein Paar sich eng umkreisender Schwarzer Löcher. „Da die Gravitation eines solchen doppelten schwarzen Lochs etwas anders auf den masseärmeren Stern wirken würde als bei einem einzelnen Schwarzen Loch, könnten zukünftige genauere Beobachtungen diese Möglichkeit bestätigen oder ausschließen.“

Alles in allem sei „Gaia BH1“ mindestens drei Dinge in einem, so die Forschenden: „Es ist die Entdeckung des uns nächsten bekannten schwarzen Lochs. Es verspricht zahlreiche ähnliche Entdeckungen in den nächsten Jahren. Es zeigt uns aber auch die Grenzen des astronomischen Wissens über die Entstehung von Doppelsternsystemen bzw. von Mehrfachsternsystemen auf.“




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Recherchequelle: MPIA

© grenzwissenschaft-aktuell.de

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Andreas Müller
Fachjournalist Anomalistik | Autor | Publizist
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