War dies das Grab eines „Herren der Himmelscheibe“?

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Raßnitz (Deutschland) – Die Auswertung der bisherigen Grabungsfunde am Großgrabhügel „Bornhöck“ in der Gemeinde Raßnitz im Sächsisch-Anhaltinischen Saalekreis stützen Landesarchäologen in ihrer Vermutung, dass es sich um das Grab eines der sogenannten „Herren der Himmelscheibe“ handeln könnte, die die sagenhafte Himmelsscheibe von Nebra – und damit die bislang älteste bekannte astronomische Abbildung des Sternenhimmels – in Auftrag gegeben hatten.

Wie das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt in einer Pressemitteilung berichtet, stammen die freigelegten Gräber aus der frühen Bronzezeit, während der sich in Mitteldeutschland erstmals eine hierarchische Gesellschaftsstruktur belegen lasse, die ihren Ausdruck in „normierten“ Grabausstattungen finde: „An der Spitze stehen sog. Fürsten, die sich über mehrere Jahrhunderte hinweg (vom 20. bis 17. Jh. v. Chr.) in riesigen Grabhügeln bestatten lassen. Der größte dieser Fürstengrabhügel ist der „Bornhöck“, Gemeinde Raßnitz, Saalekreis, der seit 2014 vom Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt im Rahmen von Lehrgrabungen in Zusammenarbeit mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg untersucht wird.

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Der imposante Tumulus mit einem Durchmesser von ca. 65 m und einer Höhe von ca. 15 m in der Bronzezeit wies eine hölzerne Grabkammer auf und wurde frühestens im 19. Jh. v. Chr. errichtet: „Er ist damit eindeutig jünger als das Begräbnis in dem bekannten „Fürstengrab“ von Leubingen, Lkr. Sömmerda (1942 v. Chr.). Er könnte etwa zeitgleich oder etwas jünger sein als das ebenso bedeutende Fürstengrab von Helmsdorf, Lkr. Mansfeld-Südharz (1840 v. Chr.).“

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Zeitgenössische Darstellung der südl. Ansicht des sog. Bornhöck (1843) in einer Zeichnung des halleschen Stadtbaumeisters L. A. Stapel kurz vor dem Beginn der Abtragungsarbeiten im Jahr 1843.

Copyright/Quelle: LDA Sachsen-Anhalt

Obwohl die zentrale Grabkammer des „Bornhöck“ bereits vor langer Zeit beraubt worden ist und daher erwartungsgemäß keine Goldfunde mehr zu Tage kamen, erhärten die Ergebnisse die Vermutung, dass im „Bornhöck“ einer der „Herren der Himmelsscheibe“ bestattet war.

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Ausgrabung am frühbronzezeitlichen Grabhügel „Bornhöck“.

Copyright: LDA Sachsen-Anhalt / Torsten Schunke

Zu dieser Vermutung gelangen die Historiker und Archäologen u.a. aufgrund eines angeblichen Hortfundes mit zahlreichen Goldobjekten, der etwa zur selben Zeit, als der Grabhügel vor 150 Jahren abgetragen wurde, in der Nähe gefunden wurde. Mittlerweile scheint jedoch gewiss, dass die Artefakte in Wirklichkeit wohl aus dem Grabhügel stammen und ursprünglich zur Grabausstattung des Fürsten gehört haben dürften: „Metallurgische Untersuchungen dieses Goldfundes bestätigen Übereinstimmungen mit diversen Goldobjekten aus den Fürstengräbern von Leubingen und Helmsdorf“, erläutern die Archäologen um Torsten Schunke.

Hintergrund: Die Himmelsscheibe von Nebra

Die Himmelsscheibe ist einer der bedeutendsten archäologischen Funde des vergangenen Jahrhunderts. Sie zeigt die weltweit älteste konkrete Darstellung astronomischer Phänomene, die wir kennen.

03190Die Himmelsscheibe von Nebra
Copyright: LDA Sachsen-Anhalt (Foto: Juraj Lipták)

Elemente des Tag- und Nachthimmels vermischen sich vor einem abstrakten Sternennetz. Sonne und Mond werden aber nicht nur in ihrem Himmelslauf abgebildet, sondern auch erklärt. Zwischen den Horizonten erscheint ein Schiff in nächtlicher Fahrt über den Himmelsozean. Es ist hier zum ersten Mal als zentrales mythisches Symbol in Europa überliefert. Die Himmelsscheibe gibt uns einen Einblick in das Wissen unserer Vorfahren über den Weltenlauf und seine religiöse Deutung vor 3600 Jahren.

