Saarbrücken (Deutschland) – Die Ergebnisse der Suche nach sogenannter eDNA eines bis heute unbekannten großen Lebewesens – eines „Ungeheuers“ im sagenumwobenen Loch Ness, die im vergangenen Herbst präsentiert wurden und lediglich ungewöhnlich große Aale als verbleibende mögliche Erklärung für „Nessie“ zuließen, sind weniger eindeutig als zuvor von den Wissenschaftlern selbst in Aussicht gestellt. Grenzwissenschaft-Aktuell.de (GreWi) hat bei dem Leiter der Studie nachgefragt.
Zuvor hatte das Team um Prof. Neil Gemmell von der neuseeländischen University of Otago im vergangenen September nach ausführlichen Analysen zahlreicher Wasserproben aus dem schottischen See erklärt, anhand der darin vorgefundenen sogenannten „Umwelt-DNA“ (Environmental DNA = eDNA) die meisten der populären Erklärungsansätze und Theorien für das „Ungeheuer von Loch Ness“ ausschließen zu können. Lediglich ungewöhnlich große Aale kämen weiterhin als Erklärung für die Sichtung großer Lebewesen im Loch Ness in Frage (…GreWi berichtete).
Nachdem sich sowohl die Wogen des Loch Ness als auch jene um die Veröffentlichung der Analyse-Ergebnisse wieder geglättet haben, hat GreWi-Herausgeber Andreas Müller nochmals bei Professor Gemmel nachgefragt:
Andreas Müller, Grenzwisseschaft-Aktuell.de (GreWi): Herr Professor Gemmel, wie sie selbst erläutert haben, ist die vermutlich populärste Erklärung für das „Ungeheuer“ im Loch Ness eine bis heute unerkannt darin überlebende Populationen von urzeitlichen langhalsigen Meeres-Reptilien wie etwa den Plesiosauriern. Gab es überhaupt eine Chance, dass Sie mit ihren Methoden einen solchen vermeintlichen „Saurier“ anhand von eDNA als solchen hätten erkennen können? Schließlich gibt es in den Gen-Datenbanken, mit denen Sie ihre Ergebnisse aus dem Loch abgeglichen haben doch keine Beispiele für Dino-DNA?
Prof. Neil Gemmel: Wir haben in unseren Proben schlichtweg keinerlei Reptilien-Sequenzen gefunden, geschweige denn unbekannte Dino-DNA.
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GreWi: Habe ich Ihre Aussagen während ihrer Pressekonferenz am Loch Ness derart richtig verstanden, dass es eine Chance gab und gibt, dass Sie einst im See vorhandene eDNA welcher Art auch immer aufgrund der Degeneration auch schlichtweg übersehen haben könnten. Würde „Nessie“ – um was auch immer es sich handelt – also lediglich etwa alle zwei Jahre nur für eine kurze Zeit in den See einwandern (ähnlich wie Tiere, die zu ihren Geburts-, Brut- oder Paarungsorten zurückwandern), könnte es dann sein, dass Ihre Studie das Tier bzw. die Tiere sozusagen verpasst hat?
Prof. Gemmel: eDNA hält sich im Wasser nur wenige Tage. Ihre Degeneration hängt von der Temperatur und dem pH-Wert des Wassers ab. Das bedeutet, dass wir durchaus Dinge übersehen haben könnten, die etwa noch eine Woche vor den Probeentnahmen noch im See waren und danach nicht mehr. So ist beispielsweise bekannt, dass sich etwa Robben immer wieder im Loch Ness kurzfristig aufhalten – etwa im vergangenen September, bevor wir unserer Ergebnisse präsentierten. Obwohl wir also wissen, dass es im Loch Ness hin und wieder Robben gibt, wenn auch nur alle paar Jahre, so haben wir doch 2018 keinerlei eindeutige Beweise dafür gefunden, dass irgendwelche Robben See gewesen wären.
GreWi: Wie groß wäre also die maximale Zeitspanne, innerhalb derer sich ein Lebewesen im Loch Ness befunden haben müsste, um es im Rahmen Ihrer Studie noch identifiziert werden zu können?
