Heidelberg (Deutschland) – Der rote Riesenstern Beteigeuze, der hellste Stern des Orion, sorgte aufgrund seiner schwindenden Helligkeit in der vergangenen Wochen und Monaten für Aufsehen und Spekulationen unter Astronomen und Sternenfreunden darüber, ob der alte Riesenstern wohlmöglich unmittelbar vor dem Sternentod in Form einer Supernova stehen könnte (…GreWi berichtete). Mittlerweile hat der Stern seine ursprüngliche Helligkeit fast wieder erreicht – die Supernova blieb aus. Astrophysiker vermuten nun gewaltige Sonnen- bzw. Sternenflecken hinter der Abdunkelung des Roten Riesens.
Wie das Team unter der Leitung von Thavisha Dharmawardena vom Max-Planck-Institut für Astronomie (MPIA) aktuell im Fachjournal „The Astrophysical Journal Letters“ (DOI: 10.3847/2041-8213/ab9ca6) berichtet, schließen die neuen Ergebnisse bisherige Vermutung aus, dass von Beteigeuze ausgestoßener Staub den Stern verdunkelte (…GreWi berichtete).
Hintergrund
Rote Riesensterne wie Beteigeuze unterliegen häufigen Helligkeitsschwankungen. Der markante Abfall der Leuchtkraft von Beteigeuze auf etwa 40 % seines Normalwertes zwischen Oktober 2019 und April 2020 kam für die Astronomen jedoch überraschend. Wissenschaftler haben verschiedene Szenarien entwickelt, um diese mit dem bloßen Auge wahrnehmbare Veränderung des knapp 500 Lichtjahre entfernten Sterns zu erklären. Einige Astronomen spekulierten gar über eine unmittelbar bevorstehende Supernova.
Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aktuell zeigen, waren es Temperaturschwankungen der Photosphäre, also der leuchtenden Oberfläche des Sterns, die dessen Helligkeit veränderten. Die plausibelste Quelle für solche Temperaturänderungen sind gigantische kühle Sternflecken, ähnlich wie Sonnenflecken, die jedoch 50 bis 70 % der Sternoberfläche bedecken.
„Gegen Ende ihres Lebens werden Sterne zu Roten Riesen“, erklärt Dharmawardena und führt dazu weiter aus: „Hervorgerufen durch den zur Neige gehenden Vorrat an Brennstoff verändern sich die Prozesse, mit denen die Sterne Energie freisetzen. In der Folge blähen sie sich auf, werden instabil und pulsieren mit Perioden von Hunderten oder sogar Tausenden Tagen, was wir als Schwankung der Helligkeit wahrnehmen.“
Beteigeuze selbst ist ein sogenannter Roter Überriese, ein Stern, der im Vergleich zu unserer Sonne etwa die 20-fache Masse hat und etwa 1000-mal größer ist, erläutert die Pressemitteilung des MPIA und führt dazu weiter aus: „Befände er sich im Zentrum des Sonnensystems, würde er fast bis zur Umlaufbahn unseres Jupiters reichen.
Wegen seiner Ausdehnung ist die Schwerkraftwirkung auf der Sternoberfläche geringer als auf einem Stern gleicher Masse aber kleinerem Radius. Die äußeren Schichten des Sterns werden daher relativ leicht durch die Pulsationen abgestoßen. Das freigesetzte Gas kühlt ab und entwickelt sich zu Verbindungen, die Astronomen Staub nennen. Deswegen sind Rote Riesensterne eine wichtige Quelle von schweren Elementen im Universum, aus denen sich schließlich Planeten und Lebewesen entwickeln.“
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Da Astronomen bislang die Erzeugung von lichtabsorbierendem Staub als die wahrscheinlichste Ursache für den starken Helligkeitsabfall angesehen hatten, hatten sich Dharmawardena und ihr Team daran gemacht, genau diese Hypothese zu testen.
Hierzu werteten sie neue und archivierte Daten des Atacama Pathfinder Experiments (APEX) und des James Clerk Maxwell-Teleskops (JCMT) aus. Diese Teleskope messen Strahlung aus dem Spektralbereich der Submillimeterwellen (Terahertz-Strahlung), deren Wellenlänge tausendmal größer ist als die des sichtbaren Lichts. Für das Auge unsichtbar nutzen Astronomen sie bereits längere Zeit, um interstellaren Staub zu untersuchen. Insbesondere kühler Staub leuchtet bei diesen Wellenlängen.
„Was uns überraschte: Beteigeuze wurde auch im Bereich der Submillimeterwellen um 20 % dunkler“, berichtet Steve Mairs vom East Asian Observatory und Koautor der Studie. Ein solches Verhalten sei erfahrungsgemäß nicht mit der Anwesenheit von Staub vereinbar. Für eine präzisere Bewertung berechnete die Forschungsgruppe dann, welchen Einfluss Staub auf die Messungen in diesem Spektralbereich haben würde. Es stellte sich heraus, dass eine Abnahme der Helligkeit im Submillimeterbereich tatsächlich nicht auf eine Zunahme der Staubproduktion zurückgeführt werden kann. Vielmehr müsse der Stern selbst die von den Astronomen gemessene Helligkeitsänderung verursacht haben.
Physikalische Gesetze besagen, dass die Leuchtkraft eines Sterns von seinem Durchmesser und besonders stark von seiner Oberflächentemperatur abhängt. „Verringert sich nur die Größe des Sterns, sinkt die Helligkeit in allen Wellenlängen gleich stark.
Temperaturänderungen beeinflussen die Abstrahlung entlang des elektromagnetischen Spektrums jedoch unterschiedlich. Die gemessene Verdunkelung im sichtbaren Licht und in den Submillimeterwellen ist nach Ansicht der Wissenschaftler daher ein Beleg für eine Verringerung der mittleren Oberflächentemperatur von Beteigeuze, die sie auf 200 K (oder 200 °C) beziffern.“
Wahrscheinlicher sei allerdings eine ungleiche Temperaturverteilung, erklärt Co-Autor Peter Scicluna von der Europäischen Südsternwarte (ESO): „Entsprechende hochauflösende Bilder von Beteigeuze vom Dezember 2019 zeigen Bereiche mit unterschiedlicher Helligkeit. Zusammen mit unserem Ergebnis ist dies ein klarer Hinweis auf riesige Sternflecken, die zwischen 50 und 70% der sichtbaren Oberfläche bedecken und eine niedrigere Temperatur als die hellere Photosphäre aufweisen.“
Tatsächlich kommen Sternflecken bei Riesensternen häufig vor – allerdings nicht in diesem Ausmaß. Wie lange solche Riesenflecken anhalten können, ist bislang zwar noch nicht, doch scheinen theoretische Modellrechnungen mit der Dauer des Helligkeitseinbruchs von Beteigeuze vereinbar zu sein, berichten die Autoren.
Von der Sonne wissen wir, dass die Anzahl der Flecken in einem 11-jährigen Zyklus zu- und abnimmt. Ob Riesensterne einen ähnlichen Mechanismus haben, ist ungewiss. Ein Hinweis darauf könnte das vorige Helligkeitsminimum darstellen, das bereits deutlich stärker ausgeprägt war als diejenigen in den Jahren davor. „Beobachtungen in den kommenden Jahren werden erweisen, ob der starke Abfall der Helligkeit Beteigeuzes im Zusammenhang mit einem Fleckenzyklus steht. Beteigeuze bleibt jedenfalls auch für zukünftige Studien ein spannendes Objekt“, erläutert Dharmawardena abschließend.
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Quelle: MPIA
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