Gravitations-SETI: Aliens könnten mittels Gravitationswellen kommunizieren
Ein Kritikpunkt an der klassischen Suche nach außerirdischer Intelligenz (SETI) richtet sich gegen den Umstand, dass wir hauptsächlich nach Signalen suchen, die wir selbst zur Kommunikation nutzen. Ferne Zivilisationen – so das Gegenargument – könnten schon viel weiter fortgeschritten sein und schon längst keine Funk- oder Laser-Signale mehr zur Kommunikation verwenden. In seinem Gastbeitrag stellt der Harvard-Astronom Prof. Avi Loeb eine fortschrittliche Kommunikationsform vor, deren Spuren wir jedoch heute schon detektieren könnten.

Copyright: Sabin et al. 2015
– Bei dem folgenden Artikel handelt es sich um einen Gastbeitrag von Prof. Dr. Avi Loeb, der am 7. April 2025 im englischsprachigen Original unter dem Titel „Gravitational SETI“ von Prof. Avi Loeb auf Medium.com erstveröffentlicht wurde. Der Text wurde – mit freundlicher Genehmigung des Autors (A. Loeb) – durch www.GrenzWissenschaft-Aktuell.de (GreWi) ins Deutsche übersetzt. Die vom Autor geäußerten Ansichten sind seine eigenen.
Einer der aufregendsten Durchbrüche in der Astronomie des letzten Jahrzehnts war die Entdeckung von Gravitationswellen. Seit den Tagen Galileo Galileis beruhte Astronomie auf der Beobachtung elektromagnetischer Signale durch Teleskope. Doch wie sich zeigt, bestehen die Hauptbestandteile des Universums aus Materie, die auf diese Weise nicht beobachtbar ist.
Unsere aktuellen Daten deuten darauf hin, dass 85 % der Materie im Universum elektromagnetisch unsichtbar sind – sogenannte Dunkle Materie. Darüber hinaus machen 70 % des Energiehaushalts des Universums die Dunkle Energie aus. Kosmologen schließen auf diese Bestandteile, da sie sichtbare Materie gravitativ beeinflussen. Können wir einen Detektor für erdnahe Objekte entwickeln, der das Gravitationssignal vorbeiziehender dunkler Objekte erkennt?
Falls dunkle Materie aus Objekten mit Asteroidenmasse besteht, wie etwa primordialen Schwarzen Löchern, würden unsere Teleskope sie nicht bemerken – selbst wenn sie nahe an der Erde vorbeifliegen. In einer aktuellen Studie habe ich gezeigt, dass die Gravitationswellenobservatorien „LIGO-Virgo-KAGRA“ ein dunkles Objekt detektieren könnten, wenn es sich nahe Lichtgeschwindigkeit bewegt und seine Masse mehr als hundert Millionen Tonnen beträgt. Ein solches Objekt würde den Erdradius in weniger als zwei Hundertstelsekunden durchqueren und ein gravitationsbedingtes Signal im Frequenzbereich von LIGO-Virgo-KAGRA erzeugen. Bisher wurde allerdings noch kein solches Objekt entdeckt.
In weniger als einem Jahrzehnt wird das Weltraumobservatorium „LISA“ die Gravitationswellendetektion auf den Frequenzbereich zwischen Milli- und Mikro-Hertz sowie geringere Raumzeitverzerrungen ausweiten. Dies wird eine neue Ära der Sensitivität gegenüber dunklen erdnahen Objekten im Asteroidenmassenbereich einläuten.
Es könnte auch die Tür zur gravitativen Detektion von UAPs (unidentifizierte anomale Phänomene) öffnen, die das Galileo-Projekt derzeit elektromagnetisch zu erfassen versucht. Pulsar Timing Arrays (PTAs) erfassen Frequenzen im Bereich von einigen Nano-Hertz, waren bisher jedoch, was die Rauschgrenze für die Erkennung einzelner Quellen anbetrifft, nur für das kumulative Gravitationswellenhintergrundrauschen empfindlich.
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Gravitationswellendetektoren sind die aufregendsten Teleskope des kommenden Jahrtausends, da sie die Tür zur Entdeckung von Objekten öffnen, die wir zuvor nie bemerkt, weil nicht gesehen haben. Wie ich in einer weiteren Studie zeigte, ist es unmöglich, Gravitationswellensignale zu blockieren oder abzuschwächen. Sie bieten die optimale Kommunikationsmethode, sind sie doch sogar durch die Erde oder die Sonne hindurch detektierbar.
Es ist denkbar, dass technologische Zivilisationen außerhalb der Erde mithilfe von Gravitationssignalen kommunizieren, und dass unser bisheriges Versäumnis, diese zu bemerken, daran liegt, dass SETI traditionell auf elektromagnetische Signale fokussiert war.