Prof. Gemmel: Es hätte sich, wie gesagt, innerhalb einer Woche vor unserer Probeentnahmen im Loch Ness aufhalten müssen. Diese fanden im Juni 2018 statt. Zufälligerweise gab es zwei Nessie-Sichtungen um Mai 2018 (…GreWi berichtete), von denen sich eine knapp eine Woche vor unseren Probeentnahmen ereignet hatte. (Anm. GreWi: Allerdings bedeutet eine oder mehrere Sichtungen natürlich nicht, dass es sich dabei auch tatsächlich um „Nessie“ gehandelt haben muss…)
Hintergrund: eDNA
Bei der Methode der eDNA handelt es sich um ein vergleichsweise neues DNA-Analyseverfahren, das noch kleinste DNA-Spuren aus Umweltproben wie beispielsweise Wasser- oder Böden extrahieren kann. Bekannt wurde das Verfahren durch den DNA-Nachweis der Existenz der sogenannten Denisova-Menschen aus der Analyse von Ablagerungen in einer Höhle, in der sich sonst keine physischen Beweise oder Spuren als Beleg für die einstige Anwesenheit der lange Zeit unbekannten Frühmenschenart fanden.
„Die Methode des eDNA ist deshalb so effektiv, weil das Leben selbst schmutzig ist“, so Gemmell. „Egal welche Kreatur sich durch eine Umwelt bewegt und darin lebt – sie hinterlässt auf jeden Fall kleinste Fragmente ihrer DNA in Form von Haut, Schuppen, Federn, Haaren, Kot und Urin. Es ist diese DNA, die wir mittlerweile extrahieren und sequenzieren können, um damit diese Kreaturen zu identifizieren, in dem man die ermittelten Sequenzen mit den Datenbänken bekannter genetischer Sequenzen von mehr als 100.000 unterschiedlichen Organismen vergleicht.“
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GreWi: Es gibt eine der Haupt-Hypothesen dafür, was Nessie sein könnte, die Sie in Ihrer Studie nicht berücksichtigt haben, die allerdings erklären könnte, warum Nessie nicht nur „im“ See sondern auch schon „am“ Ufer, an Land, gesichtet wurde oder dabei beobachtet wurde, wie es aus dem Wasser heraus an Land kam und sich auch hier fortbewegte.
Diese Hypothese sieht in Nessie ein Amphib, vielleicht einen Riesensalamander. Tatsächlich wurde erst kürzlich eine neue Art solcher Riesensalamander in China entdeckt, deren Eigenschaften und Lebensraum sich sogar mit dem Loch Ness decken könnte (…s. Abb. / GreWi berichtete). Haben Sie und Ihre Kollegen im Loch Ness eDNA wie jene der Aal-DNA gefunden, die vielleicht diese Hypothese zumindest als weitere Möglichkeit stützen könnte?
Prof. Gemmel: Wir haben im Loch Ness eDNA-Sequenzen gefunden, die jener gewöhnlicher Kröten und von Fröschen entspricht, aber nichts was nahelegen könnte, dass es darin etwas wie einen Salamander gibt. Ebensowenig haben wir reptilische Sequenzen in unseren Proben gefunden, weshalb auch Ideen darüber, dass es sich bei Nessie etwa um eine Lederschildkröte handeln könnte, ebenfalls nicht von unseren Ergebnissen unterstützt werden.
GreWi: Planen Sie weitere krpytozoologische eDNA-Analysen, etwa anhand von Proben aus potentiellen Schlafnestern von Sasquatch, wie sie in den nordamerikanischen Wäldern vorgefunden wurden? Hierzu hatte ich bereits von Bemühungen von Dr. Jeff Meldrum und Kollegen berichtet (…GreWi berichtete).
Prof. Gemmel: Das wäre möglich. Tatsächlich habe ich mich schon mit Jeff Meldrum über eine Analyse solcher Proben ausgetauscht.
GreWi: Professor Gemmel, ich bedanke mich für Ihre Antworten.
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Quelle: Grenzwissenschaft-Aktuell.des
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