Der Bedeutung der Himmelsscheibe von Nebra als älteste konkrete Darstellung kosmischer Phänomene trägt auch ihre Aufnahme in das UNESCO-Dokumentenerbe „Memory of the World“ Rechnung, die im Juni 2013 erfolgte.

Die Himmelsscheibe von Nebra gehört zu einem Bronzeschatz, den Sondengänger im Sommer 1999 auf dem Mittelberg nahe der Kuppe illegal ausgewühlt hatten.

Der Fund wurde verkauft und gelangte in den folgenden Jahren in die Hände verschiedener Hehler und Händler. Im Februar 2002 stellte die Basler Polizei in enger Zusammenarbeit mit dem Landeskriminalamt, dem Kultusministerium und dem Landesamt für Archäologie Sachsen-Anhalt den Fund sicher. Die Originale gehören seitdem zur Schatzkammer des Landesmuseums für Vorgeschichte in Halle. Seit dem 23. Mai 2008 ist die Himmelsscheibe in der Dauerausstellung des Landesmuseums zu sehen.

Textquelle: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt

Obwohl es bislang zwar noch keinen Nachweis von Übereinstimmungen mit den Goldauflagen auf der Himmelsscheibe von Nebra gibt, ergebe sich jedoch aus dem schichtweisen Aufbau des Grabhügels, „dass hier möglicherweise mehrere Fürsten in einer Art dynastischer Folge bestattet worden waren. Dagegen lag in den älteren Hügeln von Leubingen und Helmsdorf jeweils nur eine Person. Danach scheint sich der ‚Bornhöck‘ als zentraler Bestattungsort einer Dynastie von Fürsten fest etabliert zu haben.“

In einem diesjährigen, zunächst eher unscheinbaren Fund sehen die Wissenschaftler nun ein weiteres Indiz für diese Interpretation, belegt er doch jenseits der herausragenden Gold- und Bronzefunde die enge Einbindung der Dieskauer Fürsten in ein überregionales Kommunikations- und Handelssystem: „Es handelt sich um ein wegen seiner Form sog. Brotlaibidol, von denen bislang aus dem südlichen Sachsen-Anhalt und Thüringen nur drei mögliche, schlecht erhaltene Vergleichsstücke bekannt sind.“

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Hierzu führen die Archäologen weiter aus: „Auf der Oberseite dieses länglichen Tonobjektes sind Querstriche und kleine eingestempelte Kreise zu erkennen. Im 19. – 16. Jh. v. Chr., der Zeit der frühbronzezeitlichen Fürstengräber und der Himmelsscheibe von Nebra, tauchen im südlichen Mitteleuropa, v. a. in der Slowakei, Ungarn und Norditalien, sehr ähnliche viereckige bis ovale Tontäfelchen auf, die immer wiederkehrende ‚Verzierungen‘ aus Linien und Stempeleindrücken tragen. Ihre wirkliche Funktion wird erst seit wenigen Jahren deutlich. Offensichtlich spielten diese Objekte im Fernhandel, möglicherweise von Metallen, eine Rolle. Waren sie eine Art Frachtschein oder etwa Siegelstempel als Echtheitszertifikat? Sind auf ihnen vielleicht sogar Zahlen oder andere Informationen verschlüsselt, wie wir es aus derselben Zeit von den noch komplexeren Tontäfelchen der ersten europäischen Hochkultur, der minoischen Kultur auf Kreta (‚Linear A‘-Schrift), kennen?  Dort sind sie Zeichen eines hoch differenzierten Wirtschaftssystems und gleichbedeutend mit der Einführung der Bürokratie.“

Der Fund – so stellen die Forscher abschließend fest – zeige, „dass der im ‚Bornhöck‘ Bestattete mit den Eliten der Kulturen im südlichen Mitteleuropa in engem Kontakt stand. Waren und Informationen wurden über viele hundert Kilometer getauscht, ein einheitliches Zeichensystem wurde verstanden. Im Gegensatz zu den südlichen Regionen war ein solcher Kontakt allerdings nur wenigen Personen und ihrem Umfeld vorbehalten, wie die geringe Zahl an ‚Brotlaibidolen‘ nahelegt. Der Herrscher aus dem ‚Bornhöck‘ gehörte zu ihnen.“

Die Untersuchungen sollen im nächsten Jahr fortgeführt werden.

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