Falls dem so ist, dann liegt die „Stille“ – die Fermi zu seiner berühmten Frage „Wo sind denn alle?“ veranlasste – schlicht an unserer eigenen Blindheit gegenüber Gravitationssignalen im passenden Frequenzbereich. Außerirdische würden wahrscheinlich ein Kommunikationsmittel wählen, das nicht mit den lautesten natürlichen Quellen von Gravitationswellen interferiert – das wären stellare Schwarze-Loch-Binärsysteme (Zielbereich von LIGO-Virgo-KAGRA) sowie supermassive Schwarze-Loch-Paare (Zielbereich von LISA und PTAs). In diesem Fall müsste Gravitations-SETI andere Frequenzbänder ins Visier nehmen.
Die größte Herausforderung bei der Erzeugung detektierbarer Gravitationssignale ist die Notwendigkeit, große Massen mit hohen Geschwindigkeiten zu bewegen. Näherungsweise ist die Gravitationswellenverzerrung proportional zum Gravitationspotenzial des Senders, geteilt durch das Quadrat der Lichtgeschwindigkeit, multipliziert mit dem Quadrat der charakteristischen Bewegungs-Geschwindigkeit (in Einheiten der Lichtgeschwindigkeit). Zum Vergleich: Das nächste stellare Doppelsternsystem, Alpha Centauri A & B, erzeugt bei einer Umlaufzeit von 80 Jahren nur eine Verzerrung der Größenordnung 10⁻²⁴, was extrem schwer nachzuweisen ist.
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Vor fünf Jahren veröffentlichte ein Team um Marek Abramowicz eine Studie zur Möglichkeit, dass eine fortschrittliche technologische Zivilisation Energie vom supermassiven Schwarzen Loch Sagittarius A* (vier Millionen Sonnenmassen) im Zentrum der Milchstraße nutzt und damit kommuniziert. Sie fanden heraus, dass eine jupitermassige Struktur auf der innersten stabilen Umlaufbahn ein eindeutiges Gravitationswellensignal aussenden würde, das von „LISA“ erkannt werden könnte.
Kürzlich hatte ich die große Freude, einem brillanten Forscherteam namens „Applied Physics“ unter der Leitung von Gianni Martire beizutreten. Dieses Team veröffentlichte eine neue Studie zu den Aussichten von „Gravitational SETI“. Die Gruppe zeigte, dass „LIGO“ empfindlich genug ist, um ein massives Raumschiff mit Jupitermasse zu erkennen, das sich mit einem Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit durch die Milchstraße bewegt – oder ein mondgroßes Objekt in einer Entfernung von einigen Dutzend Lichtjahren. Zukünftige Observatorien wie „DECIGO“, „Cosmic Explorer“, das „Einstein-Teleskop“ und der „Big Bang Observer (BBO)“ werden voraussichtlich eine mindestens hundertfach höhere Empfindlichkeit als LIGO erreichen, was das durchsuchbare Volumen um den Faktor eine Million erhöht.
„Gravitational SETI“ wird sich auf Signale konzentrieren, die nur von hoch entwickelten Zivilisationen erzeugt werden können. Nur Zivilisationen mit entsprechendem wissenschaftlich-technologischen Niveau wären in der Lage, solche Signale zu bemerken. Das stellt eine wirksame Tarnstrategie für sendende Zivilisationen dar, um Raubzivilisationen zu entgehen, die sich auf physische Stärke anstatt auf Wissenschaft und Technik konzentrieren. Zudem nimmt die Amplitude von Gravitationswellen nur linear mit der Entfernung ab – im Gegensatz zu elektromagnetischen Signalen, deren Intensität mit dem Quadrat der Entfernung abnimmt. Schließlich könnten empfindliche Gravitationswellendetektoren mit breitem Spektrum auch als ultimatives Frühwarnsystem dienen, um das existentielle Risiko durch dunkle Objekte zu mindern.
Der große Vorteil von Gravitationssensoren besteht darin, dass Gravitationssignale unausweichlich sind.
Prof. Dr. Avi Loeb ist Leiter des „Galileo-Projekts“ in Harvard, einer systematischenwissenschaftlichen Suche nach Beweisen für außerirdische technologische Artefakte. Loeb ist Gründungsdirektor von Harvards Black Hole Initiative, Direktor des Institute for Theory and Computation am Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics und Vorsitzender des Beirats des Breakthrough Starshot-Projekts. Er ist Autor des Buches „Außerirdisch: Intelligentes Leben jenseits unseres Planeten“.
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